Witten. . Die, die diese Nacht erlebten, werden sie nie vergessen: Am 19. März 1945 flogen die Briten einen Großangriff gegen Witten. Zeitzeugen erinnern sich.
Die, die es erlebt haben, werden diese Nacht vor 70 Jahren niemals vergessen können: Am 19. März 1945 wurde um 3.27 Uhr in Witten Luftalarm ausgelöst. Der von den Briten geflogene Angriff begann gegen 4.10 Uhr und sollte die nördliche Innenstadt vernichten. Eine Nacht des Grauens.
Rund 325 Bomber der Typen Lancaster und Halifax warfen vermutlich 17 Minenbomben, rund 700 Sprengbomben, etwa 800 Phosphorbomben und zwischen 25 000 und 30 000 Stabbrandbomben ab, so der Wittener Historiker Prof. Heinrich Schoppmeyer. Das Ziel dieser Feuernacht: die Zerstörung von Wohnvierteln und die Demoralisierung der Zivilbevölkerung. 116 Menschen starben, 557 wurden verletzt. Rund 18 000 Wittener waren obdachlos. Die Innenstadt war zu 80 Prozent zerstört. Bomberpiloten wollen die Rauchsäule über Witten noch in über 150 Kilometern Entfernung gesehen haben.
Für das Buch „Feuersturm an der Ruhr“ (2014) haben Zeitzeugen erzählt, wie sie die Bombennacht vor 70 Jahren erlebten. Darunter Wolfgang Kreischer. Mit seinem Bruder Hartmut und seiner Mutter suchte er in einem Stollen unter dem Friesenplatz in Bommern Schutz. Vom Eingang aus sahen die drei, wie die Gedächtniskirche brannte. „Das ist der Finger Gottes“, sagte Wolfgang Kreischers Mutter.
Kriegserinnerungen von Lesern im Buch „Feuersturm an der Ruhr“
Leserinnen und Leser der WAZ haben sich an den Bombenkrieg im Ruhrgebiet erinnert. Ihre Erzählungen hat Andreas Tyrock in dem Buch „Feuersturm an der Ruhr“ als Herausgeber zusammengestellt. Das Buch ist 2014 im Klartext-Verlag Essen erschienen (17,95 Euro).
In dem 304-seitigen reich bebilderten Buch kommen Wittener zu Wort, die die Bombenangriffe als Kinder oder Jugendliche erlebten.
Siegfried Domogalla verlor an diesem 19. März seinen Vater. Dieser wurde beim großen Bombenangriff an der Pferdebachstraße vom Stück einer Tür getroffen. Der 49-Jährige starb. Siegfried Domogalla: „Meine Mutter stand da, alleine mit vier Kindern.“
Ingeborg Külpmann, deren Vater als Soldat in Russland war, hat ihre Kindheitserinnerungen an die Kriegszeit aufgeschrieben. Ihr Sohn ließ dies als kleines Buch für sie drucken. Über den Luftangriff am 19. März 1945 schrieb sie: „Drei Tage war danach der Himmel über unserer Stadt feuerrot. Die brennenden Häuser rechts und links sehe ich noch heute vor mir.“
„Der Luftdruck hat alles weggeblasen“
Walter Gustav Schulz rettete sich vor den Fliegern mit seiner Familie in den Bunker unter dem Lutherpark. Alle lebten damals in einem einzigen Zimmer in der Bergstraße 11, im heutigen Oberdorf. Über den Häusern gingen Luftminen nieder. „Das ganze Viertel war weg, der Luftdruck hat alles weggeblasen“, so Walter Gustav Schulz.
Auch Horst Rittinghaus erinnerte sich mit Grauen an den Luftangriff. Mit seiner Mutter und seiner elfjährigen Schwester suchte er Schutz im Bunker an der Hindenburgstraße, der heutigen Husemannstraße. Als er nach dem Angriff ins Freie trat, habe Witten in Flammen gestanden. „Viele Häuser in der Ardeystraße, Husemannstraße, Winkelstraße und Oberstraße waren nur noch Ruinen.“ Familie Rittinghaus hatte Glück. „In unserem Haus an der Oberstraße brannte nur der Dachstuhl, der schnell gelöscht werden konnte.“
Während umliegende Städte schon 1943 in Schutt und Asche lagen, war Witten von schweren Luftschlägen lange verschont geblieben. Beim ersten Großangriff auf die Stadt am 12. Dezember 1944 hatten rund 140 britische Bomber vor allem die südliche Innenstadt zerstört. 334 Menschen starben, 5000 verloren ihr Zuhause. Drei Monate später der Bombersturm, der Zerstörung, Not und Elend brachte. Die Helligkeit, verursacht durch den Feuerschein der Brände, soll so stark gewesen sein, dass man in den Nächten danach noch im Freien lesen konnte, schilderten Menschen, die dies erleben mussten.