Witten. In der Innenstadt war lange nicht mehr so viel los. Die Wittener Tafelmusik verlockte rund 700 Menschen zum Feiern. Das lag nicht nur am Wetter.

Die Innenstadt hat an diesem lauen Samstag (23.7.) kräftig gefeiert. Vergessen waren für ein paar Stunden Corona, der Ukraine-Krieg und hohe Preise. Das wohl beliebteste Straßenfest Wittens brachte ein wenig Leichtigkeit zurück in die City. Etwa 700 Menschen, so schätzen die Veranstalter, ließen es sich bei der Tafelmusik gut gehen. Zwischen Berliner Platz und Stadtgalerie reihte sich Tisch an Tisch.

Nicola, Tina und Maike (v.li.) haben beste Laune bei der Tafelmusik in der Wittener Innenstadt.
Nicola, Tina und Maike (v.li.) haben beste Laune bei der Tafelmusik in der Wittener Innenstadt. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Pünktlich um 17 Uhr packen Ulrich Ehlers und seine Freunde vom „Heimat- und Bürgerverein Heven“ die Frikadellen und Mozzarella-Spieße aus. Für danach gibt’s Pinnchen mit Kräuterlikör. Bereits zum 15. Mal findet die Tafelmusik statt. „Ich war von Beginn an dabei. Und ich weiß noch, wie stark es vor ein paar Jahren geregnet hat – diesmal haben wir aber beste Bedingungen“, sagt Vereinsmitglied Bärbel Hebestreit, während sie sich einen Strohhut aufsetzt. Denn trotz angenehmer 25 Grad brennt die Sonne doch etwas.

Wittener Lions Club mixt Cocktails

Schräg gegenüber vom Eiscafé Dolce Vita, wo ebenfalls alle Tische belegt sind und unzählige Gläser mit Aperol Spritz in der Sonne glitzern, hat der Lions Club Rebecca Hanf eine liebevoll dekorierte Theke aufgebaut. Als Ablage dienen gestapelte Weinkisten, in deren Öffnungen weiße Topfblumen stehen. Dahinter sind Hanna Wilming (26) und Leonie Bern (23) damit beschäftigt, Cocktails zu mixen. Die beiden füllen Zucker, Limettenspalten, Eiswürfel und Zuckerrohrschnaps in Gläser. Den Caipirinha gibt es natürlich auch ohne Alkohol.

Beim Lions Club Rebecca Hanf gibt’s spritzige Cocktails: Leonie Bernd (r.) und Hannah Wilming (M.) mixen die Köstlichkeiten gerade zusammen. Maria Maschmeier schaut zu.
Beim Lions Club Rebecca Hanf gibt’s spritzige Cocktails: Leonie Bernd (r.) und Hannah Wilming (M.) mixen die Köstlichkeiten gerade zusammen. Maria Maschmeier schaut zu. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Ein Stückchen weiter hat eine ehemalige Turngruppe aus Heven rote Regenschirme aufgespannt – und sie so zum Sonnenschutz umfunktioniert. Auf dem Tisch steht eine gekonnt angerichtete Wurst- und Käseplatte. Es gibt Chianti und Sekt. „Früher haben wir zusammen geturnt. Heute treffen wir uns alle zwei Wochen zum Stammtisch – und traditionell einmal im Jahr zur Tafelmusik“, sagt Helga.

Proviant der Wittener SPD leuchtet rot

Richtung Berliner Platz sticht der Tisch der Wittener SPD gewohnt rot ins Auge – inklusive des mitgebrachten Proviants in Form von Beeren-Muffins, Wassermelone und Nudelsalat mit Tomaten. Ein Dudelsack ertönt, der laute Klang hallt durch die Häuserschlucht: keine Tafelmusik ohne den „Ruhr-Piper“ Björn Frauendienst. Im traditionellen Schottenrock zieht er mit seinem Instrument durch die Reihen, bleibt an jedem Tisch kurz stehen und spielt, was das Zeug hält.

Haben ihre eigenen Instrumente mitgebracht: Marita an der Gitarre, Doris mit dem Akkordeon, Jürgen mit sonorer Gesangsstimme und Helmut am Banjo (v.li.) spielen unter anderem Lieder von Hannes Wader.
Haben ihre eigenen Instrumente mitgebracht: Marita an der Gitarre, Doris mit dem Akkordeon, Jürgen mit sonorer Gesangsstimme und Helmut am Banjo (v.li.) spielen unter anderem Lieder von Hannes Wader. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Auch andere Musiker gestalten den Abend unterhaltsam. Da wären Nils-Christopher mit der Gitarre und die Band „Good News“, die mit Oldies von Bob Dylan, Johnny Cash und Tom Petty die beschwingte Stimmung weiter anheizen. Einigen Tafel-Besuchern scheint das aber nicht zu reichen: Marita greift selbst zur Gitarre, Doris zum Akkordeon und Helmut zum Banjo. Jürgen singt zur Melodie von „Heute hier, morgen dort“ tapfer mit – obwohl seine Unterlippe leicht geschwollen ist. Er hat sich gerade einen Wespenstich eingefangen.

Geburtstag nachfeiern oder Tanzbein schwingen

Vor der Genussgalerie Hafer sitzen Brigitte, Heike und Bettina mit ihren Männern und dem kleinen Maximilian. Einen Tisch haben die Freunde diesmal nicht reserviert. Wegen des Regens bei der Tafelmusik 2019 sei ihnen das Risiko zu groß gewesen. „Aber wir haben ja trotzdem unseren Platz gefunden“, sagt Brigitte zufrieden und nippt an ihrem Weißwein.

Wenn Shaky Everett singt, dann wagt so manche(r) gern ein Tänzchen in der Fußgängerzone von Witten.
Wenn Shaky Everett singt, dann wagt so manche(r) gern ein Tänzchen in der Fußgängerzone von Witten. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Auf dem Berliner Platz steppt der Bär. Tanja Schneider hat für Familie und Freunde gleich drei Tische reserviert, um ihren Geburtstag nachzufeiern. „Ich bin immer total gerne hier, die Veranstaltung ist bunt und entspannt“, so die 47-Jährige. Die Tafelmusik habe etwas von einem Klassentreffen, nur mit ganz unterschiedlichen Altersklassen.

Aus den Boxen vor der Eisdiele „I am Love“ hallen zu fortgeschrittener Stunde die alten Sommerhits „Macarena“ und „Mambo No. 5“. Auch draußen am Extrablatt sind alle Tische belegt. Später erhält die Tafelmusik hohen Besuch vom „King of Rock’n’Roll“. Elvis-Imitator Shaky Everett bringt die Menge zum Tanzen. Eine Frau wiegt ihre Hüften, streckt lachend ihre Arme dem blauen Himmel entgegen. Ein Abend voller Leichtigkeit – die Tafelmusik und das milde Sommerwetter machen es möglich.