Witten. Regen hat die Seebrücke-Unterstützer in Witten nicht davon abgehalten, für die Aufnahme von mehr Moria-Geflüchteten zu demonstrieren.
Die humanitäre Katastrophe im griechischen Flüchtlingslager Moria lässt die Menschen nicht kalt – auch nicht in Witten. Trotz strömenden Regens sind am Samstag etwa 100 Teilnehmer zur Kundgebung der Wittener „Seebrücke“ gekommen. Unter dem Motto „Evakuiert Moria! Witten hat Platz!“ haben sie am Rathaus demonstriert. Ihre Forderung ist eindeutig: Witten muss mehr Menschen aufnehmen.
Die Seebrücke Witten will weiter machen, bis die Forderungen erfüllt sind
Jakob Erens freut sich über den Zulauf. Der 17-Jährige hatte schon im Mai dafür gesorgt, dass die Stadt Witten die Initiative „Seebrücke“ unterstützt und somit zum „sicheren Hafen“ für Geflüchtete wird. „Bei schönem Wetter wären es sicherlich noch mehr Menschen gewesen, aber dass trotz Regen so viele kommen, zeigt, wie viel Zuspruch die Initiative aus der Wittener Bevölkerung bekommt“, so der 17-jährige Schüler.
Worum es bei der „Seebrücke“ geht, zeigen die tropfnassen Plakate, die Mitglieder der Initiative an der Bumerang-Haltestelle aufgehängt haben. Zu lesen sind Parolen wie „Lager evakuieren! Grenzenlose Solidarität!“ und „Rassismus tötet“.
Jakob Erens ist der erste Redner an diesem grauen Nachmittag. Der junge Aktivist macht in seinem Beitrag deutlich, dass die Mitglieder der „Seebrücke“ weitermachen wollen, „bis alle Geflüchteten evakuiert werden“.
Was in Moria passiere, sei ein Verbrechen an den Menschen. „Obdachlose im Stich zu lassen, Menschen ertrinken zu lassen, das können keine europäischen Werte sein“, so der Wittener in seiner emotionalen Ansprache, für die er viel Applaus bekommt. Auch Demonstrant Ralph Klein nickt zustimmend. „Unsere Gesellschaft muss viel mehr Humanität zeigen. Dass die Städte aktiv werden, ist längst überfällig“, sagt der 65-jährige.
Im September nahm Witten sieben Geflüchtete auf
In Deutschland haben inzwischen 186 Kommunen ihre Bereitschaft signalisiert, geflüchtete Menschen aus Moria aufzunehmen – auch Witten ist darunter. Ob aber tatsächlich Flüchtlinge in die Ruhrstadt kommen werden, ist noch unklar. Denn die Reihenfolge der Zuweisung richtet sich nach der aktuellen Erfüllungsquote. Die gibt an, wie viele Geflüchtete bereits in einer Stadt leben. Wittens Kapazitäten sind demnach bereits zu 94 Prozent erfüllt. Damit befindet sich Witten im Mittelfeld aller Städte in NRW. Kommunen, die bislang weniger Menschen aufgenommen haben, bekommen daher eher Zuweisungen von Moria-Geflüchteten. Allerdings: Ende September hat die Stadt eine siebenköpfige Familie aufgenommen, die jedoch nicht aus Moria stammt.
Für die Initiatoren der „Seebrücke“ ist das nicht genug: Sie fordern, zusätzlich zur Verteilquote weitere Menschen aufzunehmen. .„Wir haben mehr als genug Platz, aber nichts passiert“, sagt Jakob Erens verärgert und lässt seinen Blick über die Menge schweifen. Viele der Demonstranten halten Fahnen in Orange als Symbol ihrer Zustimmung in die Höhe. Der Staat blockiere die aufnahmebereiten Kommunen. „Das muss endlich aufhören!“
Die Wittener Seebrücke bekommt Unterstützung aus den Nachbarstädten
Das sieht auch Lilo Dannert so. „Es ist traurig, wie das Asylrecht seit Jahren vom Staat untergraben wird“, so die Leiterin des Help-Kiosk, die am Samstagnachmittag ebenfalls zur Demonstration in der Stadt gekommen ist.
Auch aus den Nachbarstädten bekommt die Wittener „Seebrücke“ Unterstützung. Daniela von der „Seebrücke“ aus Bochum betont, wie wichtig dieser Zusammenhalt zwischen den Initiativen sei. „Wir wollen unsere Zusammenarbeit verstärken und uns mit Städten wie Witten vernetzen“, sagt die Aktivistin. Die Abschottungspolitik sorge dafür, dass mittlerweile kaum noch Geflüchtete aufgenommen werden. „NRW ist Spitzenreiter unter den Bundesländern bei den Abschiebungen“, so das Seebrücken-Mitglied.
Seebrücke ist parteiunabhängig
Wer Interesse daran hat, Teil der Wittener Seebrücke zu werden, kann die Initiative über Facebook, Instagram oder Twitter erreichen.
Aktivist Jakob Erens bezeichnet die Seebrücke entschieden als „parteiunabhängig“. Bei Demonstrationen sind keine Partei-Banner erlaubt. Weitere Infos gibt es unter www.seebruecke.org.
Ihren Redebeitrag beendet die Bochumerin mit dem Ausruf „Kein Mensch ist illegal – Bleiberecht überall!“. Die anderen Demonstranten wiederholen die Parole laut und klatschen. Bei dieser Forderung sind sich alle Teilnehmer einig.
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