Witten. Corona hat die Probleme des Großgetriebebauers ZF verschärft. 100 Mitarbeiter sollen gehen. Wittener Werk produziert für Belgien und Indien.
Angekündigt hatte es der Großgetriebebauer schon im Februar: ZF an der Mannesmannstraße will sich aus wirtschaftlichen Gründen von 100 Mitarbeitern trennen, die nicht in der Produktion beschäftigt sind. Jetzt werden den Betroffenen Abfindungsangebote unterbreitet. Dem Wittener ZF-Standort fehlt Arbeit.
Betriebsratschef Peter Graf sprach gegenüber unserer Redaktion von einem „Freiwilligenprogramm". Die Abfindungen, die für 100 Mitarbeiter mit Bürotätigkeiten im Werk vorgesehen seien, würden hoch ausfallen - das Ergebnis einer „harten Verhandlung", so Graf. Für jeden Angesprochenen gebe es eine individuelle Lösung. Laut Betriebsratschef sind die Angebote auch für Arbeitnehmer lukrativ, „die zwei, drei Jahre vor ihrem Renteneintritt stehen". Durch die Abfindungen sei es diesen Kollegen möglich, ohne Abzüge in den Ruhestand zu gehen.
Kurzarbeit im ZF-Werk Witten zunächst bis Ende Juni
Ein ZF-Sprecher wollte sich hierzu nicht näher äußern, betonte jedoch gegenüber unserer Redaktion, dass die Corona-Pandemie die Situation des Werkes nicht einfacher mache. Kunden hätten Aufträge storniert, beziehungsweise verschoben. Materiallieferungen aus verschiedenen Ländern der Welt, auf die man angewiesen sei, würden durch die Corona-Lage stark erschwert. „An ein normales Wirtschaften ist derzeit schwerlich zu denken." Seit April arbeiten alle Wittener ZF-Mitarbeiter in Kurzarbeit - erst einmal bis Ende Juni. Eine Verlängerung der Kurzarbeit werde derzeit bewertet, heißt es.
Bereits im Februar hatte der Unternehmens-Sprecher auf die schwache Auftragslage des Wittener Werkes hingewiesen und betont, dass der Standort, an dem derzeit rund 800 Mitarbeiter beschäftigt sind, in einer finanziell schwierigen Lage stecke. Um die mangelnde Arbeitsauslastung abzufedern, werden an der Mannesmannstraße jetzt Gusskomponenten für Großgetriebe für das ZF-Werk im belgischen Lommeln gefertigt. Ab Juli sollen die Wittener auch Verzahnungsteile für das ZF-Werk im indischen Coimbatore produzieren. „Damit können wir bis auf Weiteres Beschäftigung in Witten teilweise halten", sagte der ZF-Sprecher gegenüber unserer Redaktion.
Die Hälfte der Belegschaft arbeitet bis zum Jahresende von zuhause aus
Werkschef Ulrich Reinders hatte bei einer Informationsveranstaltung für die Belegschaft am 7. Februar angekündigt, dass ein weiterer Personalabbau gegebenenfalls nicht ausgeschlossen werden könne. Fest steht: 110 Zeitarbeitsverträge im Bereich der ZF-Produktion, die in diesem Jahr auslaufen, werden nicht verlängert.
In Witten werden Windkraft- und Industriegetriebe für einen weltweiten Markt produziert. Ab 2019 baute das ZF-Werk ein Getriebe für 9,5 Megawatt-Windturbinen – zu diesem Zeitpunkt das weltgrößte in Serie. Eine stolze Leistung: Das Getriebe war in Witten entwickelt worden. An der Mannesmannstraße gibt es auch ein Service-Center für Wind- und Industriegetriebe, in dem Großgetriebe gewartet und repariert werden können. Aufgrund der Corona-Lage arbeitet derzeit rund die Hälfte der Wittener ZF-Belegschaft im Homeoffice. Dies wolle man aufgrund der notwendigen Kontaktreduzierung auch in der zweiten Jahreshälfte fortsetzen, so der ZF-Sprecher.
>>> Weltweit tätiger Technologiekonzern
Im Dezember 2015 hatte die ZF Friedrichshafen AG die Windkraft- und Großgetriebesparte der Bosch Rexroth AG in Witten übernommen. ZF ist ein weltweit aktiver Technologiekonzern und liefert Systeme für die Mobilität von Pkw, Nutzfahrzeugen und Industrietechnik. Das Unternehmen ist mit 160.000 Mitarbeitern an rund 260 Standorten in 41 Ländern vertreten.
Der Konzern ZF hat seinen Hauptsitz in Friedrichshafen am Bodensee und ist kein börsennotiertes, sondern ein Stiftungsunternehmen. Die Aktien sind im Besitz von zwei Stiftungen. Hauptaktionär (94%) ist die Zeppelin-Stiftung. 2015 feierte ZF sein 100-jähriges Bestehen.