Witten. Die Konrad-Adenauer-Straße in Witten hat keinen einzigen Baum. Ein Siebenjähriger hat die Stadt um Pflanzen gebeten, doch die lehnt ab. Warum?

Der siebenjährige Toco nimmt all seinen Mut zusammen und sagt vor den Wittener Politikern im Haupt- und Finanzausschuss nur einen Satz: „Ich möchte einen Baum, weil unsere Straße dunkel und grau aussieht.“ Die Familie Reimer kämpft für etwas Grün in der pflanzenlosen Konrad-Adenauer-Straße in Witten: für den Klimaschutz, aber auch, um ein Zeichen gegen die Verwahrlosung der Innenstadtstraße zu setzen. Indes: Toco wird so schnell keinen Baum bekommen.

Die Konrad-Adenauer-Straße liegt in der Innenstadt zwischen Haupt- und Ardeystraße, dort liegen die einstige Hauptfeuerwache, für die die Stadt einen Investor sucht, und der Kinderschutzbund. Graue Mehrfamilienhäuser reihen sich aneinander, auf einer Straße aus Asphalt und Kopfsteinpflaster, auf der links und rechts geparkt wird. „Unser Sohn hat nichts, dem er beim Wachsen zusehen kann“, sagt Marilli Reimer. Bäume oder auch die bloße Bepflanzung der Straßenlaternen würden die Straße deutlich aufwerten, sagt die Mutter. „Noch gibt es nämlich eine Mittelschicht in der Straße, aber nicht mehr lange. Wenn das so weitergeht, ziehen wir alle weg.“

So nicht: „Loch buddeln, Setzling rein und kräftig gießen“

Den Reimers sieht man an, dass sie eine sehr tolerante Familie sind, die „etwas blauäugig, von außen kommend“, so Vater Nico Reimer, in die Straße gezogen sind. Wegen einer zunehmenden Vermüllung und wachsenden sozialen Problemen haben sie sich schon einmal an die Stadt gewandt. Marilli Reimer konnte einen Termin bei Bürgermeister Lars König erreichen und schließlich sprach die Familie sogar auch noch im Haupt- und Finanzausschuss vor. Denn: ein Baum ist bislang nicht in Sicht.

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„Wir begrüßen natürlich das Engagement von Bürgern, sich mit Ideen in die Stadtgestaltung positiv einzubringen“, so heißt es im Schreiben der Stadt an die Reimers. Auch versuche die Verwaltung immer, bei Planungen zusätzliches Grün im Straßenraum zu integrieren. Das funktioniere aber nicht einfach nach dem Motto: Loch buddeln, Setzling rein und kräftig gießen.

Kämmerer: Witten hat schon überdurchschnittlich viel Straßenbaumbestand

In der Konrad-Adenauer-Straße sprächen zwei Dinge gegen eine Bepflanzung: Rohre und Leitungen im Boden und die Parkraumbewirtschaftung. Ein Baum mehr hieße in der Citystraße auch: ein Parkplatz weniger. „Angesichts der Diskussionen um knappen Parkraum müssten wir gegebenenfalls für alternativen Parkraum sorgen – oder den ganzen Straßenraum neu gestalten“, schreibt die Verwaltung.

Alte Hauptfeuerwehrwache soll verkauft werden

Noch ist die Freiwillige Feuerwehr Altstadt in der Feuerwache an der Konrad-Adenauer-Straße umgebaut. Es läuft aber gerade die Ausschreibung für den Bau eines neuen Gerätehauses zusammen mit der Löscheinheit Heven im Gewerbegebiet Drei Könige. Ist dies fertig, ziehen die Freiwilligen das über 100 Jahre alte Backsteingebäude nahe der Hauptstraße leer.

Die Stadt will die alte Hauptfeuerwache zu einem Quartierszentrum umbauen, mit einem Mix aus Wohnen, Werkstätten, Gründerzentren und Ateliers. Gleichzeitig soll Platz für einen öffentlichen Weg und eine Grünfläche sein. Dazu soll die Verwaltung das 2700 m² große Grundstück im Rahmen einer sogenannten „Konzeptausschreibung“ vergeben, über Erbbaurecht, damit das Grundstück städtisch bleibt.

Und: Die Kraft der Wurzeln sei nicht zu unterschätzen. „Jeder kennt einen Weg oder eine Straße, die holprig sind, weil Baumwurzeln den Asphalt gehoben haben. Die gleiche Kraft können Wurzeln auch auf Rohre und Leitungen ausüben und diese beschädigen, etwa undicht machen.“ An manchen Stellen müssten deshalb Rohre umverlegt werden, um gefahrlos einen Baum wachsen lassen zu können. Das bedeute einen enormen Aufwand – weswegen das Tiefbauamt ungern die Straßendecke aufreißt und neue Bäume bevorzugt bei größeren Umgestaltungen mit einplant. Kämmerer Matthias Kleinschmidt betont: „Im Vergleich zu anderen Innenstädten hat Witten überdurchschnittlich viel Straßenbaumbestand. Und wir setzen viel Geld für deren Erhalt ein.“

Mutter kann Argumente nicht nachvollziehen

Die alte Hauptfeuerwache an der Konrad-Adenauer-Straße soll verkauft, aber erhalten bleiben.
Die alte Hauptfeuerwache an der Konrad-Adenauer-Straße soll verkauft, aber erhalten bleiben. © Hans Blossey

„Das ist kein Zeichen für Bürgernähe“, sagt Marilli Reimer, die die Argumente nicht nachvollziehen kann. „Es gibt auch flachwurzelnde Bäume“, sagt sie. Und: Der hintere Teil der Konrad-Adenauer-Straße werde kaum als Parkfläche genutzt, dort sei genügend Platz für ein Baumbeet. Das Grün – und sei es nur eine Rankpflanze – würde sie auch pflegen.

Nach dem Antrag der Reimers im Haupt- und Finanzausschuss sprechen gleich diverse Politiker vor und versprechen viel. Denn eigentlich trifft Toco mit seinem klimafreundlichen Anliegen „den Nerv der Zeit“, so Uwe Rath (SPD). Die meisten Parteien setzen aber auf den Verkauf und zukünftigen Umbau der alten Hauptfeuerwache. Bislang tut sich dabei wenig. Ob Toco längst erwachsen ist, bevor er einen Baum vor der Haustür wachsen sieht?