Witten. Zwei Wochen lang hat die Wittener Ärztin Gefängnisinsassen in Togo behandelt. Nun ist Dr. Monika Segelbacher zurück – mit berührenden Eindrücken.

Eigentlich kümmert sie sich als Leitende Oberärztin um die Patienten im Marien-Hospital. Im November hat die Dr. Monika Segelbacher das Wittener Krankenhaus gegen sechs Gefängnisse im westafrikanischen Togo getauscht, um dort Gefangene zu behandeln. Seit einigen Tagen ist sie zurück. Gesund und wohlbehalten – und voller Eindrücke. Nicht alle waren schön.

Monika Segelbacher ist Leitende Oberärztin im Marien-Hospital Witten.
Monika Segelbacher ist Leitende Oberärztin im Marien-Hospital Witten. © St.-Elisabeth-Gruppe

„Es war ganz fürchterlich – und trotzdem eine wunderbare Erfahrung“, sagt die Wittenerin. Die Umstände zu sehen, unter denen die Gefängnisinsassen dort vielerorts leben müssen, hat sich sichtlich erschüttert. Dutzende Menschen in einem Raum, ohne Privatsphäre, die sich mit 400 anderen eine Toilette teilen müssen: „Und viele haben nicht mal ein Bett oder etwas, auf dass sie sich legen können“, schildert die Internistin und in der Erinnerung daran steigen ihr die Tränen in die Augen. „Entschuldigung, da werde ich emotional – die Bedingungen waren schon erschreckend.“

Wittener Ärztin hat eine große Dankbarkeit erlebt

Auf der anderen Seite habe sie die unglaubliche Dankbarkeit der Gefangenen erlebt, „die Begeisterung darüber, dass sie nicht vergessen wurden, dass Menschen kommen, um sich um sie zu kümmern.“ Für einige sei es das erste Mal gewesen, dass sie seit Beginn der Pandemie einen Arzt gesehen hätten. „Manche Patienten sind in Tränen ausgebrochen, konnten nicht fassen, dass sie wirklich Medikamente bekommen.“ Doch es gab nicht nur Tränen. „Vor den Behandlungen wurde gemeinsam getanzt, gebetet, manchmal gab es eine kleine Andacht. „Das war schon extrem berührend.“

Monika Segelbacher und ihren Kollegen war es nicht gestattet, während ihrer Reise in einem Gefängnis zu fotografieren. Dieses Bild stammt daher von einem früheren humedica-Einsatz in Togo.
Monika Segelbacher und ihren Kollegen war es nicht gestattet, während ihrer Reise in einem Gefängnis zu fotografieren. Dieses Bild stammt daher von einem früheren humedica-Einsatz in Togo. © humedica

Zum deutschen Team, das im Auftrag der Hilfsorganisation humedica unterwegs war, gehörten auch togolesische Ärzte. „Ich waren immer zusammen mit einem Kollegen von ihnen im Einsatz“, erklärt Segelbacher. Das habe vieles leichter gemacht. Die einheimischen Mediziner hätten viel mehr Erfahrung im Umgang mit typisch afrikanischen Krankheiten. „Die erkennen beispielsweise gleich, wenn ein Hautausschlag von Würmern verursacht wird“, sagt die Internistin des Marien-Hospitals. Auf der anderen Seite hätten sich die Kollegen auch viele Tipps von den Deutschen geholt. „Das war ein tolles Miteinander.“

Teamkollegen bereiteten ihr eine große Überraschung

Die Fahrt mit dem Minibus durchs Land, hin zu den entlegenen Gebieten hatte der Wittenerin zuvor etwas Sorge bereitet. Gab es auf der Reise denn beängstigende Momente? Monika Segelbacher muss lange überlegen. „Eigentlich nicht. Es war alles großartig vorbereitet.“ Nur das Eingesperrtsein habe sich manchmal bedrohlich angefühlt. „Aber es war immer zum Schutz jemand in unserer Nähe.“

Hilfe in aller Welt

Die Organisation humedica e.V. leistet seit 1979 humanitäre Hilfe in aller Welt. Ziel der Nichtregierungsorganisation (NGO) aus Kaufbeuren ist es, Menschen zur Seite zu stehen, die durch Katastrophen oder strukturelle Armut in Not geraten sind. humedica setzt auf sein weltweites Partnernetzwerk und einen großen Pool ehrenamtlicher Einsatzkräfte.

Dr. Monika Segelbacher aus Witten könnte sich gut vorstellen, im nächsten Herbst wieder mit der Organisation nach Togo zu reisen. Im Frühjahr steht aber wahrscheinlich zunächst ein Einsatz in einem Flüchtlingscamp in Jordanien oder Bosnien an.

Die Erinnerung an die Ängste ist längst verblasst, stattdessen denkt die Wittenerin viel lieber an eine große Überraschung zurück. Eigentlich sollte niemand wissen, dass sie während der Reise 44 Jahren alt wurde. Das Team hatte es trotzdem herausbekommen und ihr eine Geburtstagsfeier organisiert. „Mit Kuchen und Tanz, einem Gottesdienst und einem Picknick an den Wasserfällen im Regenwald“, erzählt die Ärztin. Diese Stunden getragen vom afrikanischen Lebensgefühl werde sie sicher lange nicht vergessen. „Es war der schönste Geburtstag, den ich bislang hatte.“

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Beeindruckt hat die Wittenerin in Togo aber noch etwas ganz anderes. Es sei sehr faszinierend, wie fortschrittlich das Land an vielen Stellen sei. „Eine Corona-Desinfektionsstation mit integrierter Fiebermessung hat mein Supermarkt nicht...“ Vor allem aber sei sie überrascht, wie viele junge Einheimische sie kennengelernt habe, die sich in ihrem Land engagieren und für mehr Nachhaltigkeit etwa bei Kakao- und Kaffeeanbau einsetzen wollen. „Immer wieder habe ich gehört: Ich will nicht nach Europa, ich will hier anpacken – das hat sich durch unsere ganze Reise durchgezogen.“