Witten. Wegen der Umtauschvorgaben nehmen viele Wittener derzeit ihren Führerschein zur Hand. Das weckt zugleich Erinnerungen an alte Zeiten.
An Führerscheinen haften Erinnerungen, nicht nur wegen des Fotos, das meist aus den eigenen Jugendjahren stammt. Den Besitzerinnen und Besitzern kommen Bilder und Geschichten aus längst vergangenen Zeiten in den Sinn. Das zeigte sich bei den Gesprächen mit Wittenern, die nach einem Aufruf dieser Zeitung davon erzählten, wie es damals so war, als sie den Schein erworben haben.
Ein wenig Abwechslung im üblichen Büroalltag
Als Brigitte Fieck die Prüfung an jenem 23. April 1956 bestand, war sie selbst gerade 19 Jahre alt – und dass junge Frauen den Lappen ihr Eigen nennen konnten, kam eher selten vor. „Als Bürokauffrau in einem Autohaus war ich aber durchaus versessen darauf“, erinnert sie sich. Den Schein für das Motorrad machte sie gleich mit. Bei der Firma Bernhard Ernst, einst an der Wiesenstraße zuhause, war sie in Lohn und Brot, hatte ihre Ausbildung dort absolviert und es sollte sich schon bald zeigen, welchen Nutzen das Papier mit sich brachte. Häufig war sie mit ihrem Goggo-Motorroller unterwegs, um in den Straßenverkehrsbehörden von Dortmund oder Bochum für die Zulassung von Neufahrzeugen zu sorgen. „Das war eine spannende und interessante Zeit, die Touren waren auch eine willkommene Abwechslung zur Arbeit am Schreibtisch.“
Als Brigitte Fieck ihre Stelle wechselte und bei einer Brennerei anheuerte, war der Chef ganz begeistert, eine junge Kollegin mit Führerschein eingestellt zu haben – nicht ganz ohne Eigennutz. Fortan chauffierte sie ihn nämlich zu den Kunden, sprich den Wirten in näherer und weiterer Umgebung. „Er musste bei den Proben von Schnaps oder Likör oftmals auch einen mittrinken und sich anschließend ans Steuer zu setzen, das war ihm dann doch zu riskant“. Hinter dem Steuer zu sitzen, das war auch oft angesagt, wenn sie mit ihrem damaligen Freund, ihrem späteren Ehemann („Wir sind seit 50 Jahren verheiratet“) unterwegs war. Dabei ist es auch geblieben, mit ihm teilt sie die Begeisterung für Autos. Wenn Manfred (85) zum Arzt muss oder ein Besuch im Krankenhaus ansteht, bringt sie ihn dorthin. War anfangs ein VW-Käfer der fahrbare Untersatz, ist inzwischen der Umstieg auf einen Audi erfolgt.
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Gelernter Konditor backt nach der Prüfung zum Dank eine Torte
Auf exklusivere Modelle legte Heinz Müller (81) in jungen Jahren Wert. Bevor er sich aber einen noblen Sportwagen aus dem Hause Borgward zulegte, brauchte der Wittener erst einmal einen Führerschein. 300 D-Mark habe der gekostet, erinnert sich gelernte Konditor. Klingt für heutige Zeiten recht preiswert. Doch hier schreiben wir das Jahr 1960. „Für mich war das viel Geld“, blickt er zurück. „Schließlich hatte ich zu der Zeit eine Stelle als Geselle.“ Da er nun mal für sein Leben gern Kuchen backte, in namhaften Konditoreien Norddeutschlands arbeitete und froh war, dass es mit der Prüfung glatt gelaufen war, brachte er später seinem Prüfer zum Dank eine Käse-Sahne-Torte vorbei. Mit ein paar Fahrstunden sei er ausgekommen, um den Lappen zu erlangen, sagt Heinz Müller, ein „bisschen Autobahn musste aber früher auch schon sein“. Die Prüfung selbst habe um die 20 Minuten gedauert, nach ein paar Straßenzügen hatte er es geschafft. Gern hätte er den grauen Lappen behalten. Doch da hatte der Hundeliebhaber die Rechnung ohne seine Vierbeiner gemacht. Erst ein Dackel, dann ein Malteser schnappten sich in einem unbeobachteten Moment das guten Stück und kauten mächtig darauf herum. 2008 blieb keine andere Wahl. Es musste ein neuer Schein her. Die Plastikkarte blieb seither unversehrt, einen Hund hat der Wittener auch nicht mehr.
Mit dem Trecker zur Fahrschule in Sprockhövel
Unfallfrei ist Heinz Frost über 60 Jahre gefahren. Doch vor drei Jahren war Schluss. Er fühle sich nicht mehr so richtig sicher, sagte er und legte den Lappen in den Schrank. Dabei hatte der Schein ihm immer etwas bedeutet, gehört der 91-Jährige doch zu den Autofahrern aus Leidenschaft. „Wir waren zu dritt bei der Anmeldung in der Fahrschule, alle drei Landwirte.“ Der Unterschied zu den zwei anderen: Sie hatten einen Hof, er erlernte dem Beruf in einem landwirtschaftlichen Betrieb, sollte aber später zu den Edelstahlwerken wechseln. Zur Fahrschule in Sprockhövel machte sich das Trio gemeinsam auf den Weg – mit dem Trecker. Dafür hatte einer von ihnen den Schein. Bis zum ersten eigenen Auto sollte es bei Heinz Frost nicht lange dauern, nachdem er 1958 den Lappen erlangte. „Ein Käfer Baujahr 1952, also schon sechs Jahre alt“, der Wittener weiß es noch wie heute. Neben der geteilten Scheibe hatte der Wagen Winker und damit Zeiger, die beim Abbiegen die Richtung anzeigten. „Blinker waren damals noch längst kein Standard.“
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Gleich nach der Prüfung kultigen Kadett gekauft
Das erste Auto, das Wilfried Liescheid sich kaufte, war ein gebrauchter Opel-Kadett – und das auch nur bedingt freiwillig. 1976 hatte er den Motorrad-Führerschein erworben und wollte damit seine damalige Freundin und heutige Frau beeindrucken. Doch es sollte anders kommen. Spätestens als sie beide während einer Tour in ein heftiges Unwetter kamen und klitschnass wurden, hatte sie den Spaß am Motorrad verloren. „Das Motorrad, ein Zweitakter, war auch sehr reparaturanfällig.“ Also musste ein Pkw her und zuvor der Führerschein. Drei Jahre nach der ersten Prüfung machte sich Liescheid wieder zur Fahrschule auf und nach zehn Fahrstunden plus Prüfung hatte er sein Ziel erreicht. Der Gebrauchtwagen, den er an einer Tankstelle entdeckt hatte, „kostete 2000 D-Mark“. Damit waren alle Ersparnisse zwar aufgebraucht, doch er hatte etwas Eigenes. Ganz ohne Macken sollte das Fahrzeug, das auch damals schon Kultstatus hatte, aber nicht sein. Dass Qualm aus dem Gebläse kam, wenn man die Heizung anstellte, „war dann halt Normalzustand“. Die Sicht bei der Fahrt wurde dadurch kaum behindert oder zumindest nicht wesentlich beeinträchtigt, betont Wilfried Liescheid. „Und das war letztlich entscheidend. Man kann nicht alles haben.“
Seine Leidenschaft für Motorräder hat sich der Wittener, Chemiewerker von Beruf, all die Jahrzehnte bewahrt. Er gehört der Harley-Biker-Group in Witten an und möchte diese Mitgliedschaft auch nicht missen.
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