Witten. Im Wittener Marien-Hospital entbinden viele Frauen mit Risikoschwangerschaften. Der Kaiserschnitt ist mittlerweile ein häufig gewählter Weg.

Jedes dritte Kind im EN-Kreis kommt per Kaiserschnitt zur Welt, meldete unlängst die IKK classic mit Blick auf die Entbindungszahlen 2018. Die Krankenkasse beklagt, dass die natürliche Entbindung immer mehr durch Operationen verdrängt werde. Was auch negative gesundheitliche Folgen für Mütter und ihre Babys haben könne. Im Marien-Hospital Witten liegt die Kaiserschnittrate seit Jahren sogar bei rund 40 Prozent. Der Grund sei die Zunahme von Risikoschwangerschaften, so Prof. Sven Schiermeier, Direktor des Zentrums für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.

Starkes Übergewicht, Diabetes und insbesondere ein höheres Alter der Schwangeren seien Gründe für mehr Risikoschwangerschaften, so Schiermeier. Dank des sehr guten Versorgungsangebotes der Klinik auch für Frühgeborene würden sich viele Frauen mit einer Risikoschwangerschaft für eine Entbindung am Marien-Hospital entscheiden.

Wittener Klinik bewertet nicht den Wunsch einer Frau nach einem Kaiserschnitt

Der Mediziner betont, dass man Frauen dabei unterstütze, ihr Baby aus eigener Kraft zur Welt zu bringen. Dies sei jedoch nicht immer möglich. Würden sich Schwangere für einen Kaiserschnitt entscheiden, würden diese über die Risiken aufgeklärt. So sei es auch nicht immer möglich, nach einem Kaiserschnitt bei der nächsten Geburt natürlich zu entbinden. Schiermeier: „Hat sich eine Frau nach der Aufklärung für die Kaiserschnittgeburt entschieden, ermöglichen wir ihr diese." Die Schwangeren hätten ihre persönlichen Gründe für eine solche Wahl, „die wir nicht bewerten".

Pia Tixier hat 2009 in Witten eine Hebammenpraxis gegründet, in der sie mit sechs Kolleginnen partnerschaftlich zusammenarbeitet. Tixier lobt die Arbeit der Hebammen im Marien-Hospital, betont auch, dass die Kaiserschnittrate der Klinik mit der Betreuung von Riskoschwangerschaften zusammenhänge - wie etwa Früh- und Mehrfachgeburten.

Wittener Hebamme sieht die hohe Zahl an eingeleiteten Geburten kritisch

Ein Grund für die häufigen Kaiserschnitte deutschlandweit sei heute „auch das Bedürfnis nach Sicherheit - sowohl seitens der Kliniken wie auch seitens der Schwangeren", so der Eindruck der Hebamme. „Erlebt eine Frau ihre erste Geburt zum Beispiel als traumatisch, kann dies zu dem Wunsch nach einem Kaiserschnitt führen." Was die Hebamme auch immer wieder sieht: Frauen mit einem geplanten Kaiserschnitt seien mit diesem meist sehr glücklich und erholten sich rasch von der Operation. Falle die Entscheidung für einen Kaiserschnitt unter einer schwierigen Geburt, gehe es den Frauen nach einer solchen Entbindung oft nicht gut. „Sie müssen sich davon viel länger erholen."

Pia Tixier sieht die heute hohe Zahl an eingeleiteten Geburten kritisch. Diese Einleitungen passierten oft noch vor einer möglichen Wartezeit von sieben bis zehn Tagen. Hier würde sich die 48-Jährige oft mehr Geduld und Gelassenheit wünschen. „Manche Geburt darf länger dauern, wenn alles kontrolliert wird, was zu kontrollieren ist." Bei natürlichen Geburten erlebten Frauen in Krankenhäusern heute, dass sich nicht mehr - wie früher - eine Hebamme um eine Gebärende kümmern könne, sondern diese mehrere Frauen gleichzeitig im Kreißsaal betreuen müsse. Und dies führe dann auch dazu, dass sich Frauen während der Geburt verlassen fühlten.

Nur bis zu zehn Prozent der Kaiserschnitte sind medizinisch notwendig

Der deutsche Hebammen-Verband übt deutliche Kritik an der großen Zahl von Kaiserschnitten in Deutschland. Der Verband verweist auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Laut WHO sei lediglich eine Kaiserschnittrate von bis zu zehn Prozent medizinisch notwendig. Vom Hebammen-Verband heißt es, dass sich nur wenige Schwangere einen Kaiserschnitt wünschten. „Kaiserschnitte können Leben retten. Aber sie sollten nur im Notfall angewendet werden, da sie Risiken für die Gesundheit von Mutter und Kind bergen", so der Verband.

>>> Starke Zunahme an Kaiserschnitten

In Deutschland kommt im statistischen Mittel heute - wie im EN-Kreis - rund jedes dritte Kind per Kaiserschnitt zur Welt. Allerdings gibt es bundesweit große regionale Unterschiede.

Während laut Statistischem Bundesamt 1991 noch 15,3 Prozent der Entbindungen in Deutschland per Kaiserschnitt erfolgten, waren es 2018 mit 29,1 Prozent rund doppelt so viele.