Witten. Dieses Jahr gab es in Bochum, Witten und Herne knapp 1700 Vermisste. Die meisten Fälle gehen glimpflich aus. Es kann aber auch anders aussehen.
Im Polizeigebiet Bochum, Herne und Witten gibt es jedes Jahr rund 1700 Vermisstenanzeigen. Die meisten Fälle gehen glücklicherweise glimpflich aus und gelangen gar nicht erst an die Öffentlichkeit. Es kommt aber auch immer wieder zu Todesfällen.
In Witten wurden 2020 bislang 328 Personen als vermisst gemeldet – 2019 waren es noch 313. Darunter sind auch vier Langzeitvermisste – unter anderem Anita S., nach der seit über einem Jahr gesucht wird. Zu den anderen drei Personen kann die Polizeidienststelle Bochum keine genaueren Angaben machen. „Es gibt viele dauervermisste Jugendliche“, sagt Kommissariatsleiter Georg Stenzel.
Bei vermissten Kindern schrillen die Alarmglocken – wie bei Joanna aus Witten
Dabei handelt es sich um Jugendliche, die immer wieder aus Wohngruppen ausreißen. Die werden dann auch sofort gemeldet. „Meistens kommen sie aber schnell wieder zurück“, so Stenzel. Dennoch muss die Polizei auch dort direkt aktiv werden. Der Grund: Jugendliche und Kinder können ihren Aufenthaltsort nicht frei bestimmen.
Deshalb schrillen beim Vermisstenkommissariat direkt die Alarmglocken, wenn ein Kind als vermisst gemeldet wird. „Wir beobachten den Trend, dass die Vermissten immer jünger werden“, erklärt Georg Stenzel. Nicht selten sei es der Fall, dass zwölf- bis 13-Jährige einfach mal ein, zwei Nächte in einer anderen Stadt übernachten. „Zum Glück geht es in den meisten Fällen glimpflich aus.“ In Witten wurde im Oktober die 13-jährige Joanna Kamilla gesucht. Sie ist am 7. Oktober nicht in die Schule gegangen und nicht mehr nach Hause gekommen. Drei Tage später tauchte sie wieder auf.
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Aber auch erwachsene Leute reißen immer wieder aus. Hier ist die Lage komplizierter. Menschen über 18 dürfen ihren Aufenthaltsort selbst bestimmen. Deshalb kann eine Person nicht sofort als vermisst gemeldet werden. „Es kann auch sein, dass die Person sich einfach mal eine Auszeit nehmen will“, so Stenzel. Gebe es allerdings Hinweise auf Selbstmordgedanken oder habe derjenige Probleme mit Alkohol oder Drogen, werde man auch direkt aktiv.
Bundeskriminalamt legt elektronische Profile der Vermissten an
In Witten war das erst im November der Fall. Am 15.11. verschwand eine 60-jährige Frau. Sofort suchte die Polizei nach ihr – einen Tag später wurde ihre Leiche gefunden. Nur eine knappe Woche später verschwand ein 90-jähriger Mann. Er wurde tot in der Ruhr gefunden. Beide haben sich laut Stenzel das Leben genommen.
Aber wann wird eine Suche eingestellt? „Wenn wir keine Hinweise mehr bekommen, macht es auch keinen Sinn mehr zu suchen“, erklärt der Polizeikommissar. Im Fall Anita S. sei es derzeit beispielsweise aussichtslos, die Wälder noch einmal neu zu durchforsten. Aber: Wenn sich jemand meldet, der angebe, die Person vor einem Jahr an einem bestimmten Ort gesehen zu haben, werde man dem auch wieder nachgehen.
Zudem geht die elektronische Fahndung immer weiter. Nach etwas vier bis sechs Wochen wird für jeden Vermissten beim Bundeskriminalamt ein Profil angelegt. Darin sind unter anderem Informationen über den Zahnstatus enthalten. „Wenn irgendwo eine tote Person gefunden wird, können wir das sofort abgleichen“, sagt Stenzel.
Im Jahr 2018 gab es in Witten einen spektakulären Fall
Dass es sich lohnt, dran zu bleiben, zeigt ein spektakulärer Fall aus dem Jahr 2018. Die Schweizer Polizei kontaktierte damals die Polizei Bochum. Der Grund: Auf einem Gletscher in der Schweiz habe man einen Oberschenkelknochen und einen Rucksack gefunden. Darin sei eine Bahnfahrkarte gewesen, die in Witten abgestempelt worden war. Tatsächlich handelte es sich um einen Wittener Studenten, der bereits im Jahr 1965 zu einer Wanderung in die Schweiz aufgebrochen und nicht mehr wiedergekommen war.
„Es ist für Angehörige auch nach vielen Jahren eine Erleichterung, wenn sie Klarheit darüber bekommen, was mit der Person passiert ist“, sagt Stenzel.