Witten. Kurz vor der Wahl stellt sich die Politik in Witten beim Abriss der alten Ruhrbrücke voll hinter Herbede. Das Dorf will nicht abgehängt werden.

Erbitterten Widerstand hat Dr. Arne Meinshausen als Sprecher Herbeder Vereine und Initiativen angekündigt, falls Straßen NRW die Pläne für den Neubau der Ruhrbrücken wie beabsichtigt durchzieht und eine jahrelange Vollsperrung die Konsequenz wäre. „Unsere Hauptschlagader ist die Brücke zwischen Herbede und Witten“, sagte der Mediziner. Deshalb dürfe der Ortsteil nicht jahrelang abgeschnitten werden. Im Verkehrsausschuss stellte sich die Politik 14 Tage vor der Kommunalwahl jetzt voll hinter die Interessen der Herbeder Bürger – und es gab reichlich Kritik am Landesbetrieb.

Meinshausen warnte vor den Auswirkungen einer langen Vollsperrung auf die Menschen, ob Geschäftsleute, Patienten, Pendler oder Anwohner generell. „Meine Frau geht dann nicht mehr zu Keudel in der Wittener Innenstadt, sondern fährt gleich weiter zu Baltz nach Bochum“, griff der Hausarzt die Sorgen des Einzelhandels auf.

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Mediziner: Nicht nur Herbede, sondern ganz Witten wäre betroffen

Mindestens ebenso schlimm werde es für Kranke, die schwach und behindert seien und dann große Umwege in Kauf nehmen müssten. „Die normale tägliche Versorgung wird auf eine harte Probe gestellt, wenn Herbede vier Jahre abgeschnitten wird“, so Meinshausen, dessen Praxis direkt an der Brücke liegt, im Rathaus der Medizin. Nicht nur Herbede, sondern ganz Witten wäre betroffen, meint er. „Wir versorgen mit zehn Haus- und Kinderärzten 30 Prozent der Bevölkerung.“ Deshalb dürfe es einen Abriss der maroden alten Brücke erst nach einem Neubau geben oder wenn während der Bauzeit eine Ersatzbrücke zur Verfügung stehe.

Straßen NRW hat bekanntlich andere Pläne. Es will alle drei Brücken an der bisherigen Stelle neu bauen – möglichst hintereinander weg und dafür die wichtige Verkehrsverbindung ab 2024 komplett sperren. Von drei, wenn nicht vier Jahren Bauzeit war bisher die Rede. Im Verkehrsausschuss weckte Thomas Schittkowski von Straßen NRW jetzt Hoffnungen, dass es am Ende vielleicht nur zweieinhalb Jahre werden könnten. „Bei einer Komplettsperrung haben wir das Baufeld ganz für uns, wir haben mehr Platz und Raum.“ In diesem Falle ließen sich einfacher „Beschleunigungen“ mit den beteiligten Firmen vereinbaren. Schittkowski: „Wir starten gedanklich bei drei Jahren und landen voraussichtlich bei zweieinhalb.“

Politiker aus Witten: Straßen NRW soll endlich an die Menschen denken

Das konnte die Politik aber noch nicht milde stimmen. Sie forderte Straßen NRW auf, bei den Planungen an die Menschen zu denken. „Dazu habe ich kein Wort gehört“, sagte SPD-Fraktionschef Uwe Rath an die Adresse des Vertreters des Landesbetriebs. Die Interessen der Herbeder müssten in ausgewogener Form berücksichtigt werden, forderte Rath, der selbst in Vormholz lebt. „Augen zu und durch ist hier nicht zielführend.“ Er könne sich eine südlich versetzte Parallelbrücke vorstellen, so der Sozialdemokrat.

Zwei Brücken führen über Ruhr und Mühlengraben.
Zwei Brücken führen über Ruhr und Mühlengraben. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Gemeint ist ein Parallelbau, nach dem auch Hermann Claßen vom Bürgerforum gefragt hatte. Technisch sei dieser im Bereich der Ruhrbrücke möglich, so der Sprecher von Straßen NRW. Verworfen hat der Landesbetrieb eine Nordvariante, die – anders als die jetzt drei vorhandenen Brücken – als ein durchgehender Brückenzug daherkäme, „wie eine Hochstraße in New York oder Tokio“, sagte Stadtbaurat Stefan Rommelfanger – und laut Straßen NRW mit 40 Millionen Euro doppelt so teuer wäre wie der bisher angedachte Neubau.

Stadtbaurat aus Witten sagt Prüfung einer südlichen Parallelbrücke zu

„Einzige Alternative wäre eine Variante südlich der heutigen Ruhrbrücke. Das könnte als Ersatz funktionieren“, sagte der Wittener Stadtbaurat. Weil sie bei Haus Herbede enden würde, müssten hier unter anderem noch denkmalschützerische Belange geprüft werden. Auch hier werde es eng. Rommelfanger: „Wir nehmen als Votum der Politik mit, eine Südvariante zu prüfen.“

Dabei geht es immer nur um die Ruhrbrücke, die am längsten ist. Unstrittig ist, dass die heutige Omega-Brücke – über der Bahnlinie – nur an der bisherigen Stelle neu gebaut werden könnte – und dafür eine Vollsperrung unabdingbar ist. Allein dieser Neubau könnte wegen der schwierigen Verhältnisse bis zu zweieinhalb Jahre dauern, so Straßen NRW. Fazit Rommelfangers: „Wir müssen darüber reden, wie die Bauzeit zu verkürzen ist.“ Darin sind sich alle Parteien einig.

Verzicht auf Eisenbahnbrücke wegen zu starkem Autoverkehr nicht möglich

Ohne Brücke über der Bahnlinie geht es nicht: Zwar fahren nur wenige Züge unter der Omegabrücke in Witten-Herbede her. Doch eine Straße mit Bahnübergang wäre an dieser Stelle nicht möglich, weil dort zu viele Autos herfahren.
Ohne Brücke über der Bahnlinie geht es nicht: Zwar fahren nur wenige Züge unter der Omegabrücke in Witten-Herbede her. Doch eine Straße mit Bahnübergang wäre an dieser Stelle nicht möglich, weil dort zu viele Autos herfahren. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Julian Fennhahn von der CDU hatte vorgeschlagen, auf die Omegabrücke über der Bahnlinie zu verzichten und stattdessen die Straße höhengleich mit einem Bahnübergang herzustellen – inklusive einem „schönen Entree“ als Ortseingang. Doch diese Ausnahme vom Eisenbahnkreuzungsgesetz käme laut Straßen NRW nicht in Frage. Selbst wenn hier nur wenige Züge herführen – die Straße sei mit täglich 13.000 Pkw viel zu stark befahren. Applaus bekam der Unionspolitiker für seinen Appell an Straßen NRW: „Bitte hängen Sie den Stadtteil nicht ab.“

  Einen schnellen Neubau der Lakebrücke in Witten fordert Ulla Weiß von der Linkspartei. Dort kämen sich Fußgänger und Radfahrer ins Gehege, weil sie so eng sei.
Einen schnellen Neubau der Lakebrücke in Witten fordert Ulla Weiß von der Linkspartei. Dort kämen sich Fußgänger und Radfahrer ins Gehege, weil sie so eng sei. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Ulla Weiß von der Linkspartei machte sich für einen schnellen Neubau der Lakebrücke stark, wo sich heute Fahradfahrer, Fußgänger und Inliner ins Gehege kommen. Dies, machten aber alle Beteiligten klar, könne kein Ersatz für einen Abriss der Ruhrbrücke sein. Roland Löpke von den Piraten forderte eine Lösung, „wir wollen nicht mehr hören, warum etwas nicht mehr geht.“ Die von Straßen NRW bisher angedachte Vollsperrung wäre nach Worten Löpkes „tödlich“. Nun sollen Alternativplanungen her, die die Stadt auch in einer Bürgerversammlung vor Ort vorstellen will.