Witten. Was muss sich in Wittens Marienviertel ändern? Das wollen nun Menschen herausfinden, die selbst dort leben. Die Idee dazu kommt von der Caritas.
Wie lebt es sich im sozial benachteiligten Wittener Marienviertel? Und was sollte sich dort ändern? Solchen Fragen will ein neues Projekt der Caritas auf den Grund gehen. Das besondere daran: Menschen, die selbst rund um den Marienplatz wohnen, werden dafür zu Stadtteilforschern und erkunden die Lebensverhältnisse und Bedürfnisse der anderen Menschen im Viertel, in dem sich einige Probleme bündeln.
„Wir haben zum Beispiel einen Migrationsanteil von über 39 Prozent“, sagt Sozialarbeiter Rolf Kappel. „Wir haben aber auch die meisten Senioren, Arbeitslosen oder Alleinerziehenden“, umreißt der 68-Jährige die Situation. Für die Caritas kümmert sich Kappel im Marienviertel um die Gemeinwesenarbeit. Damit sind Projekte und Aktionen gemeint, die den Zusammenhalt im Quartier stärken. Bislang bietet der Wohlfahrtsverband etwa eine Sozialberatung und Mittagstische an. Es gibt auch eine sogenannte Stadtteilmutter, eine Frau aus Syrien, die zwischen Alteingesessenen und neu Zugezogenen – vor allem arabischsprachigen Familien – im Viertel Brücken bauen soll.
Caritas will mit Stadtteilforschern ganz nah ran an die Menschen und ihre Bedürfnisse
Nun aber will man noch „näher ran an die Menschen“, sagt Kappel. Und das geht so: Neun Frauen und ein Mann aus dem Viertel werden in den kommenden Monaten „Interviews auf Augenhöhe“ mit anderen Bewohnern des Quartiers führen. So will man die Interessen und vor allem die Ressourcen der verschiedenen Communities – also der unterschiedlichen Gruppen – herausfinden. Später sollen die Erkenntnisse dann in spezifische Aktionen einfließen, an denen die Menschen aus dem Viertel aktiv beteiligt werden sollen.
Um möglichst authentische Antworten zu erhalten, werden die Interviews zum Teil auch in der Muttersprache der Befragten geführt, etwa auf Russisch, Arabisch, Persisch oder Englisch. Mit von der Partie sind etwa mehrere Seniorinnen, Frauen mit syrischer und russischer Herkunft oder eine alleinerziehende Mutter. Durch ihre ohnehin vorhandenen Kontakte, etwa zu Menschen aus dem eigenen Heimatland, haben die Stadtteilforscherinnen einen direkten und besseren Draht zu den Interviewten, als es sonst der Fall wäre. Unterstützt werden die Laien-Forscher von Studierenden und Dozenten der Hochschule für Gesundheit in Bochum.
Das Projekt läuft über insgesamt zwei Jahre. Gerade sind die ersten Interviews geführt worden. Und eine erste Rückmeldung gibt es auch schon: „Die Menschen sind froh und haben das Gefühl, endlich wahrgenommen zu werden“, so Kappel. Bislang wisse man beispielsweise, dass 26 Prozent der Eltern im Quartier alleinerziehend sind. „Aber was das für die Betroffenen bedeutet, erfahren wir erst jetzt.“