Witten/Hattingen. Von 400 auf 40 Pikser am Tag: Fast ein Jahr lang hat der EN-Impfbus immer wieder montags Witten angesteuert. Nun hieß es Abschied nehmen.
Für die 15 Mitarbeitenden der „koordinierenden Covid-Impfeinheit EN-Kreis“ sind es die letzten Arbeitstage – und sie fallen ihnen schwer. Zum letzten Mal hat der Impfbus am Montag (30.5.) in Witten an der Stadtgalerie Station gemacht. Seit knapp einem Jahr, in dem der umgebaute Linienbus fast täglich unterwegs war und bis zu 400 Spritzen pro Tag gesetzt wurden, stellt der EN-Kreis das Angebot zum 1. Juni ein.
Gründe für das Impfbus-Aus sind die mangelnde Nachfrage und die ab Juni ungeklärte Bezahlung der Impfärzte. Das Land NRW und die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe konnten sich nicht auf ein „weiter so“ einigen.
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Doch eine weitere Berechtigung hätte der Impfbus allemal, findet das siebenköpfige Team, das am vorletzten Einsatztag in Witten Dienst hat. Immerhin wurde der in der Anfangszeit so begehrte Pikser bis mittags auch noch 40-mal gesetzt. Und es hätten noch viel mehr sein können. „80 Prozent der Interessenten müssen wir zurzeit ablehnen. Das sind Leute, die die vierte Impfung möchten. Die Nachfrage ist klar da“, sagt Impfhelfer René Renkes. Im Impfzentrum und im Bus dürfen aber nur Menschen ab 70 Jahren, medizinisches Personal oder vorerkrankte Personen zum zweiten Mal geboostert werden. Genug Biontech und Moderna ist allemal an Bord.
Besonders hohe Nachfrage in Witten und Hattingen
Also dürfen während des WAZ-Besuchs nur Senioren, eine ukrainische Frau und ein junger Mann, der die dritte Impfung möchte, in den Bus. Überhaupt: „Ukrainische Flüchtlinge kommen zurzeit häufig. Sie sind auch mit westlichen Impfstoffen grundversorgt, haben also schon Astra oder Biontech erhalten“, sagt Renkes.
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Damit kommt nun ein ganz anderes Publikum in den Impfbus als vor einem halben Jahr, als die Leute für den Booster „mit Klappstühlen und Thermoskanne vorm Impfbus anstanden“, erinnert sich René Renkes. „Wir öffnen um neun Uhr. Aber manche standen dort schon ab 7 Uhr.“ Sie haben dann Startnummern verteilt und ihre Schicht sogar bis 20 Uhr verlängert, wenn Impfstoff nachgeliefert werden konnte.
Am meisten besucht wurde der Bus stets in Witten und Hattingen. „Woanders ist das Impfzentrum Ennepetal zu nah“, sagt der Impfhelfer. Gerade die älteren Herrschaften seien mehr als glücklich gewesen, dass sie nicht mit Bus und Rollator nach Ennepetal mussten.
Ausrangierter Linienbus hat 840.000 Kilometer weg
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Der DRK-Kreisverband hat den Impfbus „erfunden". Er ließ in einen ausrangierten Gelenkbus Kabinen und ein kleines Labor einbauen. Dort werden die Vakzine in einem Kühlschrank gelagert und dann auf Spritzen gezogen.
840.000 Kilometer hat der Linienbus schon auf dem Buckel. Den Impfbus fährt seit dem Start am 14. Juli Jürgen Stieber, ein bäriger Typ, 63 Jahre, pensionierter Berufsfeuerwehrmann. Die vorletzte Einsatzfahrt nach Witten hatte übrigens besonders Schmackes. „Wir mussten wegen der Kirmes einen Umweg fahren, durch die Baustelle Pferdebachstraße“, sagt er. „Bei den engen Absperrungen hätte ich den Bus vorher mal mit Vaseline einschmieren sollen.“
Kurze Besuche von Impfgegnern
„Wir sind inzwischen eine eingeschworene Gemeinschaft“, beschreibt Stieber das Team. Habibe Demiral (33) jobbte vorab als Desinfektionskraft, René Renkes ist gelernter Koch. Die gelernte Erzieherin Selma Barner hatte gerade den Weg aus Süddeutschland nach Schwelm gefunden und trat den Job bei der Impfeinheit an, „um hier Leute kennenzulernen“.
Impfteam arbeitet fürs DRK
Das Impfbus-Team ist beim DRK angestellt. Die Verträge laufen noch bis zum 30. August, der Verband muss die Leute bis dahin anderweitig beschäftigen. Zugleich laufen Verhandlungen zu einer Weiterbeschäftigung mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe.
Die Impfbus-Mitarbeiter glauben, dass sie für den Herbst reaktiviert werden. „Die nächste Welle kommt bestimmt. Und wenn wir dann die Affenpocken machen“, so Busfahrer Jürgen Siebers.
Die kurzen Besuche von Impfgegnern hat das Team mit Humor genommen. „Was soll ich mich auf eine Diskussion mit jemandem einlassen, der mir vorwirft, den Leuten kleine Peilsender zu injizieren“, sagt Jürgen Stieber. „Wir mussten viel geradebiegen, was andere zu hochgekocht haben“, lautet seine Bilanz der Impfbus-Zeit. Etwa: Leute besänftigen, weil zu wenig Impfstoff geliefert wurde. Oder: Nicht nachgeben, wenn Impflinge partout Biontech und nicht Moderna akzeptierten – obwohl Biontech eine Zeit lang nur für unter 30-Jährige reserviert war. „Ich bin trotzdem traurig, dass es jetzt zu Ende geht“, sagt Selma Barner. „Man hatte die ganze Zeit das Gefühl, etwas Gutes zu tun.“