Witten. Der Lockdown hat Christiane Schlieker-Erdmann aus Witten-Heven als Künstlerin inne halten lassen. Doch sie hat auch Neues ausprobiert.

Im Lockdown ist es ihr ergangen wie so vielen von uns: Christiane Schlieker-Erdmann hat das Unterste zuoberst gekehrt – auch als Künstlerin. Weil sie nicht die Ruhe hat, sich auf neue Arbeiten zu konzentrieren, nutzt die Frau aus Witten-Heven die Coronazeit für eine Art Retrospektive. Sie sortiert aus, was sie bislang geschaffen hat. Manches verwandelt sie auch. Und die 65-Jährige wendet sich neuen Medien zu.

Christiane Schlieker-Erdmann malt auch figürlich. „Richtig bunt, das war ich nie“, sagt die Künstlerin über ihr Werk.
Christiane Schlieker-Erdmann malt auch figürlich. „Richtig bunt, das war ich nie“, sagt die Künstlerin über ihr Werk. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Als die Pandemie begann, zeigte Christiane Schlieker-Erdmann gerade ihre Ausstellung mit dem Titel „Einfühlungen“ in Haus Herbede. Sie musste nach zwei Wochen geschlossen werden, auch die Finissage konnte nicht stattfinden. Die Performance, die dafür mit einer befreundeten jungen Frau geplant war, hat sie dann einfach als Video aufgenommen und auf ihre Homepage gestellt.

Atelier in Witten-Heven war mal ein Getränkemarkt

Sie haben sich sogar gegenseitig gefilmt. „Ich bin keine Videokünstlerin, aber es war eine sehr schöne Erfahrung für mich, etwas Neues auszuprobieren“, sagt Schlieker-Erdmann, die immer gerne den Raum und seine Lichtverhältnisse in ihre Installationen mit einbezieht. So ist etwa zu sehen, wie die junge Frau um einen wild aufgebauschten Haufen Papier kriecht, der auf dem Boden der Galerie liegt.

Papier-Knäuel: Dieses Objekt besteht aus zerrissenen und beschrifteten Papierstreifen, die dann zusammengedreht wurden.
Papier-Knäuel: Dieses Objekt besteht aus zerrissenen und beschrifteten Papierstreifen, die dann zusammengedreht wurden. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Denn Papier, das ist das Material der Künstlerin. Es füllt Wände und Böden im Atelier in Heven, das mal ein Getränkemarkt und ganz früher ein Lebensmittellädchen war. Nun versperren seidige Tücher den Blick ins Innere, denn Christiane Schlieker-Erdmann liebt die Ruhe. Manchmal ist sie jeden Tag hier. Manchmal arbeite sie draußen. „Und ich bin ja auch noch Oma und hüte die Enkelkinder“, sagt die vierfache Mutter.

Arbeiten sind immer größer und raumgreifender geworden

Links des Eingangs türmen sich riesige Papierberge. Transparentes Architektenpapier, eine Seite glänzend, die andere fein mit rosa Gouache bemalt. Die Farbe vereint Eigenschaften von Öl und Aquarell. Sie habe rollenweise Papier von Architekten geschenkt bekommen, als diese auf die Arbeit am PC umgestellt haben. In der Mitte des Ateliers steht eine Papprolle, zusammengestückelt aus einzeln bemalten Elementen. Christiane Schlieker-Erdmann entfaltet sie fürs Foto. „Ich mag es, wenn Dinge variabel sind.“ Das gilt für alle ihre Arbeiten, die im Laufe der Jahre immer größer und raumgreifender geworden seien.

Kunstakademie und Kindermalstube

Christiane Schlieker-Erdmann wurde 1955 in Dülmen geboren und hat schon als Kind gerne gemalt. Sie studierte an der Kunstakademie Düsseldorf sowie an der Uni Münster. Zwei Jahre leitete sie die Kindermalstube am Dortmunder Ostwallmuseum.

Am 26. und 27. September beteiligt sich die Hevener Künstlerin an den Ateliereinsichten in Witten und gewährt einen Einblick in ihr Schaffen. Zwei Zusagen hat sie für Ausstellungen: im Februar 2021 in der Hagenring-Galerie in Hagen-Eilpe und im Mai im Torhaus Dortmund – wenn Corona ihr nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht.

Die Künstlerin hat kein Problem damit, Werke wieder zu verwandeln, sie etwa nachträglich zu schwärzen. Sie zerschneidet, zerreißt, zerknüllt das Material. Mal geschieht das bewusst, mal zufällig. Sie dreht Papierstreifen zu Kordeln und formt daraus Kugeln. Sie schafft amorphe Formen, also unregelmäßige Muster, die zunächst wie eine Wanddeko wirken. Doch was oft abstrakt rüberkommt, ist geprägt von Schlieker-Erdmanns persönlichen Empfindungen und den Verwandlungsprozessen der Natur, als deren Teil sich die Künstlern ganz stark empfindet. Sie versucht, Schönheit und Vergänglichkeit gleichermaßen einzufangen.

Ihr Kurs für alleinerziehende Frauen ist während der Pandemie auf Eis gelegt

Christiane Schlieker-Erdmann malt auch figürlich. „Bei mir“ nennt sie die intimen Arbeiten, die Frauenkörper zeigen. Die Hevenerin steht sich dafür selbst Modell und lässt ihre jeweilige seelische Verfassung einfließen. Derzeit wären das vielleicht die Sorgen, die ihr die Corona-Zeit bereitet. Die Kurse, die sie zum Beispiel bei der Awo für alleinerziehende junge Frauen gibt, sind auf Eis gelegt. Zwar besitze sie das Privileg, nicht von ihrer Kunst leben zu müssen. „Aber ich kenne viele Kollegen, die arbeitslos sind.“

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