Witten. Neue Nutzung für 4000 qm Land und das historische Anwesen Haus Herbede in Witten gesucht. In den Biergarten darf ein Gästehaus gebaut werden.
Die Freizeitmetropole Ruhr (FMR) möchte sich von Haus Herbede trennen. Mitte 2020 könnte die Vermarktung starten, so Wittens Stadtbaurat Stefan Rommelfanger. Die Bearbeitung der Bauvoranfrage für ein Gästehaus neben dem historischen Adelssitz stehe kurz vor Abschluss. Mit diesem Passierschein für eine neue Nutzung hofft die FMR, dass sich das Gebäude besser verkaufen - oder verpachten - lässt.
Einen einfachen Verkauf des ehemaligen Ritterguts an der Von-Elverfeldt-Allee wird es nicht geben. "Verbunden mit den vielen öffentlichen Auflagen ist es praktisch wertlos", fasst Jürgen Hecht, Geschäftsführer der FMR, die Problematik zusammen. 1985 hatte das Freizeitzentrum Kemnade (heute FMR) das Herrenhaus erworben und bis 1988 mit öffentlichen Mitteln hergerichtet. Die Stadt und der EN-Kreis bezahlen die jährlichen Betriebskosten sowie die Instandhaltung. Ein neuer Eigentümer müsste unter anderem den Zugang für die Öffentlichkeit garantieren, für Gebäudeunterhalt und Denkmalwert einstehen.
Für die Vermarktung geht die FMR darum den ungewöhnlichen Weg einer "öffentlichen Konzeptausschreibung". Diese lässt die Gesellschaft zurzeit von einem externen Büro erarbeiten. Danach können sich Bewerber mit ihrer Idee für Haus Herbede bewerben. Detailliert müsse das Betriebskonzept für jeden einzelnen Raum erläutert werden. Eine Jury werde über die beste Idee entscheiden, die dann den Zuschlag erhält. Um den möglichst hohen Kaufpreis gehe es ausdrücklich nicht, betont Hecht. Auch nur ein Pachtvertrag sei denkbar.
Vorbild: Das "Café Bonheur" in Wetter
Wie so etwas gehen kann, zeigt ein Beispiel aus der Nachbarstadt Wetter: Die Stadt verkaufte eine denkmalgeschützte aber sanierungsbedürftige Fabrikantenvilla für kleines Geld an einen Wetteraner Unternehmer. Dieser konnte ein überzeugendes Konzept vorlegen und gewährt weiterhin eine öffentliche Teilnutzung der Villa. 2008 wurde in der Villa Bönnhöff an der Kaiserstraße das beliebte "Café Bonheur" eröffnet.
Für Haus Herbede läuft es dagegen seit vielen Jahren nicht mehr rund: Zwar ist es Wittens beliebtester Trau-Ort. Doch seit 2016 findet sich kein Pächter mehr für das Burgrestaurant. Caterer Michael Keuser überbrückt ein wenig, es finden kaum noch Veranstaltungen statt. Darunter leiden auch die Kunsthandwerk-Ateliers im Vorhof. "Damals hat sich konkret abgezeichnet, dass die öffentliche Kultur- und Begegnungsstätte eine Entwicklung benötigt“, so Volker Marquaß 2018 als Geschäftsführer der Haus Herbede Betriebs-GmbH. Für die Verantwortlichen war klar: Nur mit einem Anbau, in dem zum Beispiel die Gäste von Hochzeiten, Konferenzen oder Ruhrtal-Radler übernachten können, könne ein Investor das Gebäude wirtschaftlich betreiben.
Hotel mit 40 bis 60 Zimmern geplant
Darum serviert die FMR zusätzlich zu Burg und Biergarten eine positiv beschiedene Bauvoranfrage für das Grundstück. Wohlgemerkt ist dies keine Baugenehmigung. "Eine Bauvoranfrage zeigt nur auf, was prinzipiell auf dem Gelände möglich ist", so Hecht. Er spricht von einem Hotel mit 40 bis 60 Zimmern.
Laut Baurat Stefan Rommelfanger seien diese in einem eigenen Gebäude neben der Burg untergebracht. Durch eine Glasbrücke könnten beide Häuser miteinander verbunden sein. Der neue, gern moderne Baukörper, wird dem von Haus Herbede untergeordnet, fällt also kleiner aus. Und er versteckt sich, denn die Sicht auf den denkmalgeschützten Adelssitz dürfe nicht versperrt werden. Er werde im ehemaligen Biergarten, parallel zum Straßendamm der Wittener Straße entstehen. 4000 m² ist das Areal von Haus Herbede groß.
Wie genau der Baukörper aussieht und vor allem wann er entsteht, wolle man dem neuen Eigentümer überlassen. "Kauf und Neubau kann man aber auch in Schritten umsetzen", so Stefan Rommelfanger. Zumal der anstehende Abriss der Omega-Brücke und langwierige Neubau der Herbeder Ruhrbrücken die Lage vor Ort erschweren. 2024 soll der Brücken-Neubau starten, Straßen NRW rechnet mit einer Bauzeit bis zu vier Jahren.
Zweite Lakebrücke entsteht an der Ruhr in Witten
Auch das Umfeld des Ritterguts soll aufgewertet werden. Im Zuge der Internationalen Gartenbauausstellung (IGA) sollen der hässliche Fußgängertunnel zugeschüttet und ein barrierefreier Bahnübergang angelegt werden. Auch das Nadelöhr Lakebrücke, wo sich an guten Tagen alles knubbelt, ändert sich: Für Radler und Skater ist parallel eine zweite Brücke geplant.
Und auch die Pandemie könnte dem ehrwürdigen Anwesen helfen, wieder auf die Beine zu kommen. "Vielleicht wird nach Corona gerade das attraktiv, was vor der eigenen Haustür liegt", hofft der Geschäftsführer.
Info:
Die Stadt Witten versucht zurzeit, mehrere denkmalgeschützte Gebäude zu vermarkten. Ziel sei es, so Rommelfanger, eine "Ausstrahlung fürs Quartier, einen Mehrwert für die Stadt" zu erreichen. Deswegen sei die Privatisierung an Auflagen - wie etwa eine öffentliche Nutzung - gebunden. Neben Haus Herbede ist dies bei der Maschinenfabrik Scharfen an der Ruhrstraße bereits gelungen. Dort werden zurzeit luxuriöse Eigentumswohnungen errichtet.
Ein nächstes Projekt könnte laut Stadtbaurat Stefan Rommelfanger die Alte Hauptfeuerwehrwache an der Hauptstraße werden. Das geklinkerte Gebäude, entstanden um die Jahrhundertwende, weise eine schön gegliederte Bausubstanz auf. Zunächst müsse aber die dort untergebrachte Löscheinheit in einen Neubau auf dem Gewerbegebiet Drei Könige umziehen.