Witten. Paketboten in Witten liefern derzeit so viele Sendungen aus wie vor Weihnachten. Zwei von ihnen prangern das egoistische Verhalten der Kunden an.

Der Einzelhandel in Witten ist in weiten Teilen stillgelegt, die meisten Geschäfte sind geschlossen. Was man nicht mehr in der Innenstadt besorgen kann, erledigen viele nun über Bestellungen im Internet. Zwei Paketboten aus Witten beklagen die zusätzliche Arbeitslast - und ein rücksichtsloses Bestellverhalten ihrer Mitmenschen.

"Ich bin erschrocken, verängstigt und sprachlos, wie unsere Mitbürger unsinnige Dinge bestellen, die gerade nicht wichtig sind", sagt einer von ihnen. Damit meint er etwa das neue Outfit vom Online-Versandhändler oder Luxusartikel wie Parfüm. Seit Jahrzehnten ist der Mann nach eigenen Angaben als Paketzusteller bei der Post tätig.

Paketboten aus Witten fühlen sich im Stich gelassen

Auch allgemein fühlten sich er und seine Kollegen im Stich gelassen: "Es wird nirgends öffentlich darauf hingewiesen, solche nicht lebensnotwendigen Dinge nach der Corona-Krise zu bestellen, um uns Mitarbeiter nicht unnötigen Ansteckungsgefahren auszusetzen!" Hinzu kommt, dass auch in der jetzigen Zeit 80 Prozent der gelieferten Pakete wieder als Retoure zurückgesendet würden. Den Paketboten ärgert dieses aus seiner Sicht "unnötige Bestellverhalten".

Ein anderer Bote berichtet, er müsse nun bis zu 290 Pakete an einem Tag zu den jeweiligen Empfängern bringen. Sonst wären es je nach Wochentag etwa 160. "Das ist schon heftig", klagt der DHL-Mitarbeiter. "Das ist wie vor Weihnachten!"

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Mit dem Unterschied, dass im Dezember zusätzliche Mitarbeiter angestellt würden, die ihm einen Teil seines Liefergebiets abnehmen. In der aktuellen Krise sei das bislang nicht passiert. Deutschlandweit stellt DHL für das Weihnachtsgeschäft etwa 10.000 solcher Saisonkräfte ein.

Kunden bestellen große Mengen auf Vorrat

Die Kunden würden nun viele Dinge auch auf Vorrat bestellen - etwa Katzenfutter. "Da wiegen die Pakete dann gerne mal über 30 Kilo", so der Zusteller. Ein solches Gewicht mehrmals am Tag etwa in den dritten Stock zu tragen, sei herausfordernd. "Und wir haben ja auch ältere Kollegen, nicht nur junge, fitte Mittzwanziger."

Die Stimmung unter den Kollegen sei angespannt. "Alle von uns sind sauer. Und alle haben Angst, sich anzustecken." Einen Mundschutz habe er nicht, aber Gummihandschuhe und Desinfektionsmittel. Diese stellt DHL seinen Mitarbeitern in den Zustellstützpunkten zur Verfügung.

Seit Ende März werden es bei DHL täglich mehr Pakete

Seit Ende März verzeichne man eine täglich steigende Zahl von Sendungen, bestätigt eine Sprecherin von DHL. Diese Menge liege "sehr spürbar" über der des Vorjahres und gehe über die sonst übliche Steigerung von zehn bis 15 Prozent kurz vor Ostern hinaus. "Wir sind jetzt auf Vorweihnachtsniveau", heißt es aus Düsseldorf. Dabei handele es sich nicht nur um Großkunden wie den Versandriesen Amazon. Vermehrt würden nun auch lokale Einzelhändler in Zeiten der Corona-Schließung ihre Waren per Postweg zu den Kunden bringen wollen.

Um die Paketboten zu entlasten, würden deutschlandweit Mitarbeiter aus den Postzentren für die Paketzustellung rekrutiert, so die Sprecherin. In Witten seien aber zurzeit keine zusätzlichen Kräfte in die Paketzustellung versetzt worden. Stattdessen seien mehr Zusteller im Einsatz, die sonst auf Abruf Krankheitsvertretungen leisten oder Entlastungsbezirke fahren.

„Die Situation ist eine Herausforderung", sagt Michael Klein, Leiter des Wittener Zustellstützpunkts. Bislang gebe es hier aber keine liegen gebliebenen Pakete. Der postalische Betrieb laufe aktuell stabil und mit regulären Lieferzeiten.

>>>Info:

- Am Post-Zustellstützpunkt in Witten sind momentan 68 Mitarbeiter in der Brief- und Paketzustellung eingesetzt. Weitere 14 Kollegen betreuen das Organisatorische im Innendienst.

- Mitarbeiter der Post arbeiten derzeit in zwei Schichten, um den Kontakt untereinander zu minimieren. Zudem verzichtet der Paketdienst DHL derzeit auf die Kundenunterschrift bei der Annahme eines Päckchens. Kunden wird zudem geraten, einen Ablageort für Sendungen zu benennen, damit die Auslieferung kontaktfrei erfolgen kann.

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