Bochum/Witten. . 1965 verschwindet ein 22-jähriger Wittener in den Schweizer Alpen. Im August 2018 wird ein Knochen gefunden. Ein Rätsel löst sich nach 53 Jahren.

Es ist eine Tragödie, die nach 53 Jahren ein Ende findet: 1965 verschwindet der 22-jährige Wittener Jürgen, Pharmazie-Student der Ruhr-Universität, in den Schweizer Alpen. Die intensive Suche nach ihm bleibt erfolglos, sein Verbleib ein Rätsel, das sich nun ein halbes Jahrhundert später löst – durch einen WAZ-Bericht über Vermisste.

Im August dieses Jahres findet jemand in der Nähe von Wiler, einem 500-Einwohner-Dorf im Kanton Wallis, einen Oberschenkelknochen, daneben ein Rucksack. In dem Wandergepäck entdecken die Schweizer Beamten eine Fahrkarte, abgestempelt 1965 in Witten. Sie kontaktieren die hiesige Polizei. In deren Akten findet sich aber kein Vermisstenfall aus dieser Zeit.

WAZ-Bericht über Vermisstenfälle

Am 25. September dieses Jahres berichtet die WAZ über Vermisstenfälle in Bochum. Dienststellenleiter Georg Stenzel und Vermissten-Beauftragter Michael Kreggenfeld erzählen auch von skurrilen Fällen, wie dem Oberschenkelknochen, der kürzlich in den Alpen gefunden wurde.

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Am diesem Dienstagmorgen sitzt Lothar S. mit seiner Frau am Frühstückstisch in Wattenscheid, als sie sagt: „Schau mal, das könnte was mit deinem Vetter zu tun haben.“ Der 69-Jährige ruft sofort seine Cousine an, die Schwester des 1965 verschollenen jungen Mannes. Sie lebt mittlerweile in Ostwestfalen. Die Seniorin kontaktiert die Polizei; ein Beamter kommt vorbei, entnimmt eine Speichelprobe und schickt sie nach Bern. Anfang November kommt der Anruf aus der Schweizer Hauptstadt: Mit 99,9-prozentiger Sicherheit stammt der gefundene Knochen von ihrem Bruder.

Mann aus Witten wird 1977 für tot erklärt

Der 22-Jährige war im August zu einem Bergsteiger-Kurs in die Schweiz aufgebrochen. Er ist ambitionierter Alpinist. Seine Mutter sagt ihm: „Jürgen, geh’ nicht allein in der Berge.“ Und er verspricht ihr: „Nein, Mutti, keine Angst.“

Aber er hält sein Versprechen nicht. Nach dem Lehrgang will er mit einem Kollegen eine Tour starten. Das Wetter verschlechtert sich, der Kollege sagt ab und der Wittener wandert alleine los. Er trägt sich auf den Hütten ein, an denen er vorbeikommt, aber am 2. September verliert sich seine Spur. Seine Eltern in Witten hören nichts mehr von ihm.

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Die Bergwacht startet zwei Suchaktionen, der Vater des 22-Jährigen finanziert privat eine weitere. Mit einem gemieteten Jeep fahren die Eltern selbst den Spuren des Sohnes hinterher. Aber erfolglos: Der junge Mann wird 1977 für tot erklärt – so spät, „weil wir immer noch hofften, ihn zu finden“, sagt Lothar S.. Die Medien berichten ausführlich, auch deshalb will der Wattenscheider weder seinen Namen noch den seines Cousins vollständig in der Zeitung lesen.

Schwester des Toten kann endlich mit dem Kapitel abschließen

Seine Tante und Onkel sterben schließlich, ohne zu wissen, was mit ihrem Sohn geschehen ist. Die Großfamilie, deren Mitglieder sich sehr nahe stehen, lebt Jahrzehnte mit dem tragischen Verlust, der nicht aufgeklärt wird.

„Eine Familientragödie wurde aufgelöst“, sagt Lothar S. heute. Seine Cousine sei sehr erleichtert. „Sie kann endlich mit dem Kapitel abschließen.“ Die Familie will nun den Knochen hierher bringen und beerdigen lassen – und nach 53 Jahren ihren Frieden machen.