Witten. Der homosexuelle Laienvertreter einer Wittener Gemeinde übt heftige Kritik an der katholischen Kirche. Was sich für ihn dringend ändern muss.
Anfang der Woche haben sich 125 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter der katholischen Kirche in Deutschland bei der Aktion „Out in Church“ als „queer“ und damit als nicht heterosexuell geoutet. Sie wollen nicht länger von der Amtskirche diskriminiert werden und fordern ein Umdenken in der Sexualmoral. Mit Benno Jacobi hat der Pfarrgemeinderat von St. Peter und Paul (Herbede, Sprockhövel, Wetter) jetzt einen neuen Vorsitzenden gewählt, der sich schon seit Jahren offen zu seiner Homosexualität bekennt. WAZ-Redakteur Theo Körner hat mit ihm gesprochen.
Wollte der Pfarrgemeinderat, ein gewähltes Gremium der Katholiken, ganz bewusst mit dieser Personalentscheidung ein Zeichen setzen?
Ein zeitlicher Zusammenhang lässt sich natürlich nicht leugnen und da ich meine Homosexualität auch noch einmal offen angesprochen habe, wussten alle, wen sie wählen. Davon abgesehen engagiere ich mich auch schon seit langer Zeit auf verschiedene Weise in der Gemeinde. Über das klare Votum einer einstimmigen Wahl, habe ich mich sehr gefreut.
Pfarrgemeinderat in neuem Format
Benno Jacobi hat an der Fachhochschule Dortmund Städtebau und Architektur studiert und war bis zu seiner Pensionierung als Stadtplaner in der Essener Stadtverwaltung tätig.Der Pfarrgemeinderat in St. Peter und Paul wurde in dieser Form erstmals gewählt, er ist ein gemeinschaftliches Gremium von vier Gemeinden mit sechs Kirchenstandorten.
Hatten Sie denn schon einmal aufgrund der Homosexualität Schwierigkeiten in der Gemeinde?
Nein, mit den Menschen in der Gemeinde gab es da nie Probleme und gibt es auch nach vor keine. Etwas anders sieht es aus, wenn ich beispielsweise daran zurückdenke, als ich mich mit meinem inzwischen verstorbenen Lebenspartner von einem Pfarrer segnen lassen wollte.
Was ist denn seinerzeit geschehen?
Nachdem wir 2002 auf dem Wittener Standesamt unsere Partnerschaft besiegelt hatten, hofften wir auch auf einen kirchlichen Segen. Letztlich war aber nur ein Pfarrer bereit, diesen auch zu spenden, allerdings unter Ausschluss jeder Öffentlichkeit. Das wollten wir nicht. Schließlich hat uns dann ein befreundeter evangelischer Seelsorger aus Berlin den Wunsch erfüllt.
Wenn man aber doch erlebt, dass die eigene Kirche sich bei einem solchen entscheidenden Ereignis im Leben querstellt, warum bleibt man ihr dann ihr treu und engagiert sich auch für sie?
Ich bin, wie man sagt, katholisch sozialisiert. Meine Heimat ist Witten-Ost, meine Eltern waren dort in der Gemeinde ehrenamtlich tätig. Nach einer Zeit als Ministrant hatte ich verschiedene Funktionen in der Katholischen Jugend inne - und das bis auf Bundesebene. Kirche bedeutet für mich auch ein Stück Heimat.
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Das dürften die Beteiligten an der Aktion „Out in Church“ sicherlich ähnlich empfinden. Meinen Sie, dass sich durch die Initiative etwas in der Kirche verändert?
Einige Bischöfe haben schon signalisiert, dass die Akteure jetzt keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen befürchten müssen. Aber das kann sicherlich nicht alles sein. Auch bei Foren in unserer Gemeinde war einhellige Meinung, dass sich die amtskirchlichen Auffassungen zu Sexualmoral ändern müssen. Zeichen haben wir im Übrigen schon gesetzt, als der Vatikan letztes Jahr die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare verbot. Unser Pfarrer Holger Schmitz hat gemeinsam mit seinen Kollegen aus Schwelm und Hattingen ganz offiziell eine gegenteilige Position bezogen. Zudem haben wir Banner mit dem Regenbogenmotiv und der Aufschrift „„Ja zum Leben - Ja zum Segen“ aufgehängt. Gegenüber der Aktion „Out in Church“ hat der Pfarrgemeinderat im Übrigen seine Unterstützung erklärt.
Seit einer Woche wird die Kirche durch vermeintliche Falschaussagen von Papst Benedikt im Zusammenhang mit den Missbrauchsskandalen erschüttert. Wie reagiert nun ein Pfarrgemeinderat?
Wir müssen den Menschen Möglichkeiten bieten, darüber zu sprechen und auch ihren Frust loszuwerden. Uns alle erschüttert doch nicht nur, dass die Taten begangen wurden, sondern Verantwortliche bis in höchste Ämter hinein die Täter auch noch gedeckt haben. Hier muss die Kirche auch ihre Strukturen überprüfen.
Wie blicken Sie in die Zukunft?
Die Gemeinde wird sich weiterhin brisanten Fragen widmen und widmen müssen, dazu zählt auch die Stellung der Frauen in der Kirche. Und wir müssen darüber nachdenken, mit welchen Formen wir die Menschen erreichen. Corona ist da eine zusätzliche Herausforderung.
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