Witten. Ihre Gedanken in Zeiten von Corona können Wittener auf Postkarten schreiben und an Kirchentüren hängen. Was dabei herauskommt? Lesen Sie selbst.
Fast täglich spaziert Pfarrer Carsten Griese jetzt ganz gespannt zur Kirche oben an der Wemerstraße. Er ist neugierig, ob dort eine weitere Postkarte an der Kirchentür hängt. Ihre Gedanken in Zeiten der Corona-Krise haben junge und ältere Wittener anonym darauf notiert. Anlass ist eine ungewöhnliche Aktion der Evangelischen Gemeinden Annen und Rüdinghausen: "Schlag deine Meinung an die Kirchentür".
Tatsächlich haben sich zumindest in Rüdinghausen schon einige Menschen ihre Gedanken von der Seele geschrieben. Natürlich haben sie ihre "Thesen" nicht wie einst Martin Luther an die Kirchentür genagelt, sondern an der Pinnwand befestigt, die davor steht. Als Anregung dienen folgende drei Fragen: Was hat dir die Corona-Pandemie bewusst gemacht? In welchen Lebensbereichen sollen wir in Zukunft umdenken? Was möchtest du dazu beitragen?
Wittener wollen sich auf die kleinen Dinge besinnen
"Sich mehr Zeit nehmen für andere", "sich auf die kleinen Dinge des Lebens besinnen" - dies oder ähnliches ist auf vielen Karten zu lesen. Die Krise habe ihr bewusst gemacht, "wie glücklich wenige Termine machen", schreibt eine 34-jährige Frau. Trotzdem wolle sie sich in Zukunft aktiv für mehr Demokratie, Umwelt- und Klimaschutz einsetzen.
Eine 57-Jährige hat festgestellt, "wie wichtig es ist, die Freiheit zu haben, selbst zu entscheiden, was man tun und wohin man gehen möchte". Einer 18-Jährigen hat die Aus-Zeit bewusst gemacht: "Weniger ist mehr." Einer 74-Jährigen wurde klar, "wie sehr wir Menschen einander brauchen", deshalb will sie in Zukunft "Freundschaften pflegen".
Ergebnisse der Aktion werden ausgewertet
Die Idee zur Aktion hatten Pfarrer Carsten Griese, Presbyter Felix Fahnert und Jugendreferent Helmut Veit von der Ev. Gemeinde Rüdinghausen. "Uns interessiert vor allem, was die Menschen an positiven Ideen aus der Krise mitnehmen", sagt Griese.
Die Ergebnisse werden nicht nur ausgewertet und nach den Sommerferien veröffentlicht, sondern sollen auch Gegenstand einer Art Zukunftswerkstatt oder Bürgerkonferenz sein. Über 100 Rückmeldungen gebe es schon. Vor allem online - denn auch so können Interessierte mitmachen - seien die Menschen sehr mitteilsam. Griese hofft auf noch mehr Resonanz. Denn sie haben über 10.000 Karten gedruckt und verteilt - in enger Kooperation mit Prof. Detlef H. Mache und seiner Wittener Stiftung Bildung & Kultur.
Postkarte zeigt Werk eines Berliner Künstlers
Die Postkarte zeigt vorne das farbenprächtige Kunstwerk "One World - Our Earth": Ein Mensch hält die Welt im Arm. Der Berliner Künstler Kiddy Citny hat es im Rahmen eines überregionalen Projekts mit dem Museum Herford gemalt. Dahinter steckt der Gedanke, die Welt zu schützen, zu pflegen und persönlich Verantwortung zu übernehmen. Außer den Menschen in den Gemeinden haben etwa auch der Künstler, Superintendentin Julia Holtz und andere Persönlichkeiten die Karte mit den drei Fragen erhalten.
"Ich finde es irre, dass wirklich aus allen Altersgruppen Kommentare kommen", freut sich Pfarrerin Sabine Maiwald-Humbert. Auch an der Tür der Friedenskirche an der Ardeystraße hat sie schon welche entdeckt. Sie selbst empfinde es als anstrengend, in der Krise tagtäglich unter Anspannung zu leben und zu arbeiten. "Aber es ist auch spannend, welche Möglichkeiten wir da entdecken." Auf den Postkarten wird bestimmt noch viel darüber zu lesen sein.
Info:
Wer eine Postkarte bekommen hat, kann sie ausfüllen und hier hinhängen: Ev. Kirche Rüdinghausen (Wemerstr. 8), Ev. Gemeindehaus Schnee (Hackertsbergweg 28a), Ev. Erlöserkirche Annen (Westfeldstr. 81), Ev. Friedenskirche Annen (Ardeystr. 234).
Anstelle einer Postkarte kann auch ein Online-Fragebogen ausgefüllt werden. Alle können mitmachen. Zu finden ist der Link unter: www.kirchengemeinde-ruedinghausen.