Witten. Der Kinderschutzbund in der Ruhrstadt ist 40 Jahre alt. Eine Wittenerin, die lange dabei ist, spricht zum Jubiläum über Frust und Visionen.

Den Kinderschutzbund gibt es jetzt seit 40 Jahren in Witten. Barbara Kruse hat 30 Jahre davon ehrenamtlich mitgearbeitet – und denkt keinesfalls ans Aufhören. Dabei ist die 63-Jährige als Erzieherin im Familienzentrum an der Pferdebachstraße voll berufstätig sowie als Gemeindeschwester in Johannis im Einsatz. Im Interview blickt sie zurück und nach vorn.

Wie hat denn in Witten alles angefangen?

Vorstandsfrauen: Barbara Kruse (li.) mit Christel Schneider vor dem Gebäude des Kinderschutzbundes in Witten. Das Foto entstand zum 30-jährigen Bestehen.
Vorstandsfrauen: Barbara Kruse (li.) mit Christel Schneider vor dem Gebäude des Kinderschutzbundes in Witten. Das Foto entstand zum 30-jährigen Bestehen. © Walter Fischer

Barbara Kruse: Gerda Dissel hat 1981 mit anderen Frauen den Kinderschutzbund hier gegründet, weil sie erkannt hat, dass es auch in Witten Kinder gibt, die Unterstützung und Hilfe brauchen. Das waren alles sehr nette, aber auch sehr vornehme Damen. Zunächst hatten sie ein kleines Büro im Marien-Hospital und haben vor allem Spenden gesammelt. Später sind sie ins Gesundheitsamt am Schwanenmarkt gezogen, dann an die Wideystraße und seit 2001 sind wir an der Konrad-Adenauer-Straße in der alten Tapetenhalle, die der Besitzer extra für unsere Bedürfnisse umgebaut hat.

Welche Angebote gab und gibt es?

Anfangs haben die Frauen Kinder im Krankenhaus besucht, dann eine Mutter-Kind-Turngruppe aufgebaut. In der Augustastraße gab es später einen winzigen Kleiderladen, der gut angenommen wurde. Außerdem betreuen wir Kinder bei den Hausaufgaben, erst in der Schule, jetzt bei uns im Haus. Nach der letzten Flüchtlingswelle haben wir Sprachkurse angeboten. Außerdem gibt es ein Frauenfrühstück. Ein wichtiges Standbein – gerade auch während Corona – ist inzwischen die Familienberatung, für die wir eine Psychologin als Honorarkraft haben.

Wie stemmen Sie das alles?

Ohne die 30 Ehrenamtlichen, die teils seit Jahrzehnten mit Herzblut dabei sind, ginge gar nichts. Darunter sind übrigens auch ein paar Männer.

Im Kleiderladen des Kinderschutzbundes gibt es natürlich auch Spielzeug.
Im Kleiderladen des Kinderschutzbundes gibt es natürlich auch Spielzeug. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Und wie sieht es finanziell aus?

Wir hatten mal über 100 Mitglieder, jetzt sind es nur noch 80. Der Jahresbeitrag liegt bei 25 Euro. Die Stadt weiß, dass es uns gibt, aber sieht offenbar keine Möglichkeit, uns zu unterstützen. Wir sind also dringend auf Spenden angewiesen. Schön wäre es, wenn wir einen festen Sponsor hätten. Ein bisschen Planungssicherheit wäre toll. Aber wir arbeiten seit Jahren so, dafür sind wir wenigstens unabhängig.

Warum engagieren Sie sich im Kinderschutzbund?

Ich habe selbst fünf Kinder. Als die in der Kita und in der Schule waren, wollte ich was Ehrenamtliches machen. Man muss doch etwas für andere tun, wenn es einem selbst gut geht. Ein bisschen Egoismus war aber auch dabei – endlich mal raus aus dem Alltagstrott und neue Kontakte knüpfen. Alles in allem war es eine sehr gute Entscheidung.

Wenn Sie sich – außer einem festen Sponsor – noch etwas wünschen dürften?

Dass alle Menschen in der Stadt wissen, dass es uns gibt. Das ist tatsächlich nicht so. Außerdem würden wir gerne noch mehr für unsere Kinder anbieten. Wir möchten ein offenes Haus sein, in dem sie ein Zuhause und Ansprechpartner finden. Und ein eigenes Außengelände wäre schön. Aber dafür dürfen wir ja den Platz der Freiwilligen Feuerwehr gleich nebenan mitbenutzen.

Vor 20 Jahren ist der Kinderschutzbund Witten in dieses Gebäude an der Konrad-Adenauer-Straße 17c gezogen.
Vor 20 Jahren ist der Kinderschutzbund Witten in dieses Gebäude an der Konrad-Adenauer-Straße 17c gezogen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Was fehlt Kindern in dieser Stadt?

Tatsächlich mehr Platz zum Spielen. In der City gibt es nicht mal ein paar Wipptiere. Und dass die Straßenbahn durch die Fußgängerzone fährt, ist eigentlich viel zu gefährlich. Auch Kinderarmut ist ein Thema in Witten. Es gibt so viele Familien, die Unterstützung brauchen. Oft reicht es aber auch schon, dass ihnen jemand zuhört.

Jede Spende hilft

Der Ortsverband des Kinderschutzbundes in Witten finanziert sich zu 70 Prozent aus Spenden und muss ohne jegliche staatliche Unterstützung auskommen. Deshalb freuen sich die Ehrenamtlichen über jede Spende.

Eltern-Kind-Gruppe, Hausaufgabenbetreuung, Beratung – die Angebote sind kostenlos. Das Büro an der Konrad-Adenauer-Straße 17c ist montags bis freitags von 10 bis 12 sowie Montag, Mittwoch und Donnerstag von 15 bis 17 Uhr geöffnet. Info: 22525, kinderschutzbund-witten.de.

Sie sehen viele Schicksale, können manches Mal nicht helfen, weil dem Kinderschutzbund selbst das Geld fehlt. Wie frustrierend ist das?

Manchmal frage ich mich schon: Brauche ich das? Aber obwohl ich so lange dabei bin, habe ich noch Visionen und brenne dafür. Bald gehe ich als Erzieherin in den Ruhestand. Dann werde ich nicht die Füße hochlegen, sondern weitermachen. Den Kinderschutzbund soll es noch lange in Witten geben.