Witten. Über die „110“ gehen in der Leitstelle der Polizei nicht nur Notrufe ein. Ärgerliches und Kurioses: Welche Bagatellanrufe Beamte entgegennehmen.

Die Polizei rückt pro Monat nach Notrufen zu rund 5400 Einsätzen in Bochum, Herne und Witten aus. Hinzu kommen aber auch unzählige Notrufe, die gar keine sind, die Beamtinnen und Beamte aber von der Arbeit abhalten. Manche dieser Bagatellanrufe sind so skurril, dass das Kopfschütteln im Polizeipräsidium groß sein dürfte.

Das missbräuchliche Verwenden des Notrufs sei kein Spaß, stellt Polizeisprecher Frank Lemanis klar. Heißt: Wer die 110 wählt, muss wirklich in Not sein. Viele Anrufer seien das aber offensichtlich nicht. Sie griffen etwa zum Hörer, um mal kurz nachzufragen, wie weit der Apfelbaum oder die Gartenlaube vom Nachbarn von der Grundstücksgrenze entfernt sein müsse. Oder jemand suche für ein Klassentreffen nach ehemaligen Mitschülern von vor 30 Jahren. „Oftmals sind wir für die Menschen erster Ansprechpartner, weil sie einfach nicht wissen, wohin mit ihrem Problem“, sagt Lemanis. „Je nach Situation versuchen wir, in dem einen oder anderen Fall sogar zu helfen.“ Klar sei aber auch: „Rechtsberatungen am Notruf verbieten sich.“

Bei bewusst falschem Alarm gibt es eine Strafanzeige

Alltag seien auch „verhaltensauffällige Menschen“, die phasenweise täglich den Notruf wählten und am Telefon „einfach nur Unverständliches“ redeten. Hinzu kämen jene Bürger, die tatsächlich eine berechtigte Frage an die Polizei hätten, mangels Kontakt aber kurzerhand die 110 wählten. Die Anrufer fragten in der Leitstelle dann nach „Aktenzeichen, Sachständen oder Ansprechpartnern“. Man könne den Eindruck gewinnen, dass viele Menschen, die die Polizei anrufen wollten, nur den Notruf 110 kennen, ärgert sich Lemanis.

„Oftmals sind wir für die Menschen erster Ansprechpartner, weil sie einfach nicht wissen, wohin mit ihrem Problem“: Polizeisprecher Frank Lemanis.
„Oftmals sind wir für die Menschen erster Ansprechpartner, weil sie einfach nicht wissen, wohin mit ihrem Problem“: Polizeisprecher Frank Lemanis. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Und wie reagiert die Polizei? Wer aus Unwissenheit den Notruf wähle, „wird freundlich darauf hingewiesen, beim nächsten Mal eine Wache anzurufen oder die zentrale Vermittlungsstelle“. Letztere sei in Bochum erreichbar unter der Nummer 0234 909-0. Über diesen Anschluss würden die Menschen zur Wittener Wache weitervermittelt, für die das Polizeipräsidium Bochum ebenfalls zuständig ist.

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Nicht mehr so freundlich sind die Mitarbeiter dagegen, wenn jemand „bewusst wahrheitswidrig falschen Alarm auslöst“. Dann folge eine Strafanzeige. 2020 gab es 94 Strafanzeigen, im vergangenen Jahr 102. In diesem seien es bereits 80.

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Bagatellanrufe sind ein Problem für die Leitstellenbeamten

Wie viele Bagatellanrufe über den Notruf genau aufschlagen, kann die Polizei nicht sagen. Die aktuelle Telefonanlage gebe dazu keine Rückschlüsse. Erfasst würden nur jene Anrufe, die Einsätze nach sich ziehen. Ebenfalls nicht erfasst würden Anrufe von mehreren Menschen, die wegen desselben Notfalls anrufen, etwa desselben Verkehrsunfalls. Klar sei aber: Die Zahl der Bagatellanrufe sei „erheblich und stellt ein Problem für die Leitstellenbeamten dar, weil sie in dieser Zeit keine echten Notrufe annehmen können.“

Und dann gibt es noch die Anrufe, bei denen es sich trefflich darüber streiten lässt, ob es sich um „richtige“ Notfälle handelt.

Erinnert sei an eine tierische Geschichte, die sich im Januar 2019 auf einem Hevener Flachdach ereignet hat: Dort, an der Straße Fahrendelle, war eine sehr große und regungslose Schlange gesichtet worden - vermutlich eine drei Meter lange Python. War das Tier dort aufgrund der kalten Temperaturen verendet? Die Polizeibeamten klärten den Fall schnell auf, handelte es sich zum Glück nur um eine Plastikschlange.

Schüler auf extrem frisiertem Mofa unterwegs

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Über Notruf wurde ebenfalls im Januar 2019 ein extrem „frisierter“ Motorroller gemeldet, der durch die Tempo-30-Zone der Husemannstraße kachelte. Dass hier die Polizei einschritt, lohnte sich: Der 15-jährige Fahrer hatte zwar eine Mofa-Prüfbescheinigung zum Führen eines Fahrrades mit Hilfsmotor (Bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit 25 km/h), die Fahrzeugpapiere für den Roller allerdings nicht. Den Polizisten fiel auf, dass das Mofa u.a. mit einem nicht serienmäßigen Sportauspuff sowie einem 80 ccm Rennzylinder ausgestattet war. Sie überprüften die „Maschine“ auf dem Rollerprüfstand des Polizeipräsidiums. Beim Blick auf die Messanzeige schlugen sie die Hände über dem Kopf zusammen. Der kleine Motorroller erreichte, bedingt durch den PS-starken Rennmotor, eine Höchstgeschwindigkeit von 127 km/h!

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Polizeisprecher Lemanis bilanziert: „Das Schöne an unserem Beruf ist, dass wir jede Menge außergewöhnliche Geschichten erleben – unbedeutende und bedeutende.“ Und wenn man denke, nichts könne einen mehr überraschen, dann komme schon der nächste Notruf rein.