Witten. Schicksalsschlag für Louis Goralski (5) aus Witten, der selbst ein Frühchen war: Der sehnlichst erwartete Bruder starb kurz nach der Geburt.
Der fünfjährige Louis trägt einen bunt bemalten Stein in der Hand. Den legt er vorsichtig auf ein kleines Grab. Es ist geschmückt mit Engeln und Sternen. Auf dem Holzkreuz stehen zwei Namen: Levin und Matheo. Es sind Louis’ Brüder, die hier auf dem Friedhof der Kreuzgemeinde in Witten begraben liegen. Das Schicksal hat es wieder einmal nicht gut gemeint mit Familie Goralski aus Heven. Denn eigentlich sollte Louis im März ein Geschwisterchen bekommen.
Louis selbst wurde als Frühchen mit gerade mal 460 Gramm im Marien-Hospital geboren. Sein Zwilling Levin wog 242 Gramm. Er hatte es damals, 2014, nicht ins Leben geschafft. Louis jedoch hat sich prächtig entwickelt. Er besucht die Kita Wannen der Lebenshilfe und ist ein echter Wirbelwind. Tieftraurig war er über den Tod seiner Lieblingsoma Helga, die vor etwa zweieinhalb Jahren starb. Nun hatte er sich so sehr auf ein Brüderchen gefreut.
Bei der jungen Frau aus Witten musste ein Notkaiserschnitt gemacht werden
„Meine Schwangerschaft war toll“, sagt Mama Nadine Goralski (32). Sie habe ihren Babybauch genossen. Alle Untersuchungen seien gut verlaufen. Bis zur 37. Schwangerschaftswoche. Eigentlich sollte Matheo am 19. März dieses Jahres mit einem geplanten Kaiserschnitt auf die Welt geholt werden. Doch am 3. März stellten die Ärzte fest, dass das Blut der Mutter zu wenig Sauerstoff aufwies, auch das Kind war betroffen. Plötzlich blieben die Herztöne weg. Ein Notkaiserschnitt wurde gemacht. Eine Stunde lang versuchten die Ärzte im Marien-Hospital, den Kleinen wiederzubeleben. Vergeblich.
WAZ begleitet Louis seit der Geburt
Louis Goralski kam am 25. November 2014 als Frühchen im Wittener Marien-Hospital auf die Welt. Er wog nur 460 Gramm und musste ein paar Tage später am Herzen operiert werden. Sein Bruder Levin wog 242 Gramm und starb nach 21 Tagen.
Seit damals begleitet die WAZ den inzwischen fünf Jahre alten Jungen aus Heven und berichtet regelmäßig über seine Entwicklung. Er besucht die Kita Wannen der Lebenshilfe und kommt im nächsten Jahr zur Schule.
Matheo war 54 Zentimeter groß, wog 3730 Gramm. „Er war doch ein fertiges Kind“, sagt Nadine Goralski. Doch sein Herzfehler war unentdeckt geblieben. Warum? Die Frage haben sie und ihr Mann Sebastian (31) sich tausendmal gestellt. „Warum kann uns das Schicksal nicht mal was gönnen?“ Natürlich, der Schmerz sei immer gegenwärtig. „Doch man muss ihn in ein Lächeln verwandeln“, sagt Nadine Goralski. Das ist typisch für sie. Weitermachen, auch wenn man glaubt zu zerbrechen.
Frühchen Louis: „Mama, ich kann nicht mehr fröhlich sein“
Deshalb will sie ihre Geschichte erzählen. „Es tut mir gut, darüber zu sprechen. Und vielleicht hilft es anderen Menschen, die Ähnliches erlebt haben.“ Diesmal hat sich Nadine Goralski psychologische Unterstützung geholt. Sie muss lernen, dass sie als Mutter nicht versagt hat. Via Internet kommuniziert sie mit anderen trauernden Eltern. Sie und ihr Mann reden viel miteinander und auch mit Louis. „Andere Paare“, sagt Nadine Goralski, „macht sowas kaputt. Wir halten zusammen.“
Louis haben sie gesagt, sein Bruder sei zu den Engeln geflogen, zu Levin und Oma Helga. Er hat auf seine Art reagiert. Zunächst habe er nur Quatsch gemacht. Dann habe er eines Tages gesagt: „Mama, ich kann nicht mehr fröhlich sein. Ich bin wütend auf Gott. Ich muss meinen Freunden nun sagen, dass wir doch kein Baby zuhause haben. Das ist so ungerecht.“ Inzwischen kann er wieder toben und spielen. Seine Eltern tun alles dafür, ihn glücklich zu sehen. Wissenschaftler will er gerade werden – oder Fotograf. Auch in der Kita hat die Familie viel Unterstützung erfahren.
Es ist kaum zu glauben, doch Nadine Goralski möchte trotz allem noch ein Kind. „Ich habe das Glück herausgefordert und ich werde es wieder tun“, sagt die junge Frau. „Ich kann mich einfach nicht davon verabschieden.“
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