Witten. Die Entscheidung für Ennepetal als Impfzentrum ist umstritten. Was sagen die Kritiker und was hätte sich der Bürgermeister von Witten gewünscht?
Von einem Proteststurm zu sprechen, wäre übertrieben. Aber es gibt Kritik aus Witten an der Entscheidung des EN-Kreises, das Corona-Impfzentrum im 33 Kilometer entfernten Ennepetal aufzubauen. Der bevölkerungsstärkere Nordkreis werde wieder einmal vergessen.
„Zum Impfzentrum nach Dortmund hätte ich 11 Kilometer, nach Ennepetal ganze 33 km“, schreibt zum Beispiel Marek Schirmer aus Witten an die WAZ-Redaktion. Von einer kurzen Anreise könne keine Rede sein,
zumal neben dem Impfzentrum gerade ein Kreisverkehr gebaut werde
und die Kölner Straße halbseitig gesperrt sei.
RE 4 fährt stündlich ab Witten nach Ennepetal
Auch der Hinweis der Kreisbehörde, man komme gut mit dem ÖPNV nach Ennepetal, wird kritisch gesehen. „Vom Bahnhof Ennepetal fährt kein Bus direkt zum Impfzentrum“, schreibt Schirmer. Zwei Busse aus Schwelm hielten zwar direkt davor, „benötigen aber ganze 20 Minuten zuzüglich Verspätung durch den Stau“. Sein Fazit: „Diese Standortwahl wird die Impfbereitschaft sicherlich nicht befeuern.“
Das gehört zur Wahrheit aber auch dazu: Stündlich fährt ab Witten zum Beispiel der RE 4 nach Wuppertal über Ennepetal Bahnhof. Man kann auch einen Umweg über Hagen in Kauf nehmen. Der Schnellbus 38 (ab ZOB) stoppt ebenfalls in der Stadt im Südkreis.
Das Impfzentrum liegt an der alten B 7.
Aber natürlich: Der Aufwand hin und zurück ist deutlich größer und für ältere, gehbehinderte Menschen oder Mütter mit kleineren Kindern wohl kaum zu schaffen.
Wittens Bürgermeister Lars König spricht von einer „halben Tagesreise“. Leserin Gabriele Mattheis-Wiedersprecher weist darauf hin, dass man noch mehrmals umsteigen müsse. Sie wohne an der Dürener Straße und bräuchte mit öffentlichen Verkehrsmitteln mindestens anderthalb Stunden für einen Weg. Ihre Kritik teilen viele: „Witten als größte Stadt des Kreises wird mal wieder außen vorgelassen.“
Leser befürchtet Ansteckung auf langer Anreise im Bus
Mit dem eigenen Wagen dauert es von Witten ungefähr eine halbe Stunde. „Senioren und Behinderte ohne Auto sollen wohl nicht geimpft werden. Weil sie gar nicht erst dahinkommen“, schreibt ein Leser bei Facebook. Dort hat Michael Schäfer bissig kommentiert: „Stunde im Bus, um sich vorher noch anstecken zu lassen.“ Und Emre Yildirim fragt: „Ist die Mitte vom EN-Kreis Ennepetal?“
Die Mitte sei ein Steinbruch in Wetter-Albringhausen,
sagt Landrat Olaf Schade, der die Standortwahl verteidigt.
Der Bahnhof Ennepetal sei keinen Kilometer entfernt, es gebe zwei Schnellbuslinien. Der SPD-Politiker spricht von einem gut erreichbaren, zentralen Standort. Schade: „Ennepetal liegt nicht hinter den sieben Bergen.“
Leerstehender Aldi-Markt in Ennepetal war schnell verfügbar
Neben der Lage war vor allem die schnelle Verfügbarkeit des Objekts, ein leerstehender Aldi-Markt, ein ausschlaggebendes Kriterium. „Wir müssen das Impfzentrum sehr kurzfristig leistungsfähig kriegen“, sagt Schade.
Corona sei eine leider immer noch tödliche Krankheit. „Da spielt Zeit auch eine wichtige Rolle.“ Wie berichtet, will man bis Mitte Dezember startklar sein. Schade widerspricht Behauptungen, mit der Entscheidung für Ennepetal habe man vor allem auf die Mitarbeiter aus dem Kreishaus und Gesundheitsamt in Schwelm Rücksicht nehmen wollen, die demnächst dort arbeiten müssen.
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Der Landrat räumt ein, dass man vor der Auswahl des Objekts keine Abfrage mehr bei den Städten gemacht habe. „Wir haben pragmatisch geguckt, wie wir schnell an eine Immobilie kommen“, sagt der Hattinger.
Bürgermeister wie Lars König aus Witten
hätten sich einen anderen Beteiligungsprozess gewünscht. „Jetzt ist die Messe gelesen“, sagt König.
Wie werden die mobilen Impfeinheiten eingesetzt?
Der CDU-Politiker hätte zumindest gerne darüber nachgedacht, ob nicht auch im dichter besiedelten Nordkreis Objekte zur Verfügung gestanden hätten – wie zum Beispiel der leerstehende Kaufhof in Witten.
Nun fragt er sich, wie die ebenfalls geplanten mobilen Impfeinheiten eingesetzt werden sollen. „Werden sie zum Beispiel Menschen mit einem Rollator zuhause aufsuchen oder stehen sie mit einem umgebauten Lkw in Witten auf dem Marktplatz?“
Nun, der Kreis hat angekündigt, diese mobilen Teams zunächst zum Impfen in die Pflegeheime schicken zu wollen. Landrat Schade versichert: „Wo es keine Transportmöglichkeiten gibt, wird es dezentrale Lösungen geben.“