Witten. Jahrelang haben Mountainbiker an ihrem Waldtrail gebaut. Nun hat die Stadt Witten ihn platt gemacht. Die Maßnahme irritiert sogar Naturschützer.

Mountainbiker in Rüdinghausen sind sauer: Die Stadt hat ihre Fahrradstrecke im Wald am Schneer Weg plattgemacht. Mit einem Bagger wurde alles beseitigt, was zum Trail gehörte: Schanzen wurden abgerissen, Hügel eingeebnet. Kevin Netz ist entsetzt: „Das haben wir mit viel liebevoller Arbeit aufgebaut“, sagt der 27-Jährige. Und gerade in der Corona-Zeit hätten viele Kinder und Jugendliche hier im Freien einen willkommenen Ausgleich in der Langeweile gefunden.

Den Trail selbst gibt es aber schon länger. Schon vor etwa zehn Jahren wurde er das erste Mal im Wald angelegt, seit etwa fünf Jahren wieder intensiver betrieben. Es ist quasi ein Generationenprojekt: „Wir sind ein loser Verbund von Bikern. Die Älteren, die damals schon gefahren sind, leiten heute die Jüngeren an“, so Netz. Und zu dieser Anleitung gehöre eben nicht nur, die Sprünge und Kurven zu meistern. Sondern auch, Rücksicht zu nehmen: Nicht da zu fahren, wo Rehe ihre Jungen aufziehen, auf Amphibien zu achten und Streckenposten aufzustellen, damit Fußgängern keine Gefahr drohe.

Waghalsig: Kevin Netz zeigt sein Können auf einem noch intakten Streckenabschnitt.
Waghalsig: Kevin Netz zeigt sein Können auf einem noch intakten Streckenabschnitt. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Sind die jungen Sportler wirklich so vernünftig? Matthias Rath bestätigt das jedenfalls. Der Professor, der in der Nähe wohnt, geht jeden Tag mit seinen Hunden in den Wald und beobachtete die Mountainbiker von Anfang an. „Ich habe die Fahrer immer nur rücksichtsvoll und gesprächsbereit erlebt“, sagt der 61-Jährige. An gefährliche Situationen könne er sich nicht erinnern. Die Strecke sei ein wirklich positives Beispiel für ein gemeinsames Freizeitprojekt gewesen.

Es gab mehrere Beschwerden von Wittenern

Dennoch: Es gab Beschwerden. Bürger, Parteien und Naturschützer hätten sich gemeldet, erklärt der zuständige Förster Klaus Peter den Mountainbikern. Die Stadt habe sich daher aus verschiedenen Gründen dazu entschlossen, die Anlage zu zerstören: Die Strecke beeinträchtige nicht nur die Tiere, auch die Pflanzenwelt würde zerstört. „Am wichtigsten war für uns aber die Haftungsfrage“, so Peter. Downhill-Fahren sei eine risikobehaftete Sportart, regelmäßig gebe es Unfälle mit Toten und Verletzten. „Wenn ein Waldbesitzer eine solche Anlage stillschweigend duldet, haftet er im Schadensfall unter Umständen.“

Endstation: Ein frisch gefällter Baum liegt quer.
Endstation: Ein frisch gefällter Baum liegt quer. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Und daher sei das Radfahren im Wald nur auf festen Wegen gestattet, fügt Stadtsprecherin Lena Küçük hinzu. Was verboten sei, sei nun einmal verboten: „Und da kann ich mir noch so viel Mühe geben, ich darf mir nicht einfach ein eigenes Schaukelpferd auf dem Spielplatz aufstellen.“ Der Wald dort sei nun einmal eine städtische Fläche, die Stadt müsse daher die Verantwortung für Mensch und Natur übernehmen. Zur Entfernung der Mountainbikestrecke habe es daher überhaupt keine Alternative gegeben.

Nawit hätte Maßnahme lieber im Herbst gesehen

Aber vielleicht zur Art und Weise. Nicht nur, dass die Stadt nicht den Kontakt mit ihnen gesucht hat, ärgert die Biker. „Von der Stadt wurden wahllos lebende, unter Naturschutz stehende Bäume gefällt, Laichplätze von Kröten zerstört und massive Eingriffe in den Boden vorgenommen“, beschreibt Kevin Netz. Nicht nur die Radfahrer staunen. „Die Stadt hat mit Kanonen auf Spatzen geschossen und völlig überreagiert“, sagt Matthias Rath. „Absolut unverständlich, ärgerlich und unüberlegt“, nennt auch Anwohner Matthias Schweinoch die Maßnahme. Es sei zwar verständlich, dass Wildbau nicht geduldet werden könne. „Aber es wäre mindestens mal angebracht gewesen, den Kontakt zu den Jugendlichen zu suchen, ehe eine derart ausufernde Zerstörung angerichtet wird.“

Und selbst Birgit Ehes von der Naturschutzgruppe Nawit ist irritiert. Ihre Gruppe habe zwar die Mountainbikestrecke bei der Umweltbehörde gemeldet. Die Stadt habe dann aber vorschnell und ohne Absprache mit der Nawit eingegriffen. Die Nawit-Vorsitzende meint: „Das war jetzt sicher nicht die richtige Zeit, die Maßnahme hätte man besser auf einen späteren Zeitpunkt, etwa im Herbst, verschieben sollen.“

Fabian (23) betrachtet ein Stück der zerstörten Strecke. Unten sieht man den befestigten Weg für die Fußgänger.
Fabian (23) betrachtet ein Stück der zerstörten Strecke. Unten sieht man den befestigten Weg für die Fußgänger. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Lena Küçük gibt zu: Ein schönes Bild sei das nach den Baggerarbeiten nicht. „Das sieht nicht wie unberührter Wald aus, mehr wie eine Baustelle.“ Aber der Wald werde sich erholen. Und die „krassen Eingriffe der Biker“ seien schließlich auch nicht schön gewesen.

Wo können die Mountainbiker hin?

Förster Klaus Peter weist darauf hin, dass es eine legale Downhill-Strecke am Kohlensiepen gibt. Die Strecke sei vom Regionalforstamt in Gelsenkirchen genehmigt worden und werde vom Verein Happy Trail Friends unterhalten.

Für die Biker aus Rüdinghausen ist die aber keine Alternative: Die Strecke werde nicht gut instand gehalten. „Das wäre, als wenn man statt über die Autobahn über den Schneer Weg fahren müsste.“ Außerdem: Auch diese Strecke ist gesperrt – wegen der Corona-Schutzvorgaben.

Dennoch: Die Mountainbiker haben die Hoffnung nicht aufgegeben, dass es mit ihrem Trail doch noch mal etwas wird. „Vielleicht gibt es ja ein Umdenken und es können Strecken für unseren Sport geschaffen werden“, hofft Netz. Der sei schließlich eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, die nicht nur die Motorik schule, sondern auch das soziale Miteinander. Doch Lena Kücük winkt ab: Auf städtischem Gelände sei das nicht machbar. „Aber vielleicht kommen die Biker ja mit einem privaten Waldbesitzer ins Gespräch.“

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