Witten. Friseur, Fahrschule, Boutique: Wegen der Corona-Auflagen mussten viele Geschäftsleute in Witten schließen und stehen nun ohne Einkommen da.
Das eigene Geschäft für mehrere Wochen bei laufenden Kosten und keinerlei Einnahmen schließen zu müssen, ist ein schwerer Schritt. Laut Industrie- und Handelskammer (IHK) leiden allein in Witten fast 4000 Kleinunternehmer unter der Coronakrise. Vier von ihnen schildern ihre Erfahrungen.
Die Friseurin
Schweren Herzens hat vor einer Woche Silke Breuer ihr Herbeder Friseurgeschäft "Haarscharf" geschlossen. "Ich habe zuvor zwei Nächte nicht geschlafen", erzählt sie. Sie und ihre Mitarbeiterin hätten anfangs probiert, mit Atemschutzmasken und Handschuhen zu arbeiten. "Aber das geht nicht. Man hat beim Haarschneiden kein Gefühl, man kann nicht akkurat arbeiten. Das war einfach nur stressig." Also schloss sie, bevor die offizielle "Kontaktverbot"-Ansage kam.
Etwa vier Wochen könnte sie von den Rücklagen überleben. Die letzten Tage hat Silke Breuer damit verbracht, Kurzarbeitergeld für ihre Mitarbeiterin zu beantragen, Krankenkasse und Vermieter anzuschreiben. Sie hofft auf staatliche Kredite. "Um weiterzumachen, muss ich mich mit 57 Jahren noch einmal verschulden. Ich bin alleinstehend. Das heißt, ich werde in Zukunft auch persönlich auf ganz viel verzichten müssen."
Ein Trost: Die Reaktionen ihrer Stammkunden sei überwältigend. "Ich werde auf jeden Fall weitermachen. Eine andere Option habe ich doch gar nicht", sagt Silke Breuer. Zurzeit geht sie viel mit ihrer Schwester und den Hunden in der Frühlingssonne spazieren. "Aber sobald ich wieder vorm PC sitze und eine Mail schreibe, krieg' ich das heulende Elend."
Der Fahrschullehrer
Auch die Fahrschule von Stefan Schröder in der Oberstraße ruht. Vor einer Woche kam die behördliche Anordnung, dass das Unternehmen zu schließen sei. "Wir haben damit gerechnet. Wir sitzen in den Autos ja sehr eng mit den Schülern zusammen", sagt Schröder, der seit 23 Jahren die Fahrschule betreibt. Für seine vier Angestellten hat er Kurzarbeit beantragt. Aber es laufen Leasingraten für die Fahrzeug, die Miete, "ich habe einen enormen Kostenapparat." Er hofft, dass das Verbot tatsächlich nur bis zum 19. April gilt. "Wenn die Schließung absehbar bleibt, ist es ok. Für mehr reichen unsere Rücklagen nicht."
Der Optiker
"Ich verzichte lieber auf den Umsatz als mich und meine Mitarbeiterin der Gefahr auszusetzen, an dem Virus zu erkranken", sagt Andreas Hake. Der Augenoptikermeister aus Herbede hat sein Geschäft auf einen "Notbetrieb" heruntergefahren. Nur nach telefonischer Terminabsprache werden Kunden bedient. Dabei trägt Andreas Hake Schutzmaske und Gummihandschuhe. Etwa zehn Personen sind in dieser Woche gekommen. "Das sind schon enorme Umsatzeinbußen", so Hake. "Und die meisten kleinen Unternehmen haben nicht die Liquidität, lange zu überleben." Er hofft auf die versprochene schnelle und unbürokratische Hilfe für Kleinbetriebe.
Die Boutiquebesitzerin
Susanne Trösken hat 2018 ihre Boutique "By S. Fashion" an der Ruhrstraße eröffnet. "Das lief gerade gut, der Märzanfang war super", sagt sie. Nach der TV-Ansprache von Angela Merkel schloss sie ihren Laden. "Mein Geschäft ist auch eine Art Begegnungsstätte. Deswegen ist mir das so schwer gefallen, ich liebe meinen Laden."
Zurzeit überbrückt sie den Leerlauf mit einem "Online light"-Konzept: Sie veröffentlicht auf ihrer Facebook-Seite Fotos von Kleidungsstücken und Accessoires. Die Kunden bestellen und überweisen. Susanne Trösken verschickt die Ware oder liefert sogar selbst mit ihrem Mini aus - bei schönstem Sonnenschein. "Das ist doch das Tückische: Wir haben drinnen die Angst im Kopf und draußen macht der Frühling einfach weiter."
Größte Dankbarkeit empfindet sie gegenüber ihren Kunden. "Manche Leute rufen einfach an und sagen: Susi, sei stark und halte durch. Und das mach' ich auch."
Infokasten: Einmalzahlungen soll schnell kommen
3250 sogenannte Kleingewerbetreibende verdienen in Witten als Einzelkämpfer ihre Brötchen - sie betreiben zum Beispiel ein kleines Geschäft. Hinzu kommen 585 Betriebe, in denen bis zu zehn Beschäftigte arbeiten. "Gerade in unserer Region bilden die kleinen Betriebe die Basis unserer Wirtschaft", sagt Jörg Linden, Sprecher der IHK Mittleres Ruhrgebiet. "Die meisten haben nur eine Einnahmequelle, die gerade komplett weggebrochen ist. Deswegen brauchen sie einen Direktzuschuss und zwar jetzt."
Das Land NRW hat bereits Hilfen angekündigt. Kleinunternehmen erhalten Zuschüsse in Höhe von 9.000 Euro (bis fünf Mitarbeiter) und 15.000 Euro (bis zehn Mitarbeiter). Diese Corona-Soforthilfen sollen schnellstmöglich an die Unternehmen weitergereicht werden. Eine Entscheidung könnte Ende der Woche fallen.