Witten. Die Menschen in Witten entrümpeln wie noch nie. Teils geht vor dem Wertstoffhof im Bebbelsdorf nichts mehr. Es kommen doppelt so viele wie früher.
Viele Wittener nutzen ihre Corona-Auszeit, um zuhause auszumisten, zu renovieren oder den Garten zu erneuern. Der Ansturm auf die Umladestation im Bebbelsdorf in Witten ebbt nicht ab. Immer wieder bringen wartende Pkw in der schmalen Straße den Verkehr zum Erliegen. AHE-Chef Johannes Einig: „Es kommen doppelt so viele Bürger wie zu normalen Zeiten. Manche stehen bis zu zwei Stunden an.“
Eine sichtlich genervte Anwohnerin beschreibt die Situation im Bebbelsdorf so: „Mittags ist immer die Hölle los, besonders aber samstags und montags.“ Denn am Wochenende hätten alle entrümpelt. Sie habe schon mehrfach das Ordnungsamt angerufen, weil so viele Pkw auf Einlass warten und die Straße blockieren würden, so dass Anwohner oder der Linienbus nicht mehr durchkämen. Selbst der Bürgersteig sei häufig zugeparkt.
Sogar die Bürgersteige am Bebbelsdorf in Witten sind zugeparkt
Dieser Eindruck bestätigt sich am Dienstagmittag (19.5.) vor Ort. Schon kurz hinter der Firma Ellerhold, also bevor man den Recyclinghof überhaupt sieht, geht nichts mehr. Manch’ gewitzter Autofahrer versucht, links an den Wartenden vorbeizufahren. Sobald aber Gegenverkehr kommt, ist alles blockiert.
Während die Privatleute Schlange stehen, dürfen Gewerbefahrzeuge – vor allem die Müllabfuhr – passieren. Ein Einweiser lässt immer nur einen Pkw aufs Gelände, wenn ein anderer wegfährt. Wegen des Abstandsgebots dürfen nur fünf Privatleute zeitgleich ihren Müll in die Container werfen. Immer wieder heißt es deshalb: Motor an, fünf Meter vorfahren, Motor aus. Ein fließendes System.
Das Verständnis bei den Wartenden ist groß. Man sei froh, dass der Wertstoffhof überhaupt geöffnet habe, sagt ein Rentner, der mit Altmetall und alten Lampen aufschlägt. Ein Wetteraner erzählt, dass er gerade das einstige Kinderzimmer renoviere, nachdem der Sohn ausgezogen sei. Er gibt säckeweise alte Tapeten ab, dafür zahlt er 20 Euro, der gängige Preis für eine Wagenladung. Manch einer, verrät ein Mitarbeiter, nimmt das ganze Prozedere auch in Kauf, nur um einen leeren Farbeimer vorbeizubringen. „Die Leute haben halt Zeit.“
Viele Menschen in Witten sind in Kurzarbeit und nutzen die freie Zeit
Das bestätigt AHE-Chef Johannes Einig. „Viele Menschen sind in Kurzarbeit. Manche halten ihre Mitarbeiter dazu an, Urlaub oder Überstunden abzufeiern und niemand fährt weg: Da möchten viele ihre freie Zeit produktiv nutzen“, sagt der Geschäftsführer des Müllentsorgers. Der Ansturm reiße nicht ab. Einig: „Am Wertstoffhof Gevelsberg, der vergleichbar mit Witten ist, musste man teilweise bis zu zwei Stunden warten.“
Kritik an vorübergehender Schließung
Die von der Kreisverwaltung wegen des Coronavirus’ beschlossene vorübergehende Schließung der Wertstoffhöfe hatte für Ärger gesorgt. Einen „bedenklichen Trend zu wilden Müllkippen“ befürchteten Kreispolitiker und hatten auf Wiederöffnung gepocht. Anwohner am Bebbelsdorf erzählen, dass während der Schließungsphase (25. März bis 6. April) frustrierte Bürger ihren Grünschnitt einfach in die Büsche vor den Wertstoffhof gekippt hätten.
Die Herdecker Stadtverwaltung hatte sich bewusst dafür entschieden, ihren von der AHE betriebenen Wertstoffhof offen zu halten. Während dieser Zeit habe sich Herdecke „zur Müllstadt entwickelt“, so die WP.
Die Annahmezeiten beim Wittener Wertstoffhof: werktags von 8 bis 16.30 Uhr und samstags von 9 bis 12 Uhr.
Zu dieser Situation führe die Kombination aus Besucheransturm und der wegen des Coronavirus verordneten Reduzierung der Annahmen auf fünf Pkw. „Aber die Leute verhalten sich sehr diszipliniert. Es hat noch niemand Ärger gemacht“, sagt der AHE-Chef.
AHE-Chef: Mancher kommt aus Einsamkeit
Für den Unmut der Anwohner im Bebbelsdorf habe er vollstes Verständnis, eine Lösung aber nicht parat. Es laufen schon lange Planungen, die Infrastruktur dort zu erweitern, aber das dauere. Im Moment sei es eine Ausnahmesituation.
Selbst für den Herrn, der lediglich den einen Farbeimer vorbeibringt, zeigt Johannes Einig Verständnis. „Das hat viel mit der derzeitigen Anonymität und Einsamkeit zu tun.“ Auch wenn man anstehen muss: Man hat etwas erlebt und kann etwas erzählen. „Und das ist doch zutiefst menschlich und eigentlich auch sympathisch.“
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