Witten. Der Wittener Chor „Stairway“ kann endlich wieder gemeinsam proben. Denn ein Sänger hat das Programm „Jamulus“ entdeckt. So funktioniert es.

Haben Sie mal versucht, ein Geburtstagsständchen mit mehreren online zu singen? Dann wissen Sie: Es geht nicht. Die Technik macht aus dem Gesang einen furchtbaren Katzenjammer. Chöre werden daher von der Pandemie doppelt gebeutelt: Gemeinsame Proben sind nicht erlaubt, online sind sie kaum möglich. Doch der Wittener Chor „Stairway“ hat einen Weg aus der Misere gefunden: Er singt mit dem Programm „Jamulus“. Könnte das die Lösung für alle Chöre in Witten sein?

„Stairway“ hatte zu Beginn der Pandemie alles versucht: Draußen proben, dann auf der Tribüne der Rennbahn in Dortmund, bis es zu kalt und dunkel wurde, schließlich online per Skype. Nichts funktionierte wirklich gut. Dann entdeckte Chormitglied Uwe Peters das Programm „Jamulus“ im Netz und empfahl es seinen Mitsängerinnen und -sängern – aber erst nachdem er sich selbst von der Qualität überzeugt hatte. Das Programm wurde für das gemeinsame Musizieren im Netz ohne Zeitversatz entwickelt. Es ist eine Open-Source-Software, kann also öffentlich und kostenlos genutzt werden. Ganz unkompliziert ist das Ganze nicht, aber der 66-Jährige sagt: „Ich habe mich da reingefuchst und durchgebissen.“

Wittener installierte das Programm per Fernwartung

Rund 200 öffentliche „Jamulus“-Server gibt es weltweit. Das ist praktisch, aber: „Wenn man sich da drauf schaltet, können andere zuhören“, erklärt Peters. Nicht unbedingt das, was man beim Üben möchte, deswegen hat sich „Stairway“ mit dem Kantor aus Hamm zusammengetan und eine private Serverstation installiert, auf dem die Chor-Proben nun stattfinden.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Der Chor „Stairway“ aus Witten bei einem Auftritt am Schleusenwärterhaus.    
Ein Bild aus besseren Zeiten: Der Chor „Stairway“ aus Witten bei einem Auftritt am Schleusenwärterhaus.     © Stairway

Damit fing für Uwe Peters die Arbeit aber erst an. Der Pädagoge wurde unversehens zum Chor-Techniker. Denn er hat das „Jamulus“-Programm bei 23 seiner Mitsänger auf den Rechnern installiert, corona-konform per Fernwartung – eine Heidenarbeit. „Allein bei mir hat das gut vier Stunden gedauert“, sagt Chorleiter Martmöller. Bei den anderen ging es nicht wesentlich schneller. „Ja, die Installation ist schwer, das kann ich nicht verhehlen“, gibt Peters zu. Apple-Rechner seien dabei kein Problem, bei den anderen müsse man beim Ton ein bisschen tüfteln.

Sänger hatten bei der ersten „Jamulus“-Probe Tränen in den Augen

Aber die Mühe hat sich gelohnt. „Die erste Probe mit dem neuen Programm war ein echtes Aha-Erlebnis“, erzählt Christiane Suttrop, die erste Vorsitzende von „Stairway“. „Wir hatten Tränen in den Augen.“ Es sei ein großer Genuss gewesen, endlich auch die anderen Sänger wieder zu hören – nicht nur sich selbst, wie bei der Skype-Probe. Zwar übertrage „Jamulus“ nur Töne, keine Bilder, aber: „Das Schöne ist: Jeder Sänger kann sich seinen Sound selbst einstellen“, erklärt Peters. Also etwa die Sitznachbarin aus dem Sopran etwas lauter machen, um eine Hilfe zu haben – dafür Alt, Tenor und Bässe leiser. „Und sogar ein Raum-Klang ist möglich.“

Ein Chor mit großem Repertoire

Stairway ist ein Pop-Chor mit einem breiten Repertoire und hohem musikalischen Niveau. In normalen Zeiten hat der Chor rund 50 Mitglieder, die jüngsten Mitte 20, die ältesten Ende 70.

Trotz der neuen Online-Probemöglichkeiten wartet der Chor sehnlichst auf ein Wiedersehen. Ein Chorwochenende Ende September ist schon geplant. Auch der nächste Auftritt steht schon fest: Das ausgefallene inklusive Konzert mit Lebenshilfe und Kämpenschule soll so bald wie möglich nachgeholt werden.

Auch Chorleiter Martin Martmöller ist sehr angetan von den neuen Möglichkeiten. „Das ist eine tolle Geschichte und gibt uns Auftrieb“, sagt er. Tatsächlich könne er mit „Jamulus“ die Sänger sogar differenzierter hören als bei einer Live-Probe. Allerdings: Wegen der fehlenden Videos fällt das Dirigieren weg, die Sänger müssen ihre Einsätze akustisch bekommen. Dennoch empfiehlt Martmöller das Programm weiter, etwa für die Musikschule. „Damit können auch Orchester proben.“

Das normale Mikrofon des Rechners reicht aus

Viele technische Voraussetzungen dafür brauche es nicht, versichert Uwe Peters. „Das normale Mikro vom Rechner reicht, eine Soundkarte und eine einigermaßen gute Leitung, 16 Megabit oder mehr.“ Und auch wer das alles nicht habe, könne die Probe dann zumindest über „Jamulus“ im Netz mitverfolgen.

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Uwe Peters ist daher überzeugt: Wenn es in einem Chor jemanden gibt, der technisch versiert ist, dann kann „Jamulus“ auch für andere Ensembles in Witten eine gute Möglichkeit sein, wieder proben zu können. Interessenten dürfen sich gerne bei „Stairway“ melden: www.chor-stairway.de