Witten. Respekt: 5648 Mitglieder zählt die Wittener Gruppe „Share & Care“ bereits. Hier gibt es Gebrauchtes gratis. Brauchen Sie vielleicht eine Orgel?
Weggeben statt wegschmeißen: Bereits 5648 Mitglieder – vom Studenten bis zum Rentner – zählt die Facebook-Gruppe „Share & Care Witten/Herdecke“. Sie will dafür sorgen, dass Gebrauchtes nicht auf dem Müll landet, sondern ein neues Zuhause bekommt. Vom Schlafzimmerschrank bis zur Zimmerpflanze, hier ist vieles im Angebot. Der Clou: Alles ist umsonst – es wird verschenkt, nicht verkauft.
Gerade ist eine Heimorgel eingestellt worden, abzuholen in der Innenstadt, in Annen gibt’s einen Schwibbogen. Sachen von Wert – Sachen mit Wert : „Wir hatten schon ganze Einbauküchen, Computer, Waschmaschinen“, erzählt Britta Boueke, die die Gruppe seit vier Jahren als Administratorin begleitet. Alles für umsonst – warum bieten die Besitzer ihre Sachen nicht lieber in den Kleinanzeigen an? „Weil das oft nervig ist, da wird gefeilscht und man muss sich häufig rumärgern“, weiß die 50-Jährige aus eigener Erfahrung: „Da gebe ich meine Sachen lieber jemandem, von dem ich weiß, dass er sie gebrauchen kann und sich darüber freut.“
Mehrere Gruppen sind nach Wittener Vorbild gegründet worden
Als studentische Nachbarbarschaftshilfe ist die Initiative im Juni 2013 gegründet worden. Damals lagen die Wittener damit ganz weit vorn, ähnliches gab es im Umkreis nur in Düsseldorf, sagt Britta Boueke, die im Wiesenviertel eine Fußpflege-Praxis betreibt . Längst hat der Trend zu mehr Nachhaltigkeit auch die Nachbarstädte erreicht. Viele Share & Care-Gruppen wurden gegründet, manche nach Wittener Vorbild. Aber längst nicht alle laufen so gut – die in Dortmund etwa hat bislang gerade mal 618 Mitglieder.
Vielleicht macht das den Erfolg der Bewegung aus: Share & Care ist nicht nur eine Plattform für Schenker. Es können sich auch die melden, die etwas brauchen. Sabine sucht dringend einen Laptop, Yvonne hätte gerne Weihnachtsdeko – alles außer Kugeln. Manche Anfrage klingt schon ziemlich unbescheiden, so wie die nach einem Apple-Rechner. „Ja, manchmal denkt man: Ganz schön unverschämt“, gibt Britta Boueke zu. Aber sie betont auch: „Fragen ist erlaubt – und wo steht, dass ich nur eine Bitte haben darf?“ Die Schnorrer würden ohnehin recht schnell auffallen. „Das regelt sich schon in der Gruppe.“
Wittener Administratoren überprüfen jedes Angebot vor der Veröffentlichung
Alles was sich nicht regelt, das übernehmen die Admins in oft stundenlanger Kleinarbeit. Sie überprüfen jeden Post, bevor er fürs Netz freigegeben wird. Verschreibungspflichtige Medikamente sind ebenso tabu wie fleckige, durchgelegene Matratzen oder defekte Maschinen. „Die Gruppe ist kein Müllabladeplatz “, betont Boueke. Die Bitte des jungen Mannes, der über „Share & Care“ die Liebe suchte, wurde hingegen veröffentlicht. Unklar ist aber, ob er sie auch gefunden hat.
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Möglich wäre es, zumindest wenn er nett gefragt hat: Denn wer den Zuschlag bekommt, das entscheiden allein die Anbieter. Da macht der Ton also die Musik. „Höflich nachfragen, im ganzen Satz schreiben, sich bedanken“, so erklärt die Leiterin die Nettiquette in der Gruppe. Und zuverlässig sein: Es sei einfach ärgerlich, wenn jemand nicht zum vereinbarten Treffpunkt komme oder bei der Übergabe nicht daheim sei.
Aus Kontakten über die Gruppe werden Bekanntschaften
Und auch geht gar nicht: „Wenn wir Sachen, die verschenkt wurden, anschließend auf Flohmarkt-Portalen wiederfinden“, so Boueke. Da hielten alle zehn Admins schon ihre Augen offen. „Und dann fliegt auch schon mal ein Mitglied raus.“ Das passiere aber zum Glück nur selten. Insgesamt sei der Umgangston in der Gruppe sehr freundlich. „Für mich ist sie eine echte Bereicherung.“
Das versichert auch Renja, die seit vier Jahren bei „Share & Care“ Mitglied ist. Sie erzählt, dass sie schon viele nette Kontakte über die Gruppe hatte. „Aus einigen sind sogar Bekanntschaften geworden.“ Die 34-Jährige ist recht aktiv hier, hat schon viel verschenkt. „Ich schaue immer, was die Leute suchen. Und bevor es bei mir ungenutzt rumsteht, gebe ich es lieber ab“, sagt sie. Ob es ihr dabei ums Aufräumen oder ums Helfen geht? „Ich denke, das geht Hand in Hand.“
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