Witten. Nach Brustkrebs muss eine 61-jährige Wittenerin regelmäßig zur Nachsorge. Ihre Ärztin sagte den Ultraschall-Termin in Corona-Zeiten ab.
Sabine Müller (Name geändert) hatte Krebs. 2006 wurde ein Tumor in ihrer linken Brust entdeckt. Nach einer brusterhaltenden Operation muss die 61-Jährige jetzt alle sechs Monate zur Krebsnach- und -vorsorge zu ihrer Frauenärztin. Im April wäre es wieder soweit gewesen. Doch die Gynäkologin sagte den Termin mit Hinweis auf die Corona-Lage ab. Eine Situation, die Sabine Müller Angst macht.
2011 war die Wittenerin erneut an Krebs erkrankt - ein Nierentumor. Umso weniger versteht sie es, dass ihre Frauenärztin, mit der sie sonst sehr zufrieden ist, ihr noch keinen neuen Termin für eine Ultraschalluntersuchung der Brüste angeboten hat. „Trotz Corona - ich bin auch eine Risikopatientin!"
Kassenärztliche Vereinigung in Dortmund vermittelt Untersuchungstermine
Sabine Müller rief wegen eines Untersuchungstermins schließlich bei der Frauenklinik des Marien-Hospitals an. Hier erhielt sie eine Absage mit dem Hinweis, dass gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen von niedergelassenen Frauenärzten durchgeführt werden. Sei der Arzt, die Ärztin zum Beispiel erkrankt, müssten diese der Patientin einen Mediziner als Vertretung nennen. „Erfolgt dies nicht, sollten sich Patienten an die Kassenärztliche Vereinigung wenden", rät Theo Freitag, Geschäftsführer der St. Elisabeth Gruppe, zu der das Wittener Marien-Hospital gehört.
Sabine Müller wusste nicht, dass die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe in Dortmund Untersuchungstermine für haus- und fachärztliche Behandlungen vermittelt, wenn ein Patient selber zeitnah bei niedergelassenen Ärzten keinen Termin bekommt. „Unsere Termin-Vermittlungen laufen mittlerweile über die Service-Hotline 116117 - die Rufnummer, unter der man auch den ärztlichen Bereitschaftsdienst erreicht", erklärt KV-Sprecherin Vanessa Pudlo.
Ärztesprecher: Kollegen haben in Corona-Zeiten auch eine Verantwortung für sich selbst
Patienten müssten für ihre Untersuchungen jedoch zumutbare Fahrzeiten in Kauf nehmen, da der Arzt mit einem freien Termin unter Umständen in einer Nachbarstadt praktiziert. Für eine solche Terminvergabe müsse der Hausarzt dem Patienten eine Überweisung mit einem sogenannten Dringlichkeitscode ausstellen, so Pudlo. „Für eine Untersuchung beim Gynäkologen oder Augenarzt ist die Überweisung nicht notwendig."
Wittens Ärztesprecher Dr. Frank Koch hat Verständis für die Gynäkologin, die den Krebsnachsorgetermin von Sabine Müller in Corona-Zeiten zunächst einmal gestrichen hat. „Wenn es keine akute Behandlungsbedürftigkeit gibt, kann sie das verschieben." Eine Ärztin, ein Arzt hätten in diesen Zeiten auch eine Verantwortung für sich selbst. Koch: „Wenn ein niedergelassener Mediziner am Coronavirus erkrankt, haben vielleicht 1000 Patienten keinen Arzt mehr."
Wittener Frauenärztin versucht, zu einem „vorsichtigen Normalbetrieb zurückzukehren"
Am 30. April hat die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe die Empfehlungen an ihre ärztlichen Mitglieder für den derzeitigen Praxisalltag aktualisiert. Darin heißt es, dass die „aktuell niedrigen COVID-19-Fallzahlen" in den Praxen „vorsichtige Lockerungsmaßnahmen" ermöglichten. Niedergelassene Mediziner könnten Strategien entwickeln, um einen „neuen Praxisalltag in Pandemiezeiten“ zu etablieren, so die KV.
Auch die Wittener Gynäkologin Dr. Nicole Benecke, die zusammen mit ihrer Kollegin Heike Risse eine Praxis betreibt, versucht, zu einem „vorsichtigen Normalbetrieb zurückzukehren". Wobei alles natürlich von der weiteren Entwicklung der Corona-Lage abhänge, wie die Medizinerin betont. In den vergangenen Wochen seien auch in ihrer Praxis Krebsvorsorgetermine verschoben worden. Diese müssten jetzt nach und nach aufgearbeitet werden.
Medizinerin vergibt auch für Samstage Termine zur Krebsfrüherkennung
Die gynäkologische Gemeinschaftspraxis, in der Dr. Hildegard Iwe an der Ruhrstraße tätig ist, bietet aufgrund der hohen Nachfrage jetzt sogar an Samstagen Termine zur Krebsfrüherkennung an. Mit Blick auf Sabine Müller, die immer noch auf einen Nachsorgetermin ihrer Frauenärztin wartet, betont Hildegard Iwe: „Solche Untersuchungen bei Krebspatientinnen haben wir immer gemacht. Auch in den vier Wochen, in denen wir unseren Praxisbetrieb heruntergefahren haben."
>>> KV vermittelt Arzttermine
Weitere Informationen zur Arzt-Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, die auch Termine bei Psychotherapeuten vermittelt, findet man im Netz unter: www.kvwl.de/patient/terminservice/
Nach Angaben der Krebsgesellschaft NRW in Düsseldorf vermeiden derzeit Patienten aus Furcht vor dem Coronavirus auch Arztbesuche, die der Abklärung von Krebserkrankungen und deren Früherkennung dienen sollen.