Witten. In einem Privatgarten an der Ruhrstraße in Witten wurde eine zugewachsene Grotte nebst Teich und Brücke entdeckt – einzigartig in Westfalen.
Denkmalpfleger haben in einem Privatgarten an der Ruhrstraße in Witten eine beachtliche Entdeckung gemacht. Auf dem Grundstück der Villa Lohmann fanden sie unter Brombeerhecken und Wildwuchs eine Gartengrotte. Diese sei „einzigartig in Westfalen“, deswegen zeichnet sie der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) als Denkmal des Monats aus.
Die Besitzerin, deren Vorfahren 1903 die Unternehmervilla gekauft hatten, lässt zurzeit den Garten umgestalten. „Ich möchte ihn gerne denkmalgerecht erhalten“, sagt sie, deswegen hatte sie den Park 2018 von Gartenbaudenkmal-Experten untersuchen lassen. Beachtenswert fanden diese die Grotte, nebst zugeschüttetem Teich und Brücke. Das Gebilde, vermutlich aus Schlackesteinen, nennen sie ein „seltenes Relikt eines gründerzeitlichen Gartens“.
Grotten als Ausstattungselemente bürgerlicher Villengärten
„Die denkmalpflegerische Bedeutung liegt unter anderem darin, dass Grotten als Ausstattungselemente bürgerlicher Villengärten kaum erhalten sind“, sagt Gartendenkmalpfleger Uwe Siekmann. Sein Kollege Marcus Weiß ergänzt: „Das Wittener Grottenbauwerk in Verbindung mit dem Teich ist das einzige in Westfalen-Lippe bekannte Beispiel für eine künstliche Grotte in einem Privatgarten aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“ Grotte, Teich und Brücke wurden im Mai 2019 in die Denkmalliste der Stadt Witten eingetragen. Der übrige Garten war allerdings so stark verändert, dass er keinen Denkmalwert hat.
Besitzerin möchte Teich und Grotte restaurieren lassen
Zurzeit wird das Gestein der Grotte untersucht. Ist es poröser Kalktuff oder nur Schlacke aus der Eisenverhüttung? „Die zum Grottenbau verwendeten Steine wurden so gesetzt, dass sie wie natürlicher Fels wirken“, erklärt Weiß. Nicht sichtbare Eisenstäbe verstärken die Konstruktion.
Beim Bau der Grotte und der Brücke wurden Mulden geschaffen, die bepflanzt den naturhaften Charakter der Grotte verstärkten. Auf historischen Luftbildern haben die Experten einen dichten Gehölzbestand im Umfeld der Grotte bemerkt. Sie glauben, dass Pflanzen wie Moose, Farne und Efeu die Grotte begrünten.
Die Uferlinie des Teichs ähnelt der Zahl 8 und wird an der Engstelle von einer Brücke überspannt. Sorgfältig verlegte Ziegelsteine bilden Sohle und Böschung des Teiches. „Als spiegelnde Fläche setzte der Teich in Verbindung mit der Grotte und Brücke einen markanten Akzent im Garten“, sagt Siekmann. Die Brücke ist nicht nur ein Übergang, sie sei auch ein romantisches Ausstattungselement.
Wer etwas auf sich hielt, ließ seinen Garten mit einer Grotte ausstatten
Schon seit Jahrhunderten gehören künstliche Felspartien, Grotten und Gewässer zur Ausstattung von Gärten und Parks. Eingebunden in landschaftlich gestaltete Bereiche bürgerlicher Gärten waren Grotten vor allem im 19. Jahrhundert beliebt. Wer etwas auf sich hielt, ließ seinen Garten mit einer Grotte ausstatten, zuweilen kombiniert mit einem Teich in organisch geschwungenen Formen.
Villen gehörten Mitgliedern der Familie Lohmann
Die Villen an der Ruhrstraße werden allesamt Mitgliedern der Familie Lohmann zugeschrieben. Haus Nummer 78 (das mit der Grotte) gehörte Gustav Lohmann, Nummer 76 dagegen Albert junior Lohmann. Gegenüber steht das Wohnhaus von Albert senior Lohmann. Die Villen wurden in den 1980er Jahren in die Wittener Denkmalliste eingetragen.
Auch auf dem Nachbargrundstück, Ruhrstraße 76, tut sich Einiges. Die ehemalige Maschinenfabrik Scharfen wird zurzeit von der Frielinghaus Schüren Projektentwicklungs-GmbH zu luxuriösen Eigentumswohnungen umgebaut.
Der Fabrik- und Brennereibesitzer Gustav Lohmann (1847-1934) ließ um 1875 das Wohnhaus an der Ruhrstraße errichten. Nun weiß man: Zu seiner Villa gehörte auch ein von Mauern umgrenzter, reich ausgestatteter Garten mit geschwungenen Wegen, großzügigen Rasenflächen, Baumgruppen und Zierbeeten. Eingebettet in die Gartenanlage war eine Szenerie, in der die Grotte, der Teich mit der Bogenbrücke und die rahmende Bepflanzung zu einer gestalterischen Einheit, ähnlich einem Bühnenbild, verschmolzen.
Nach Krieg und Sturmschäden hat der Garten spätestens seit den 1940er Jahren viel von seiner Einzigartigkeit verloren. Der Teich wurde zugeschüttet, die Gartengrotte geriet in Vergessenheit – bis jetzt. Denn die Besitzerin möchte das Denkmal gern restaurieren lassen. Zumal es in Witten nur noch einen einzigen weiteren Garten mit einer Grotte geben soll.