Witten. Hat ein 54-Jähriger seine Stieftochter im Wohnwagen auf dem Campingplatz sexuell bedrängt? Um diese Frage ging es jetzt vorm Wittener Amtsgericht.

Hat ein 54-jähriger seine Stieftochter mehrmals sexuell bedrängt – oder will die heute 21-Jährige sich nur an ihm rächen? Diese Frage versuchte Richterin Barbara Monstadt jetzt im Wittener Amtsgericht zu beantworten. Doch was sich in einem Wohnwagen auf dem Campingplatz wirklich abgespielt hat, ließ sich vor Gericht letztlich nicht klären. Zu widersprüchlich waren die Aussagen der Beteiligten.

Die 21-Jährige blieb bei ihren Vorwürfen. Ihr Stiefvater habe sie mehrmals sexuell bedrängt, mindestens dreimal – immer in den Sommerferien, wenn die Familie aus Castrop-Rauxel in Witten im Urlaub war und zwei der drei Töchter mit dem Angeklagten im Wohnwagen in einem Bett geschlafen hätten. Die Vorfällen hätten sich zwischen 2017 und 2019 ereignet. 15 Monate nach dem letzten Mal erstattete die junge Frau Anzeige.

Stieftochter soll gar nicht mehr mit nach Witten gekommen sein

Der Angeklagte, mit dem sie von klein auf in der Familie zusammengelebt hat, bestreitet alle Vorwürfe vehement. Es sei nie etwas vorgefallen. Außerdem sei seine Stieftochter in den Jahren, von denen die Rede ist, überhaupt nicht mehr mit nach Witten gekommen, sondern in den Ferien lieber bei ihrem Freund geblieben. Mit der Anzeige habe sie ihm nur eins auswischen wollen, weil er in einer Beziehungskrise die beiden anderen Mädchen – eine davon seine leibliche Tochter – zu sich nehmen wollte.

Nebenklage fordert ein Jahr Haft

Die 21-jährige Stieftochter des Angeklagten wurde als Nebenklägerin durch eine Anwältin vertreten. Die hatte die widersprüchlichen Angaben ihrer Mandantin mit deren Aufgeregtheit vor Gericht erklärt und ein Jahr Haft für den unter anderem wegen Missbrauchs vorbestraften Mann gefordert.

Auch die Richterin betonte, die Situation sei offenbar schwer für die junge Frau. Das Zerwürfnis in der Familie belaste sie sehr. „Sie leidet sehr darunter.“

Auch die Lebensgefährtin des Angeklagten spricht von einer „Racheaktion“ ihrer Tochter, weil er sich während der kurzen Trennung ans Jugendamt gewandt hatte. Ein paar Tage später ging die 21-Jährige zur Polizei.

Junge Frau verstrickt sich bei Aussage in Ungereimtheiten

Die junge Frau erklärte, sie habe damals Anzeige erstattet, weil sie glaubte, die Beziehung zwischen ihrer Mutter und dem Stiefvater sei endgültig vorbei. „Meine Mutter hätte mir vorher doch sowieso nicht geglaubt“, sagte sie, nachdem sie die Vorfälle ruhig und sachlich geschildert hatte. Doch bei der Erklärung, wann und wie sie zur Polizei gegangen ist, verstrickte sie sich in Ungereimtheiten. Ebenfalls ungünstig für sie: Sie hatte bereits einmal eidesstattlich versichert, ihr Stiefvater habe sie in der Kindheit massiv misshandelt – doch von diesen Taten wollte sie nun nichts mehr wissen.

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So blieb Richterin Monstadt nichts übrig, als dem Antrag von Staatsanwältin und Verteidiger zu folgen und den 54-Jährigen freizusprechen, obwohl sie „allergrößte Zweifel“ nicht nur an den Aussagen des Angeklagten, sondern auch denen der Lebensgefährtin und ihrer jüngeren Tochter hatte. „Wir sind hier ohne Ende angelogen worden“, sagte die Amtsgerichtsdirektorin. Doch weil auch die 21-Jährige nicht immer glaubhaft schien, habe sich das Gericht „mit ungutem Gefühl“ dafür entscheiden müssen: In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten.