Witten. Altenheime in Witten wünschen sich mehr Heimbesuche von Fachärzten. Vor allem für demente Menschen sei eine Versorgung in den Häusern wichtig.
Es ist immer ein großer Schritt: Senioren, die in ein Altenheim ziehen, lassen nicht nur ihr früheres Leben, ihr eigenes Zuhause hinter sich. Nicht selten müssen sie sich auch von Ärzten verabschieden, die sie viele Jahre behandelt haben, die sie gut kennen. Weil für Mediziner Fahrten quer durch Witten oftmals zu zeitaufwendig sind und diese auch nicht angemessen entlohnt werden, wie es heißt. Seniorenheime und deren Bewohner stellt dies manchmal vor Probleme – wie etwa das Haus Buschey in Bommern.
Kerstin Hemmerling ist Pflegedienstleiterin der Einrichtung, in der rund 80 alte Menschen leben. Die Bommeraner Ärzte würden ihr Haus sehr zuverlässig besuchen, sagt Hemmerling. Kämen neue Bewohner aus Nachbarstädten in ihr Heim, werde es mit der hausärztlichen Versorgung aber schwieriger. Für Mediziner aus Nachbarstädten sei ein Besuch in Bommern mit einem großen zeitlichen Einsatz verbunden und werde auch nicht ausreichend vergütet. Hemmerling: „Schon wenn ein Arzt aus Annen zu uns kommt, fährt er hin und zurück schon fast eine Stunde – je nach Verkehrsaufkommen.“ Müssten Hausärzte für neue Heimbewohner gefunden werden, sei dies daher nicht immer ein leichtes Unterfangen. „Gute Hausarzt-Praxen sind außerdem voll.“
Fachärzte in Witten haben manchmal Wartezeiten von bis zu einem halben Jahr
Sehr kompliziert sei es auch, Fachärzte wie Kardiologen oder Gastroenterologen ins Haus zu bekommen. Müssten diese dann in ihren Praxen aufgesucht werden, sei dies für Heimbewohner oft eine stressige Situation. Rund 70 Prozent der Senioren im Haus Buschey seien dement. Kerstin Hemmerling: „Wenn kein Angehöriger mit zum Arzt fährt, müssen wir eine Begleitperson mitschicken, die uns dann bei der Arbeit fehlt.“ Überhaupt einen zeitnahen Termin beim Facharzt zu bekommen, sei häufig schwierig. „Da gibt es manchmal Wartezeiten von bis zu einem halben Jahr.“
Der Arbeitskreis Heimversorgung
Der Wittener Hausarzt Dr. Daniel Pötter ist Leiter des Arbeitskreises Heimversorgung. Dieser wurde 2015 von Wittener Altenheimen, niedergelassenen Haus- und Fachärzte sowie Apothekern gegründet, um die Versorgung von Bewohnern von Seniorenheimen zu verbessern.
Heute sind auch das Marien-Hospital und das EvK Witten Mitglieder des Arbeitskreises. Themen, die in diesem unter anderem besprochen werden, sind unter anderem die Weiterbildung von Mitarbeitern, der Umgang mit Medikamenten, sowie der Austausch zwischen Heimen, Haus- und Fachärzten sowie den Kliniken.
Jennifer Klinge, Pflegedienst-Chefin im Bommeraner Lutherhaus, hat ebenfalls Probleme, Fachärzte für alle Fachrichtungen für ihre Einrichtung zu gewinnen. „Wir haben zum Beispiel keinen Chirurgen, der uns besucht.“ Eine Versorgung von Menschen im Heim sei aber wichtig, „weil wir – wie andere Seniorenheime auch – viele demente Bewohner haben und versuchen, ihnen Klinikaufenthalte zu ersparen“. Auch dem Awo-Seniorenzentrum Egge fehlt ein Chirurg, der Heimbesuche macht. Mit Hautärzten sei es ebenfalls schwierig, heißt es. „Da muss man schon dahinter sein. Vor einigen Jahren war das noch anders“, so eine Pflegekraft.
„Klinikaufenthalte verschlechtern den Zustand dementer Menschen“
Hedwig Deppe, Pflegedienstleiterin des St. Josefshauses in Herbede, hat keine Probleme mit der hausärztlichen Versorgung der Bewohner ihres katholischen Altenzentrums. Herbeder Ärzte aus dem Rathaus der Medizin kämen ins Haus. Deppe: „Da sind wir dankbar, dass wir sie haben.“ Aber auch sie findet es „total schwierig“, Fachmediziner ins Haus zu holen – zum Beispiel für eine neurologische Behandlung. „Das macht für uns zum Glück Dr. Deppe.“ Auch Hedwig Deppe betont, dass eine Versorgung im Heim eine sehr wichtige Sache sei: „Klinikaufenthalte verschlechtern den Zustand dementer Menschen. Für sie ist die kleinste Veränderung schon zu viel.“
Dr. Arne Meinshausen, Geschäftsführer der ärztlichen Qualitätsgemeinschaft Witten, sieht die Stadt hausärztlich gut versorgt, wie er betont. „In der Regel betreuen Kollegen, die in der Nähe eines Altenheims ihre Praxis haben, die Einrichtung.“ Schwierig sei es in Witten aber in der Tat, die fachärztliche Versorgung in den Heimen sicherzustellen. „Fachärzte werden in Heimen dringend benötigt, haben für Besuche dort aber eigentlich keine Zeit.“ Vor allem Neurologen, Urologen und Hautärzte würden für die Versorgung fehlen.
In den nächsten zehn Jahren geht rund die Hälfte der Hausärzte in Witten in Rente
Dr. Daniel Pötter ist ein Hausarzt, für den Hausbesuche zu seinem Arzt-Leben gehören, wie er sagt. Dies habe er so von seinem Vater gelernt. Mit diesem betreibt der 42-Jährige eine Gemeinschaftspraxis für Allgemein- und Palliativmedizin an der Ardeystraße. Vater und Sohn behandeln Patienten in allen Wittener Heimen. Für einen Hausbesuch erhalten sie jeweils rund 20 Euro – plus Fahrtkosten. Daniel Pötter: „Bis zum Lutherhaus in Bommern macht das zum Beispiel 2,80 Euro pro Strecke.“ Wenn man als Hausarzt zwei oder drei Patienten in einem Seniorenheim besuche, lohne sich der Einsatz jedoch auch rein finanziell betrachtet.
Dass Heime in Witten Probleme mit der fachärztlichen Versorgung haben, liege daran, dass die Praxen von Wittener Fachärzten total überlaufen seien. So gebe es zum Beispiel zu wenige Augenärzte und Neurologen in der Stadt. Ambulante Chirurgen, die Bewohner in Altenheimen versorgten, könnten dies zudem mit den Kassen nicht abrechnen, so Pötter. Beim Thema hausärztliche Versorgung sieht der Mediziner auf Witten schwierige Zeiten zukommen. „In den nächsten zehn Jahren wird aus Altersgründen rund die Hälfte der Hausärzte in Witten ausscheiden und es kommen zu wenige nach.“
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