Witten. Wer am Rande des Existenzminimums lebt, den trifft die Coronakrise doppelt hart. Doch wie schlimm ist die Lage für Bedürftige in Witten wirklich?

Wer ohnehin am Rande des Existenzminimums lebt, den trifft die Coronakrise doppelt hart. Ein-Euro-Jobs fallen weg. Mancher Bedürftige traut sich wegen der Kontaktsperre nicht zur Tafel, um günstig Lebensmittel zu erstehen. Doch wie schlimm ist die Lage in Witten wirklich?

"Seit dem 15. März sind sämtliche Arbeits-, Qualifizierungs- und Trainingsmaßnahmen ausgesetzt", sagt Heiner Dürwald, Leiter des Jobcenters EN. Das heißt: Die Teilnehmer befinden sich grundsätzlich noch in diesen Maßnahmen, "aber sie finden nicht statt". Betroffen sind vor allem jene Menschen, die einen Ein-Euro-Job haben. Da der Lohn nur bei tatsächlich geleisteter Arbeit bezahlt wird, verlieren sie einen Teil ihres Einkommens.

In Witten gibt es ungefähr 250 Ein-Euro-Jobber

Im Schnitt bringe ein solcher Job, den in Witten etwa 250 Menschen ausüben, rund 180 bis 190 Euro pro Monat, so Dürwald. Aber dieses Geld sei ja auch für Mehrkosten eingeplant, die durch die Arbeit an- und nun wegfallen, etwa den Kauf einer Fahrkarte. Ansonsten würden die Betroffenen - wie alle anderen Bedarfsgemeinschaften auch - weiter ihr Arbeitslosengeld erhalten sowie die Kosten für die Unterkunft. Insgesamt gibt es in Witten 6484 Menschen, die Hartz IV beziehen.

Finanziell seien die Auswirkungen also nicht so groß. "Entscheidender ist, dass diese Menschen nun sehr stark isoliert sind", sagt der Leiter des Jobcenters. Deshalb würden die Träger der Beschäftigungsmaßnahmen in der Regel telefonischen Kontakt halten oder in Sachen Qualifizierung zum Beispiel "Tele-Learning" anbieten. Die Wittener Wabe ist gerade dabei, trotz aller Regeln mit kreativen Ideen ihre rund 40 Teilnehmer weiter zu fördern.

Wittener Wabe: "Alter Fritz" und Zollhaus bieten Lieferservice an

Natürlich sei der Betrieb dort, wo es nötig ist, eingestellt, sagt Projektleiterin Susanne Fuchs. Natürlich können Gäste im "Alten Fritz" und im Zollhaus nicht mehr speisen. Aber auch hier machen sie, wie viele andere Gastronomen, aus der Not eine Tugend. Sie kochen Gulasch, Leberkäs' und Eintopf. Schweißen die Mahlzeiten ein, versehen sie mit Haltbarkeitsdatum und liefern auf Wunsch auch Vorräte für eine Woche. Zu Ostern wollen sie sich noch was Spezielles einfallen lassen.

Auch die Möbelbörse der Wabe ist dicht. "Vom Sozialamt beauftragte Haushaltsauflösungen dürfen wir aber machen", sagt Susanne Fuchs. Wer nicht mit entrümpelt, der nutze die Zeit zum Beispiel, um in Betrieben der Wabe aufzuräumen. Oder wer sonst in der Radstation im Einsatz war, der schaut jetzt mal beim Kochen zu. Fuchs: "Es ist einfach wichtig, den Menschen weiterhin ein bisschen Alltag zu ermöglichen."

Wittener Tafel: Es gibt Frühstück und das Lädchen ist geöffnet

Diesen Ansatz verfolgt auch die Wittener Tafel. "Viele denken, dass wir geschlossen haben - wie schon über 380 von über 940 Tafeln bundesweit", weiß Mareike Schreiber vom Vorstand. Deshalb blieben Kunden, vor allem ältere, aus. Doch Schreiber betont ausdrücklich: "Wir haben weiterhin geöffnet." Denn grundsätzlich herrsche kein Mangel an Lebensmittel, höchstens frische Produkte fehlen. Das sei aber in dieser Jahreszeit oft der Fall. Nur Mittagessen gibt's tatsächlich nicht mehr.

Fürs Frühstück werden die Kunden einzeln eingelassen, holen sich ihre Portion direkt an der Küche ab, erhalten Kaffee nur im selbst mitgebrachten Gefäß und müssen über den Hof gleich wieder hinaus. Denn der Gemeinschaftsraum ist in Coronazeiten natürlich tabu. Was Mareike Schreiber freut: "Die Anteilnahme der Bevölkerung." Viele würden anrufen, wollen sich ehrenamtlich engagieren, Geld oder Lebensmittel spenden. "Dafür ein dickes Dankeschön."

Info:

Die Wittener Tafel an der Herbeder Straße 22 öffnet ihr Lädchen montags bis freitags von 9 bis 13 Uhr. Frühstück gibt's von 8.30 bis 11.30 Uhr. Mittagessen entfällt. Ein Tipp: Öfter mal auf die Homepage (www.wittenertafel.de) schauen, es könnte sich etwas geändert haben.

Das Jobcenter EN mit der Regionalstelle Witten bereitet sich bei längerer Kontaktsperre durch die Coronakrise auf einen Ansturm vor. "Dann werden sich mehr Personen arbeitslos melden, vor allem Solo-Selbstständige und Kleinunternehmer ohne Arbeitslosenversicherung", sagt Leiter Heiner Dürwald.

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