Witten. Der strenggläubige Norman Kerner will Bürgermeister von Witten werden. Politisch ist er bislang ein unbeschriebenes Blatt. Was er verändern will.
Auf der politischen Bühne bewegt sich Norman Kerner noch nicht lange. Vor rund zwei Monaten ist der gebürtige Wittener in die Partei „Bündnis C - Christen für Deutschland“ eingetreten. Dennoch will der 56-Jährige bei der Kommunalwahl neuer Bürgermeister von Witten werden – und sieht sich dafür gut gerüstet.
30 Jahre lang arbeitete der Stockumer in der IT-Branche. Er war Projektmanager und übernahm Strategieplanungen. Danach war er zehn Jahre „auf der Straße“, kümmerte sich etwa um Obdachlose, Drogenabhängige oder Flüchtlinge. Wie er und seine Familie ihr Leben in dieser Zeit finanziert haben, möchte er aber nicht verraten. Nur soviel: Von Sozialleistungen sei man nicht abhängig.
Bürgermeisterkandidat von Witten würde gerne die Autobahn überdachen
Offiziell geht Kerner als parteiloser Kandidat ins Rennen ums Rathaus. Einen Ortsverband von Bündnis C gibt es auch (noch) nicht. An Ideen für die Stadt mangelt es ihm aber nicht. Dabei ist Kerner kein Mann für die kleinen Verbesserungen, eher für den großen Wurf. So würde der strenggläubige Christ etwa gerne die Autobahnen überdachen.
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Das würde die Lebensqualität allein schon durch die Geräuschminderung verbessern, findet der Stockumer. Gleichzeitig könnten auf der Einhausung der Fahrbahn Solarpanel angebracht werden. Im Ruhrtal kann sich Kerner eine moderne Bebauung an den Hängen vorstellen: mit Gebäuden, die einen „zusätzlichen Wert“ schaffen, etwa weil sie begrünt und mit Solarzellen ausgestattet sind.
Mehr Teilhabe ermöglichen
Er würde auch gerne überall im Stadtgebiet Gemeinschaftsgärten aufbauen, in denen sich Menschen engagieren können. „Der Trend geht hin zu mehr Selbstversorgung“, ist sich Kerner sicher. Generell geht es ihm darum, den Bürgern der Stadt mehr Teilhabe zu ermöglichen. „Egal aus welcher gesellschaftlichen Schicht sie kommen.“
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Dem Einzelnen und den Familien solle wieder mehr Verantwortung für ihr Leben übergeben werden. „Politik muss nicht alles machen, aber sie muss ermöglichen“, so der 56-Jährige. Das bürgerschaftliche Engagement, das er an vielen Stellen schon sehe, müsse freigesetzt werden.
Keine Plakate – kein Wahlprogramm
Auf Plakate verzichtet der Überraschungskandidat. Es gibt auch kein offizielles Wahlprogramm des vierfachen Vaters, dessen Frau für die Erziehung der Kinder zuhause geblieben ist. „Ich weiß nicht, ob Programme uns weiterbringen. Ich will den Menschen Hoffnung geben.“
Recht auf Abtreibung wird abgelehnt
Für das „Bündnis C“ kandidiert Norman Kerner auch für das Ruhrparlament. Die Partei setzt auf ein traditionelles Familienbild und lehnt etwa die gleichgeschlechtliche Ehe und allgemein Bestrebungen zur Gleichstellung von Mann und Frau ab. In der Subvention öffentlicher Betreuungseinrichtungen sieht die Partei eine Benachteiligung von Eltern, die ihre Kinder zuhause erziehen.
Abtreibung bezeichnet Kerner als „größte Katastrophe aller Zeiten“. Er freue sich, dass seine Partei dieses „heiße Eisen“ anpacke. Denn Bündnis C lehnt sowohl das Recht auf Abtreibung als auch Sterbehilfe konsequent ab. Des Weiteren steht Bündnis C etwa der Europäischen Union kritisch gegenüber, fordert eine Stärkung der Nationen und die Rückgabe von Kompetenzen an die Nationalstaaten.
Konkrete Ideen für die Stadt hat Kerner aber doch schon im Gepäck, etwa mehr Naherholungsziele und Aussichtspunkte. „Denn Witten hat viel mehr Potenzial.“ Die Innenstadt soll „ein Erlebnisraum werden, den man auch ohne Konsum betreten kann“. Das Gebäude von Galeria Kaufhof könne ein „Inkubator“, also wie eine Art Brutkasten für diese Veränderung werden. Dort könnten verschiedene Projekte und kleine Läden unterkommen.
Auch wünscht sich Kerner, der in seiner Freizeit am liebsten in der Bibel liest, mehr Musik auf den Straßen und Plätzen der Stadt und Hobbyräume für Jugendliche in den Stadtteilen, in denen diese ans handwerkliche Arbeiten herangeführt werden.
Glaube ist sein Motivation
Die Motivation für seine Kandidatur ist sein Glaube. „Wir sollten anfangen zu beten“, sagt Kerner. „In der Corona-Krise haben wir auch viel zu wenig auf Gott geschaut.“ Er selbst verortet sich politisch in der Mitte. Seine Ansichten kann man aber als sehr konservativ bezeichnen. So lehnt er einen weiteren Ausbau von Kitaplätzen ab. Da sei in den letzten Jahren schon genug investiert worden. Sinnvoller findet er da schon Tagesmütter. Etwa weil die Wege kürzer seien. Oder auch, weil das eine gute berufliche Option für junge Mütter wäre. Diese könnten so ihre eigenen Kinder zuhause betreuen und gleichzeitig Geld verdienen.
„Ich höre oft, dass Frauen es als Last empfinden zu arbeiten. Sie wollen Ruhe und möchten sich ihrem Kind widmen“, sagt Kerner. Familien würden sich danach sehnen, dass ein Einkommen ausreicht. Als rückwärtsgewandt empfindet er diese Sicht aber nicht. Es habe ja lange gut so funktioniert.
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