Witten. In Witten sind am Montag 150 Coronaskeptiker und Impfgegner bei einem „Spaziergang“ durch die City gezogen. Es war nicht der erste Aufmarsch.
In ganz Deutschland protestieren mittlerweile Menschen bei so genannten „Spaziergängen“ gegen die aktuellen Corona-Schutzmaßnahmen und gegen die befürchtete Impfpflicht für alle. In Witten waren am Montagabend nach Angaben der Polizei rund 150 Personen bei einer solchen unangekündigten Demonstration unterwegs. Die eingesetzten Beamten lösten die Versammlung auf dem Rathausplatz auf, eine Strafanzeige gegen Unbekannt wurde gestellt. Zu Zwischenfällen kam es nicht.
Nach Angaben eines Polizeisprechers hatten die Teilnehmenden weder Plakate bei sich, noch gab es Redebeiträge. „Die Menge war aber in Bewegung und wurde gestoppt“, so Frank Lemanis. Auch Familien seien bei dem Protestzug dabei gewesen. Den Hinweis auf den erneuten Marsch habe man sehr kurzfristig erhalten, den Zug gegen 18.30 Uhr gestoppt. Wohl auch deshalb jubilieren die Teilnehmenden in ihrer Chat-Gruppe über ihren erfolgreichen Spaziergang, der gegen 18 Uhr begonnen hatte.
Corona-“Spaziergänge“ auch am 20. und 27. Dezember in der Wittener Innenstadt
Bereits am 20. und am 27. Dezember haben in Witten „Spaziergänge“ stattgefunden, wie die Polizei bestätigt. „Dabei ist wichtig: Für uns sind das Demonstrationen, keine Spaziergänge“, betont Lemanis. Man erkenne deutlich, dass System hinter den Zusammenkünften stecke, daher versuche man auch, dem einen Riegel vorzuschieben. „Das Versammlungsrecht ist ein ganz elementares Recht und jeder darf seine Meinung kundtun“, so der Polizeisprecher. „Aber so eine Versammlung muss angemeldet sein.“ Allein schon aus dem Grund, dass Einsatzkräfte dann die Demonstration absichern könnten – sei es, wenn die Menschenmenge eine Straße überquert oder auch gegen Gegendemonstranten.
Organisiert werden diese „Spaziergänge“ über entsprechende Gruppen im Messengerdienst Telegram. Dort laufen die Verabredungen zu den Treffen etwa über eine Gruppe, die „neu Erwachten“ einen ersten Anlaufpunkt in ihrem Wohnort bieten möchte. 238 Männer und Frauen sind aktuell Mitglied in dieser Wittener Gruppe der „Andersdenkenden“.
Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei
Dort wurde vor Beginn der Demonstration am Montagabend auch der „offizielle“ Grund mitgeteilt, warum man auf Wittens Straßen unterwegs sei: Jemand habe seinen Schlüssel verloren und man helfe beim Suchen. „Die Ausreden sind vielfältig“, sagt dazu Polizei-Sprecher Lemanis. Das Ganze sei eine Masche. Ebenso wie das Katz-und-Maus-Spiel mit den Beamten. „Dabei wäre es für alle Beteiligten einfacher, wenn sich einfach jemand aus der Gruppe melden und die Versammlung anmelden würde“, so Lemanis.
Erstmalig hat es nach Erkenntnissen der Polizei am 12. Dezember einen „Spaziergang“ der Gegner der Coronamaßnahmen gegeben, am Wittener Ufer des Kemnader Sees. Mit Lichterketten behangen seien dort 38 Personen zusammengekommen, von denen auch die Personalien aufgenommen wurden.
Wittener AfD-Mitglieder und andere Personen aus der rechtsextremen Szene bei „Spaziergang“ gesehen
Am 20. Dezember seien dann schon rund 50 Personen in der Innenstadt gesehen worden, teilt die Polizei mit. Besonders brisant: Bei diesem Spaziergang sind auch Mitglieder der hiesigen AfD und deren Ratsfraktion gesehen worden, ebenso Personen aus dem rechtsextremen Spektrum, wie Fotos, die der Redaktion vorliegen, zeigen. Zu diesen konkreten Vorwürfen und Personalien möchte sich die Polizei nicht äußern.
„Allgemein ist das aber eine Misch-Szene, die wir dort vorfinden“, so Lemanis. Personen aus der bürgerlichen Mitte würden dort ihren Unmut kundtun. Aber eben auch Personen, die die Polizei dem rechten Rand zuordne. „Es wird versucht, Menschen über dieses Thema für sich zu gewinnen, in den rechten Bereich zu ziehen“, warnt der Sprecher. Dieser Gefahr sollten sich die „Spaziergänger“ bewusst sein und vorsichtig sein, wem sie da folgen.
Gegendemonstration am kommenden Montag
Zu tätlichen Übergriffen ist es nach Angaben der Polizei bei der Auflösung der “Spaziergänge“ in Witten bislang nicht gekommen. Aber das sei vielleicht auch nur eine Frage der Zeit, so die Polizei. Bislang sei es allerdings bei Beleidigungen geblieben. Für den kommenden Montag (10.1.) hat das Bündnis „Ennepe-Ruhr stellt sich quer“ (ENSSQ) unter dem Motto „Solidarisch aus der Pandemie“ eine Gegendemonstration auf dem Berliner Platz angekündigt (18 Uhr). Man wolle damit gegen eine Veranstaltung Position beziehen, „die Verschwörungsideologien verbreitet und Rechtsextreme in ihren Reihen duldet“. Die Veranstalter fordern unter anderem eine Stärkung des Gesundheitssystems und die Freigabe von Impfpatenten. Im Gegensatz zu den Impfgegner der Spaziergänger sieht das Bündnis ENSSQ die Impfungen als Weg aus der Pandemie.