Witten. . Bei der Geburt wog der Junge nur 460 Gramm – und musste ein paar Tage später auch noch am Herzen operiert werden. Eine Premiere im Marien-Hospital.
Als Papa und Mama mit der Zeitung sprechen wollen, schreit Louis gerade. Völlig normal für ein vier Monate altes Baby. Doch für den kleinen Kerl und seine Eltern Nadine und Sebastian Goralski, beide 26, war bis vor wenigen Tagen gar nichts normal. Denn der Junge wurde viel zu früh geboren und hat bereits eine Herz-Operation hinter sich. Letzten Samstag, sieben Tage nach seinem ursprünglich berechneten Geburtstermin, haben ihn die Ärzte im Marien-Hospital gesund nach Hause entlassen. „Ein Wunder“, sagt seine überglückliche Mama.
Endlich ist die kleine Familie zu dritt in ihrer Hevener Wohnung. Doch einer fehlt: Louis hatte einen Zwillingsbruder, Levin, der 21 Tage lang um sein Leben kämpfte – und es doch nicht schaffte. „Die Ärzte haben alles versucht“, sagt Nadine Goralski. Doch Levin wog gerade mal 242 Gramm. Auch Louis brachte nur 460 Gramm auf die Waage, als er am 25. November geboren wurde.
Komplizierte Schwangerschaft
Dass die Schwangerschaft von Anfang an recht kompliziert verlief, lag nicht nur daran, dass sich zwei Babys ankündigten. „Ich bin Diabetikerin“, sagt Nadine, „meine Durchblutung ist nicht so gut.“ Dennoch habe sie in der ersten Zeit der Schwangerschaft geraucht, wenn auch nur fünf Zigaretten am Tag, gesteht sie – und das schlechte Gewissen ist herauszuhören. Lange lag die werdende Mutter im Krankenhaus. Doch was dann geschah, hatte sie sich in ihren schlimmsten Träumen nicht vorgestellt.
In der 24. Woche habe eine Fachärztin festgestellt, dass eines der Kinder viel zu klein sei. Das Krankenhaus traf kurzerhand die Entscheidung: Wir holen die Jungen auf die Welt. Ein Schock für die Eltern, die ihren Nachwuchs auf der Frühgeborenenstation nur im Brutkasten beobachten durften. „Ich konnte gar nicht begreifen, dass das meine Kinder sind“, erinnert sich Nadine Goralski. Am 15. Dezember starb Levin, gleichzeitig erfuhren die Eltern, das sein Brüderchen vier Tage später am Herzen operiert werden musste. Kurz vor der OP durfte Nadine Goralski ihren Sohn zum ersten Mal in den Arm nehmen und mit ihm kuscheln. „Das war herrlich.“ Es sollte dem kleinen Würmchen Kraft schenken für die nächste schwierige Phase.
OP dauerte eine halbe Stunde
Die Operation fand ausnahmsweise im Marien-Hospital statt, weil der Transport in eine Spezialklinik für das Frühchen zu viel Stress bedeutet hätte. Eine halbe Stunde operierte der Kölner Kinderherzchirurg Gerardus Bennink den kleinen Louis. „Als der Professor herauskam und sagte, dass alles gut gelaufen ist, hätte ich ihn am liebsten umarmt“, sagt Nadine Goralski.
Weihnachten, Silvester – all das hatte für die jungen Eltern, die außerdem die Bestattung des kleinen Levin organisieren mussten, diesmal keine Bedeutung. Doch das neue Jahr sollte es besser mit ihnen meinen. „Mit Louis ging es zügig bergauf“, sagt seine Mama, „er hat sich überraschend gut gemacht und bewiesen, dass er leben will.“
Stück für Stück durften die Eltern sich nun im Krankenhaus selbst um die Pflege ihres Kindes kümmern. „Windeln wechseln, Fieber messen, Medikamente geben“, zählt Papa Sebastian auf. Eine gute Vorbereitung auf den anstrengenden Alltag zu Hause. Er selbst gönnt sich sieben Monate Elternzeit: „Die Familie steht jetzt im Vordergrund.“ Das sie es schaffen wird, ist für ihn keine Frage: „Wir sind ein gutes Team.“ Louis jedenfalls, der schreit nicht mehr, sondern schläft seelenruhig in seinem Bettchen.