Witten. Seit rund einem Jahr kümmert sich Karin Kudla in Witten um das Thema Nachhaltigkeit. Corona hat das Engagement in der Stadt nicht ausgebremst.
Corona hatte Witten in den vergangenen Monaten fest im Griff. Im Lockdown lag die Ruhrstadt im verordneten Dornröschenschlaf. Mitten in der ersten Welle – Anfang April 2020 – hat Karin Kudla ihre Stelle als Wirtschaftsförderin angetreten. Ihr Schwerpunkt: Nachhaltigkeit. Was sie erlebt hat und welche positiven Effekte die Corona-Pandemie gehabt hat, darüber sprach die 28-Jährige mit Stephanie Heske.
Frau Kudla, wie haben Sie Ihr erstes Jahr Witten erlebt? Wie sehr hat die Pandemie Ihre Arbeit beeinflusst?
Mein erstes Jahr war zwar anders als erwartet, aber trotzdem super. Ich war und bin immer noch begeistert davon, was es hier schon alles für Initiativen gibt, welche Vielfalt ich hier vorgefunden habe. Der Geist in der Stadt ist toll. Witten ist für mich die Stadt des Engagements.
Wurde das nicht durch durch Corona etwas abgeschwächt?
Nein. Hier gibt es eine ganze Menge guter Ideen. Die Pandemie hat sie nicht ausgebremst. Ich würde sagen, es sind sogar noch einige neue Ideen dazu gekommen, gerade im Bereich Digitalisierung und Logistik. Die Frage ist: Wie bekommen wir diese Visionen mit der Realität zusammen? Ich bin dafür da, das zu verknüpfen und bei der Umsetzung zu helfen.
Was hat sich getan, seit Sie hier sind?
Sehr viel. Nur als Beispiel: Ich habe eine Karte der Nachhaltigkeit erstellt, um regionale Erzeuger und Initiativen zu unterstützen. Dort finden sich online alle lokalen Angebote. Und dann gibt es mittlerweile das Regionalregal beim Stadtmarketing. Hier in Witten werden tolle Produkte hergestellt, aber es gab sie zuvor nirgends gebündelt zu kaufen, jetzt schon.
Tauschen und Reparieren wird gefördert
Das Arbeitsgebiet der Wirtschaftswissenschaftlerin Kudla ist die Wirtschaftsförderung 4.0. Dazu zählen Unternehmen aus den Bereichen der regionalen Produktion, Sozialwirtschaft und Sharing Economy (Wirtschaft des Teilens) sowie lokale Initiativen des Teilens, Tauschens und Reparierens.
Beispiele in Witten sind etwa „Wir Gemüse“, das kostenlose Lastenrad „Pottkutsche“, die Klimaallianz oder „Witten wurzelt“.
Die Karte der Nachhaltigkeit mit zahlreichen lokalen Anbietern und Initiativen findet man im Internet auf www.witten.de/nachhaltig
Im Herbst soll es auch einen Pop-up-Store mit regionalen Waren in der Stadtgalerie geben. Allgemein habe ich sehr viel beraten und Förderanträge begleitet. Ich hatte oft den Eindruck, dass viele etwas machen wollen, aber der letzte Anstoß fehlt.
Hatte die Pandemie Einfluss auf das Konsumverhalten?
Die Menschen haben sich in den letzten Monaten mehr aufs Regionale zurückbesonnen. Zum einen hat uns die Pandemie gezeigt, wie extrem verletzlich globale Lieferketten sind. Und dass es Sinn macht, auch lokal vor Ort zu produzieren – gerade was Lebensmittel angeht. So werden ja auch tausende Transportkilometer gespart. Zudem kann man sehen, was das Geld vor Ort bewirkt, wenn man es hier ausgibt, dass es eine positive Wirkung auf die Stadt haben kann.
Die Pandemie hat also den Fokus der Menschen verschoben?
Ich denke, ja. Durch die Pandemie waren wir auch sehr an den Ort gebunden, in dem wir leben. Viele haben damit begonnen, zu schauen, was es in der näheren Umgebung überhaupt alles gibt. Und haben die Natur vor Ort wiederentdeckt. So etwas verändert den Blick, das Regionale wird wieder wichtiger.
Wie geht es Ihrer Ansicht nach weiter mit der Wirtschaft hier vor Ort nach Corona?
Das hängt von jedem Einzelnen ab. Jeder Konsument hat es in der Hand, ob es in seiner Stadt inhabergeführte Läden oder Kunst und Kultur gibt. Auch jedes Unternehmen hat es in der Hand, etwa durch Stärkung der regionalen Produktion und Arbeitsplätze. Wirtschaft und Nachhaltigkeit sind keine Gegensätze – in Witten wurde das schon früh erkannt.
Und die Innenstadt?
Ich möchte Raum schaffen für die vielen verschiedenen Ideen, die zu dem Thema entstehen. Und durch Beratung und Vernetzung einen Beitrag für die Weiterentwicklung der Innenstadt leisten. Natürlich setzen wir auch Impulse, etwa für mehr regionale Wertschätzung und mehr Klimaschutz vor Ort. Es ist doch ein ganz anderes Gefühl, von einem kleinen Produzenten zu kaufen. Man weiß, wie viel Herzblut drin steckt. Nachhaltigkeit ist nicht Verzicht, sondern Genuss und Lebensfreude.
Was sollte die Zeit der Pandemie überdauern?
Der Mut und die Zuversicht, etwas Neues zu machen. Und der Zusammenhalt! Da habe ich wirklich sehr berührende Erfahrungen gemacht. Wir haben eine mobile Ehrenamtsberatung gestartet und so viele Unternehmen, Initiativen und Einzelpersonen haben sich gemeldet und wollten etwas Positives bewegen.