Witten. Thorsten Wottrich steht seit 2005 in der Alten Post hinter der Theke. Mittlerweile ist er selbst Kult – und hat viele Geschichten zu erzählen.

„Tach, ich bin der Thorsten.“ Ein langes drumherum Reden gibt es nicht. Wer die Alte Post in der Poststraße betritt, wird gleich auf die Ruhrgebiets-typische Art empfangen. Seit 2005 ist Thorsten Wottrich Inhaber der Kultkneipe und hat in der Zeit schon vieles erlebt.

Den urigen Schuppen kennt er selbst aber nicht erst seit 16 Jahren. 1961 eröffnete Mutter Renate die „Alte Post“, Vater Klaus stieg 1966 in den Betrieb ein. Wottrich ist dort also quasi aufgewachsen. „Es hat sich in der Zeit viel geändert“, sagt der 54-Jährige. Früher seien die Leute um 19 Uhr in die Kneipe gekommen und erst um sechs oder sieben Uhr morgens wieder gegangen. Heute kämen viele erst kurz vor Mitternacht – „und zwei, drei Stunden später wieder sind sie wieder weg.“

Zu Hochzeiten konnte man in der Alten Post in Witten nur stehen

Am Mittwochmittag sind gegen 13 Uhr knapp zehn Leute in der Kneipe. Ein Stammtisch in der hinteren Ecke und zwei Männer an der massiven Holztheke. Hinter der Theke wird schon fleißig Bier gezapft. Der Duft des Hopfengetränks weht durch das urige Lokal. Das warme Licht lässt auch schon am Mittag eine abendliche Atmosphäre aufkommen. „Tagsüber kommen zumeist Stammkunden“, sagt Wottrich. Abends sei dann auch mehr Laufkundschaft dabei.

In der Post geht es direkt und herzlich zu. „Na, alles nach Hause gebracht?“, sagt einer der Männer an der Theke als ein anderer Gast von der Toilette zurück kommt. „Alles gut“, lautet die kurze Antwort. Alle wichtigen Informationen ausgetauscht.

Dass es in der Alten Post so leer ist, ist nicht der normale Zustand. In den besten Zeiten hätten die Gäste wieder raus gehen müssen, weil man drinnen nicht mehr stehen konnte. „Das ist heutzutage nicht mehr so“, sagt Wottrich. Eins ist aber gleich geblieben: Die Kultkneipe in der Wittener Innenstadt wird von Menschen aus der ganzen Gesellschaft besucht. Vom Studenten über den Anwalt bis hin zum Arbeiter ist alles vertreten. Wottrich kennt sie fast alle. Und alle kennen ihn.

Wittener Kneipier wird auf der Straße erkannt

Das sei manchmal zwar etwas anstrengend, wenn er zum Beispiel durch die Innenstadt läuft und von Passanten angesprochen wird. Es gebe aber auch die schönen Momente. So wie neulich im Boni-Center, als er den Bürgermeister getroffen hat. „Da hab ich mit dem Lars ein Pläuschchen an der Wursttheke gehalten.“ Das macht er gern. Und wenn er von seiner Kneipe erzählt, dann spürt man, wie der Stolz aus dem kernigen Ruhrgebiets-Typen spricht.

Worauf ist der Wirt denn besonders stolz? „Wir sind bundesweit unter den Top 20 der Rum-Anbieter.“ Aus aller Welt bietet er den Zuckerrohr-Schnaps an, egal ob Frankreich oder Brasilien. Dafür war er erst vor kurzem auf einer Rum-Messe in Berlin und siehe da: Auch in der Hauptstadt wurde der Wittener erkannt. „Du bist doch der aus dem Ruhrgebiet?“, wurde Wottrich dort gefragt. „Das hat mich schon ein bisschen gefreut.“

Im Frühjahr oder Sommer können Gäste auch vor der Alten Post in Witten Platz nehmen.
Im Frühjahr oder Sommer können Gäste auch vor der Alten Post in Witten Platz nehmen. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Der Kneipier denkt aber auch gerne an früher zurück, als die Alte Post noch richtig geboomt hat. Ein Erlebnis fällt ihm dabei sofort ein: Als es 2002 ein großes Fest auf der Bahnhofstraße gab, hatten er und seine Mitarbeiter einen Bierwagen direkt an der Ecke der Poststraße aufgestellt. „Es war wirklich arschkalt an dem Tag.“ Eingemuckelt in Moonboots und Thermounterwäsche fingen sie an, „und am Ende standen wir halbnackt da.“ Der Ansturm sei riesig gewesen und so kamen alle ins Schwitzen. Viele Durstige seien vom Bierstand auch direkt in die Kneipe gegangen – und das hatte seinen Grund: Nach kurzer Zeit waren nämlich sechs der sieben Biersorten im Wagen ausverkauft.

Alte Post war früher eine Altbierkneipe

Die Serie

Wöchentlich stellen wir ab sofort kultige Seiten der Stadt in der Serie „Echt Witten“ vor. Ob Kneipe, Imbissbude, Personen oder besondere Gebäude. Von allem ist etwas dabei.

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Ganz früher wehte sogar ein Hauch von Düsseldorf durch die Alte Post. Wottrichs Vater Klaus wollte damals Studenten locken und schuf daher kurzerhand eine Altbierkneipe. „Was das Altbier angeht, waren wir außerhalb des Rheinlands das umsatzstärkste Lokal“, sagt der Wirt.

Durch Corona hat der Betrieb in den letzten Jahren stark gelitten. Hat Wottrich mal ans Aufhören gedacht? „Nein“, lautet seine klare Antwort. „Was soll ich denn auch anderes machen? Mir gefällt der Kontakt mit den Menschen.“ Und schon geht die Tür auf und bringt ein bisschen Licht in die schummrige Atmosphäre. „Hallo Didi“, sagt Wottrich zum neuen Gast. In der Alten Post kennt man sich eben.