Witten. Die Maschinenfabrik Scharfen an der Ruhrstraße in Witten ging 2018 insolvent. Zurzeit werden in das Industriedenkmal 30 Loft-Wohnungen gebaut.
Auf Wittens Prachtstraße, der unteren Ruhrstraße, herrscht seit einigen Wochen rege Bautätigkeit: Die Frielinghaus Schüren Projektentwicklungs-GmbH lässt dort die einstige Maschinenfabrik Scharfen zu „City-Lofts“ umbauen. In die Villa an der Ruhrstraße zieht das Architekturbüro selbst ein. In dem dahinterliegenden dreiteiligen Fabrikgebäude entstehen 30 exklusive Wohnungen, die zurzeit vermarktet werden.
Für Wittens Stadtbaurat Stefan Rommelfanger ist dies eine besondere Baustelle: „Ich freue mich über ein solches Projekt in der Wittener Innenstadt“, sagt er. „Hier verbinden sich hohe Wohnqualität und denkmalgeschützte Industriekultur. Das ist ein Kleinod.“ Dieses Schmuckstück wird seinen Preis haben: Die Eigentumswohnungen vermarktet das Architekturbüro zurzeit für 3150 Euro pro qm. Architekt Michael Frielinghaus erklärt: „Zum einen ist das Bauen teurer, etwa wegen der hohen Decken und Fenster. Aber eine solche Wohnung ist auch mehr wert. Sie ist wie ein Oldtimer - der steigt im Wert.“ Die Hälfte der Lofts sind bereits verkauft. Wohnen im Ambiente, nah zur City, zum Stadtpark und zur Ruhr – das sei begehrt.
Die Architekten sind guten Mutes, dass die Arbeiten trotz Coronakrise nun „in vollem Umfang starten können“. Mitte März haben sie die Baugenehmigung der Stadt Witten erhalten. Ab der zweiten Jahreshälfte 2021, so Frielinghaus, sollen die Lofts bezugsfertig sein.
Maschinenfabrik ging 2018 insolvent
Im April 2018 hatte die Maschinenfabrik Scharfen, seit 99 Jahren Arbeitgeber in Witten, Insolvenz angemeldet. Die Auftragslage war bereits seit Jahren schlecht. Der Betrieb, der vorwiegend Aufschnittmaschinen für Fleischereien herstellt, zog Mitte 2019 nach Rüdinghausen um. Im November 2017 hatte Hermann Scharfen sein Firmengelände an die Frielinghaus Schüren Projektentwicklungs-GmbH verkauft.
Die Villa stand zu dem Zeitpunkt schon unter Denkmalschutz. Die Fabrik wurde erst im März 2020 in die Denkmalliste der Stadt Witten aufgenommen. „Für uns entstehen durch den Denkmalschutz keine Nachteile“, sagt Andreas Schüren. Im Gegenteil: Für das Objekt gibt’s steuerliche Vorteile, vor allem aber zieht sein Äußeres eine enorme Aufmerksamkeit auf sich. Das 1989 gegründete und seitdem stetig gewachsene Büro der beiden Architekten befindet sich noch an der Holzkampstraße. Im Juli 2020 zieht es in die weiße Villa an der Ruhrstraße um.
Mix aus Ziegel- und Ruhrsandsteinen bleibt erhalten
Errichtet als Branntweinbrennerei
Die Villa Ruhrstraße Nr. 76 und die dahinterliegenden Produktionsgebäude wurden von der Wittener Familie Lohmann erbaut. Das Baujahr ist unbekannt, die ersten Unterlagen stammen aus dem Jahr 1889.
Zunächst entstand an diesem Ort eine „Dampfkornbranntweinbrennerei“ mit angegliedertem Wohnhaus. Zwischen 1910 und 1920 hatte die Familie Scharfen das Ensemble erworben. Neben der Maschinenfabrik für Aufschnittgeräte gab es auch weitere Nutzungen – etwa ein Theater, ein Kino und eine Kegelbahn mit Gastronomie.
Die Villen an der Ruhrstraße werden allesamt Mitgliedern der Familie Lohmann zugeschrieben. Nummer 76 gehörte Albert junior Lohmann. Daneben steht die von Gustav, gegenüber die von Albert senior Lohmann. Die Villen wurden in den 1980er Jahren in die Wittener Denkmalliste eingetragen.
Und wie wird das Ensemble in der Ruhrstraße 76a, b und c einmal aussehen? Die 30 Wohnungen sind zwischen 80 und 160 qm groß und seniorengerecht. Neben dem historischen Ambiente gibt’s diverse Annehmlichkeiten, etwa einen Aufzug oder Fußbodenheizung mit Kühlfunktion für den Sommer. Die fünf Erdgeschosswohnungen bekommen einen kleinen Garten, im ersten oder zweiten Obergeschoss gibt es teilweise Balkone oder Loggien. Zwischen den Gebäudetrakten erstreckt sich ein „erlebbarer Innenhof“. Parken können die Bewohner auf einer Parkpalette hinter den Gebäuden. Ihre Autos blicken auf das Parkhotel, ein weiteres geplantes Hotel sowie auf den Saalbau.
Die Fassade des Fabrikgebäudes wird zurzeit aufbereitet. Das Mischmauerwerk aus Ziegel- und Ruhrsandsteinen bleibt dabei erhalten, dokumentiert es doch die wechselvolle Geschichte des Bauwerks und bietet dabei einen ganz eigenen ästhetischen Reiz. Interessant sind die hohen Fenster: Vor die schicken neuen Holzfenster werden Stahlsprossengitter gesetzt. Sie sind der Struktur der ursprünglichen Fenster nachempfunden. Damit bleibt dem Gebäude der Industriecharakter erhalten.