Witten. Alte Wittener erinnern sich noch an das Brüllen der Tiere, das aus den Hallen zu hören war. 1982 war der Schlachthof in Witten dann Geschichte.
Heute erinnert noch der Straßenname „Schlachthofstraße“ daran, dass auf dem Gelände, auf dem man heute das Boni-Getränkecenter findet, einst Hunderttausende von Schweinen, Rindern, Kälbern und Pferden ihr Leben ließen. Wittens städtischer Schlachthof wurde in der Kaiserzeit zwischen 1885 und 1886 gebaut. Vor 40 Jahren, 1982, begannen die Abrissarbeiten. Alte Wittener erinnern sich noch an das Brüllen der Tiere, das in der Nähe des Hallenkomplexes zu hören war.
Von der Geschichte des einstigen Schlachtbetriebes in der Innenstadt zeugen im Stadtarchiv Fotos, Akten, Bau- und Umbaupläne – auch ein Schlachthof-Schlüssel von 1939. „1883 hatte sich die Wittener Stadtverordnetenversammlung für die Errichtung eines städtischen Schlachthofs ausgesprochen“, sagt Stadtarchiv-Leiterin Martina Kliner-Fruck. Das Ziel sei gewesen, die Frischfleischgewinnung für bis zu 50.000 Einwohner ortsnah zu sichern. Am 22. September 1885 hätten die Ausschachtungsarbeiten für den schon am 1. November 1886 fertiggestellten Gebäudekomplex begonnen.
Der Schlachthof Witten verfügte seit 1906 über einen zusätzlichen Bahnanschluss
Anfangs habe der Schlachthof unter anderem aus jeweils einer Halle für Rinder und Schweine, Stallungen, einem Pferdeschlachthof und dem Trichinenschauamt bestanden, so Kliner-Fruck. In den Folgejahren sei er dann rasant erweitert, für die Nachbargemeinden Annen und Bommern ein Schlachthauszwang eingeführt worden. Seit 1906 verfügte Wittens Schlachthof über einen zusätzlichen Bahnanschluss.
Die Stadtarchivarin: „Während des Ersten Weltkriegs wurden die Kellereien in ein Gefrierhaus umgewandelt, um aus den Lebensmittelrationierungen übrig gebliebenes Fleisch für die Notfallversorgung der Bevölkerung einzufrieren.“ Im selben Zeitraum seien auf der Nordseite des Gebäudekomplexes eine Gemüsedörranlage sowie eine Volksküche entstanden.
Beim Luftangriff im März 1945 wurde auch der Schlachthof zerstört
Beim großen Luftangriff auf die Wittener Innenstadt am 19. März 1945 wurde auch der Schlachthof fast vollständig zerstört. Der von britischen Bomberpiloten geflogene Angriff begann morgens gegen 4.10 Uhr. Rund 325 Bomber der Typen Lancaster und Halifax warfen vermutlich rund 700 Sprengbomben, etwa 800 Phosphorbomben und zwischen 25.000 und 30.000 Stabbrandbomben auf die Innenstadt ab, so der Wittener Historiker Prof. Heinrich Schoppmeyer. 116 Menschen verloren ihr Leben, fast 560 wurden verwundet.
Wittens Schlachthof wurde – wie die City – nach dem Krieg wiederaufgebaut. 1952, so schrieb die frühere Annener Zeitung, wurden hier schon wieder fast 20.800 Tiere zur Schlachtbank geführt – fast ebenso viele wie 1933 (über 21.000).
Die Schlachthofanlage mit ihren Kühleinrichtungen sei bis Mitte des 20. Jahrhunderts auch von nicht unwesentlicher wirtschaftlicher Bedeutung für Witten und sein Umland gewesen, weiß Stadtarchivarin Martina Kliner-Fruck. „Im November 1956 besichtigten Gemeinde-Tierärzte aus NRW die wiederaufgebauten Anlagen und lobten den Wittener Schlachthof als einen vorbildlich eingerichteten, der zu den modernsten im Lande zähle.“
Der Schlachtbetrieb öffnete 1957 auch für Wittener Bürger seine Türen
Im Frühjahr 1957 hätten die Wittener acht Wochen lang – immer an Donnerstagnachmittagen – Gelegenheit gehabt, den städtischen Schlachthof zu besichtigen. Besucht werden konnte dieser schon von Jungen und Mädchen ab 14 Jahren. Kliner-Fruck: „In den 60er Jahren wurden dort jährlich über 26.000 Tiere geschlachtet.“
Das Verwaltungsgebäude steht noch
Der städtische Schlachthof in Witten wurde am 4. November 1886 von Magistratsmitgliedern, Wittener Stadtverordneten und Vertretern der Metzgerinnung eingeweiht.
Das Verwaltungsgebäude und das Eingangsportal des Schlachthofs sind als architektonische Zeugen übriggeblieben. Heute findet man dort den Schuster Max Köster, eine Wäscherei und eine Änderungsschneiderei.
Ende der 1970er Jahre wendete sich das Blatt. Politik und Verwaltung diskutierten über den Fortbestand des Schlachthofes, der wirtschaftlich nicht mehr rentabel sei, wie es hieß. Am 31. März 1982 erteilte die Stadt die Genehmigung zum Abbruch für über 20 Gebäudeeinheiten auf dem damaligen Gelände Schlachthofstraße 21. Die Abbrucharbeiten durch die Firma Gentner Tiefbau aus Herbede begannen, laut Stadtarchiv, am 14. April 1982.