Witten. Selbst pflanzen, selbst ernten, Ruhe genießen - in der Schrebergartenanlage Sonnenschein ist all dies möglich. Wie das eigene Grün zur Oase wird.
Kleingärten kennt Ulrich Jaskulski von Kindesbeinen an. Schon seine Eltern hatten einen. 1979, als sein Vater starb, hat er als junger Mann die Parzelle in Vormholz übernommen. Mit der Ernte konnte seine Mutter immer 200 bis 300 Einmachgläser im Jahr füllen, erzählt der 61-Jährige. Noch heute genießt der leidenschaftliche Hobbykoch alles, was in seinem Garten wächst. Der liegt jetzt seit Jahren in der Anlage des Schrebergartenvereins Sonnenschein an der Gregor-Boecker-Straße. Jaskulski hat zwei feste Grundsätze: „Keine Gartenzwerge, keine Chemie!“
Der gebürtige Wittener ist selbstständig, verdient sein Geld mit Außenwerbung. Sein Garten ist eine ganz andere Welt. Hier kann Uli Jaskulski auf rund 350 Quadratmetern seinen grünen Daumen ausleben. Der Mann weiß viel über das, was bei ihm gedeiht, kann erklären, warum er auch viel von Mischkulturen hält. „Die helfen dabei, ohne Gift zu gärtnern.“ Möhren, sagt er, sollten zum Beispiel neben Zwiebeln wachsen. „Die Möhre vertreibt die Zwiebelfliege, die Zwiebel die Möhrenfliege.“ Auch das Trio Kohl, Sellerie und Porree mache sich gut. Weil diese Pflanzen Stoffe im Boden und in der Luft entwickelten, die Schädlinge fernhalten.
„Morgens ernten, mittags essen. Frischer geht es nicht“, sagt der Hobbygärtner aus Witten
Wer clever gärtnern wolle, sollte sich außerdem Hochbeete zulegen. „Da muss man sich bei der Gartenarbeit nicht so tief bücken“, meint Jaskulski augenzwinkernd. Er hat selbst fünf hohe Beete auf seiner Parzelle, in denen Erdbeeren, Salat, Kohl, auch Zwiebeln, Möhren und Gurken gedeihen. Die Garten-Devise des Hobbygärtners: „Morgens ernten, mittags essen. Frischer geht es nicht.“ Einen Tipp hat der Mann noch für Rosenfans: „Rosen freuen sich über Kaffeesatz. Filterkaffee, das ist für sie ein prima Dünger!“
Auch Jürgen Paß (64) und seine Frau Petra (63) haben ihr grünes Glück im Schrebergartenverein Sonnenschein gefunden. Der Sozialarbeiter und die Kinderkrankenschwester sind nicht mehr berufstätig. Im August 2019 konnten sie eine Parzelle übernehmen, die ihnen sehr gut gefällt. Zwar haben die Eheleute an ihrer Innenstadt-Wohnung auch zwei Balkone. Aber ein Garten mit Blumen, Obst und Gemüse, einem Gartenteich mit Froschkönig und verschiedenen Sitzgelegenheiten - je nach Sonnenstand -, das sei dann doch etwas ganz anderes, sagen sie. Und da Jürgen Paß sowieso nicht lange ruhig sitzen kann, kommt ihm die Gartenarbeit im Ruhestand sehr zupass.
Die Paß zahlen für ihre grüne Oase rund 400 Euro im Jahr - Strom, Wasser, Versicherung und Vereinsbeitrag inklusive
Grünes Glück im Schrebergarten "Sonnenschein"
Petra Paß nickt. Sie kann aber auch die Ruhe in ihrem Garten genießen, in dem - wie auf jeder Parzelle in der Anlage - keine Holzhütte, sondern ein kleines Steinhaus steht. In ihrem Gewächshaus zieht die 63-Jährige Salat, Paprika, Tomaten und Radieschen. Aber auch Himbeeren, Johannis- und Stachelbeeren, Kirschen, Äpfel und Pflaumen gibt’s in ihrem Garten. Mit dem Einkochen hat es die Mutter von zwei erwachsenen Kindern nicht so. „Was im Garten wächst, essen wir frisch oder verschenken es. Im Sommer müssen wir kein Obst kaufen.“
Etwa 20 Stunden in der Woche verbringt das Paar in seiner rund 420 Quadratmeter großen „Oase“, die für sie vor allem in Corona-Zeiten ein Labsal ist. Bewegung und Mußestunden an der frischen Luft, Gespräche mit Gartennachbarn - all dies ist in einer Kleingartenanlage möglich, in der man auch coronaconform menschliche Nähe suchen kann, aber nicht muss. Die Paß zahlen für ihr grünes Glück rund 400 Euro im Jahr - Strom, Wasser, Versicherung und Vereinsbeitrag inklusive. „Dafür bekommt man viel geboten“, meint Jürgen Paß lachend.
Die Kinder sollen sehen, wo Obst und Gemüse so herkommen
Philipp Ernst ist stellvertretender Vorsitzender des Schrebergartenvereins und ein gutes Beispiel dafür, dass ein Kleingarten keineswegs nur etwas für Menschen im Rentenalter ist. Der 33-Jährige hat bereits vor zehn Jahren eine Parzelle gepachtet. Ernst wohnt, sehr praktisch, gleich in Sichtweite seines Gartens. Seine Wohnung hat keinen Balkon. „Das ist doof“, sagt er.
Philipp Ernst hat sich auch eine Gartenparzelle angeschafft, damit seine heute zehn- und elfjährigen Kinder sehen, wo Obst und Gemüse so herkommen und dass beides auch Arbeit macht, bevor es auf den Teller wandert.
Schrebergartenverein Sonnenschein 1930 gegründet
Der Schrebergartenverein Sonnenschein wurde 1930 von zwölf Wittener Bürgern gegründet, die sich dazu im damaligen Restaurant „Zur alten Zeit“ getroffen hatten. Heute verfügt der Verein über 156 Parzellen und hat 305 aktive Mitglieder. Darunter sind auch Menschen ohne Garten, die aber bei der Gartenarbeit helfen.Wie viele Kleingartenvereine hat auch der Verein Sonnenschein eine lange Bewerberliste. Philipp Ernst, stellvertretender Vorsitzender: „Bei uns warten derzeit 40 Menschen auf eine Parzelle.“Was Kleingärtner im Verein beachten müssen: Ein Drittel ihrer Pachtfläche darf Wiese sein, auf einem Drittel müssen Obst, Gemüse und Nutzbäume wachsen, ein Drittel der Fläche kann der Freizeit dienen – mit Sitzgelegenheiten, Spielgeräten oder einer Terrasse zum Beispiel.
Nicht zuletzt habe er in der Anlage sehr gute Freundschaften geschlossen, betont der gelernte Zerspanungsmechaniker. Der schmunzelnd hinzufügt: „Aber auch in einem Schrebergartenverein ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen.“ Normales Leben halt - auch in grünen Oasen.