Witzige Klofrauen sind heimliche Stars des Zeltfestivals
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Witten/Bochum. Zwei Frauen sorgen beim Zeltfestival Ruhr dafür, dass pro Tag 10.000 Besucher prima pinkeln können. Dabei haben Dany und Nina ganz andere Berufe.
„Hallöchen vom Klöchen“, ruft Dany Rüger, diesmal im Matrosen-Outfit. Sie beäugt den Festivalbesucher konzentriert durch ihr Fernrohr, nein, eine Vuvuzela, und schickt ihn in die Kabine rechts: „Herren bitte Steuerbord!“ Weil die Blase so drückt, muss man sich das Lachen stark verkneifen. Der sonst so verschämte Toilettengang gleicht auf dem Zeltfestival Ruhr einer Comedy-Inszenierung – und das liegt an den witzigen WC-Damen.
Tatsächlich arbeiten Dany und Nina nur auf dem Zeltfestival am Kemnader See als lustige Putzkräfte. Ansonsten ist die eine Tanzlehrerin und Diplom-Pädagogin und die andere Jurastudentin, Mama eines zehn Monate alten Babys und Influencerin. 17 Tage im Jahr schlüpfen die (Überlebens-)Künstlerinnen in die Rolle, die sie so einmalig genial umsetzen, und Künstler wie Publikum begeistern. Denn bei welcher anderen Veranstaltung gibt es solche Klos? Die Zeltfestival-Toilettenanlage ist nicht nur liebevoll hergerichtet und gepflegt, sie hat auch Unterhaltungswert. Besucherinnen schießen mit den beiden Putzfrauen Selfies. Und andersherum, Thomas D. von den Fantastischen Vier, postete nach seinem Auftritt ein Foto von seiner Künstler-Toilette.
Bei „BossHoss“ werden die Wittener Klofrauen zu Cowboys
„Was machen wir denn heute? Die Pinkelpolizei“, fragt Nina, setzt die Polizeikappe auf und nimmt den rosa blinkenden „Schlagstock“ in die Hand. Die 28-Jährige steht im Umkleidezelt, das zur Toilettenanlage gehört. Darin befinden sich diverse Kostüme, etwa geblümte Kittelschürzen oder das Biene Maja-Outfit. Nina und Dany verkleiden sich meist passend zum jeweiligen Headliner des Abends. Wenn „BossHoss“ spielt, werden auch die Klofrauen zu Cowboys.
Der Clou sind allerdings die Collagen, die Dany Rüger täglich aufs Neue an die Spiegel über die Waschtische klebt. Jeder Künstler und jeder Künstlerin bekommt ein eigenes Plakat mit passendem Reim gedichtet. „Etwa drei Wochen vor dem Festival recherchiere ich, mache Screenshots und gestalte die Zettelchen“, erzählt die gebürtige Pfälzerin. Für die Künstler sei dieser individuelle Zettel mitunter das beste Geschenk.
Es geht um die Rolle, nicht ums Geld
Seit 2008 gibt es die Zeltstadt am See, seit 2015 aber erst die witzigen WC-Damen. „Das Festival ist so liebevoll. Es soll nicht nur vorne schön sein, auch hinten gibt’s Entertainment“, umschreibt Dany Rüger das Konzept. In den ersten ZfR-Jahren wurde noch eine professionelle Reinigungsfirma engagiert. Aber die Nummer mit dem weißen Teller fürs Trinkgeld passte nicht zum Festival-Feeling, fand Lucas Rüger, einer der drei Veranstalter – und Danys Bruder. „Ich spiele schon immer Theater und liebe es, mich zu verkleiden“, erklärt die fitte 61-Jährige, warum sie den Honorarkraft-Job angenommen hat.
Frauen sind schlimmer
Dany und Nina pflegen 36 Damentoiletten, acht Kabinen für Männer und 32 Pissoirs. Hinzu kommen die Toiletten für Mitarbeitende, Künstler und Künstlerinnen. Die Frauenklos seien übrigens am pflegeintensivsten. „Viele Mädels sind nicht in der Lage, die leere Klopapierrolle in den Mülleimer zu werfen“, sagt Dany.
Einige jüngere Zeltfestivalbesucher kennen Nina auch von ihrem Instagram-Auftritt. Was die Influencerin so postet, findet man auf ihrer Seite „indubiopronina“.
Trotzdem, letztlich putzt sie Toiletten – ist das denn kein Rückschritt? „Es geht uns gerade nicht ums Geld“, sagt Dany. Es sei die Show, der Spaß, die andere Rolle. Auch Nina, die Jura-Studentin, argumentiert so. „Früher habe ich in der Gastronomie gejobbt. Als ich zu Dany gewechselt bin, sahen das viele als Downgrade. Ist es aber nicht.“ Vielmehr gefalle es ihr, an den 17 Tagen „aus sich rauszukommen“, zu laut und zu wild zu sein. Als Kellnerin musste sie immer höflich bleiben. Als Pinkelpolizistin geht sie auf gestandene Männer zu. Bei der „Tatörtchen-Begehung“ verteilt sie Knöllchen fürs Danebenpinkeln.
Wenn ein Promi mal nicht so kann
Da muss man gleich mal nachgucken: Wie verhalten sich denn die Promis auf ihren Örtchen im Backstage-Bereich? Tatsächlich sehen die Künstler-Klos genauso aus wie die der Festivalbesucher: Keramik in Containern, Waschtischen mit den bemalten Spiegeln und frischen Blumen. An manchen Kabinentüren klebt das Schild „Defekt“ – das ist Danys diskrete Lösung für Herrschaften, „die nicht so können, wenn sie sich die Toilette mit jemandem teilen müssen“.
Die beiden freuen sich über die große Wertschätzung, die sie mit ihrer Arbeit erfahren. „Wir kriegen so viele Anfragen, dass Leute uns für Veranstaltungen buchen möchten“, erzählt Dany. Und viel Lob dafür, dass die Toiletten trotz Massenbetriebs so gepflegt seien. „Vor allem Männern fällt das auf.“ Einer fand seine Kabine so sauber, er sagte daraufhin zu Dany: „Bei Ihnen möchte ich gern Durchfall haben.“
Mit Humor, Charme und Tatkraft meistern Dany und Nina ihren Job
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