Witten. 220 Unterschriften hat eine Dortmunderin gesammelt, die seit Jahren gegen Sico in Witten zu Felde zieht. Nun kamen noch die PCB-Flocken dazu.
Grazyna Lepski aus Dortmund-Persebeck hat der Wittener Bürgermeisterin mehr als 220 Unterschriften geschickt – Protest von Anwohnern, denen die Firma Sico auf Wittener Gebiet schon lange ein Dorn im Auge ist.
Die Lepskis wohnen an der Stadtgrenze zu Witten-Rüdinghausen und klagen seit 2014 über eine Geruchsbelästigung, für die sie den Silikonverarbeiter verantwortlich machen. Nachdem in den vergangenen Wochen bekannt wurde, dass durch Sico mit PCB hochbelastete Flocken in die Umwelt gelangten, wurde Grazyna Lepski erneut aktiv.
Die Lepskis und ihr Nachbar Detlef Nowak haben stellvertretend für die Bürger, die ihre Unterschriftenlisten unterzeichnet haben, Fragen an Wittens Bürgermeisterin formuliert. Grazyna Lepski: „Wir möchten zum Beispiel wissen, ob die Immissionen der Firma, die nach einem Tag Produktionsstopp durch den Kreis wieder produzieren darf, jetzt kontinuierlich überprüft werden.“
Kann das Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten noch unbesorgt verzehrt werden?
Lepski und die anderen besorgten Unterzeichner interessiert ferner, ob die PCB-Emissionen jetzt und auch dauerhaft unterbunden sind oder ob noch gasförmiges PCB in die Umwelt gelangt. Eine weitere Frage lautet: Werden Blutuntersuchungen von Anwohnern wie in Ennepetal veranlasst? Und: Kann das Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten noch unbesorgt verzehrt werden?
Die Firma Sico, die seit 1985 an der Friedrich-Ebert-Straße produziert, verwendet nach Absprache mit dem Kreis bei der Produktion jetzt einen chlorfreien Vernetzer – und zwar so lange, bis im Betrieb ein neues, zweites Abluftsystem installiert sei, heißt es. Der Vernetzer, eine Paste, ist Bestandteil der Kautschuk-Mischung, aus der die Firma unter anderem Dichtungsprofile, Schläuche und Rundschnüre herstellt, die etwa in der Automobilindustrie, bei Hausgeräten und in der Medizintechnik zum Einsatz kommen.
Wittener Sico-Chef: „Wir haben das nicht billigend in Kauf genommen.“
Sico-Chef Ralf Skoda erklärte gegenüber unserer Redaktion, dass der bisherige, chlorhaltige Vernetzer vor allem PCB 47, aber auch PCB 51 und 68 habe entstehen lassen. Skoda: „Das betrifft alle Unternehmen, die Silikon verarbeiten.“ Der Wunsch des Sico-Chefs an die Rohstofflieferanten wäre ein chlorfreier Vernetzer, mit dem man Produkte von der geforderten Qualität erzeugen könne. Der von seiner Firma jetzt eingesetzte chlorfreie Vernetzer könne dies nicht vollständig leisten.
Gegenüber unserer Redaktion betonte der Sico-Geschäftsführer noch einmal, dass er vom PCB-Problem erst seit den Flockenfunden bei der Ennepetaler Firma BIW wisse. Auch durch sie waren bei der Produktion durch PCB belastete Flocken in die Umwelt geraten. Der Sico-Chef: „Wir haben das nicht billigend in Kauf genommen!“
PCB kann auch in einem gasförmigen Zustand freigesetzt werden
Kreissprecher Ingo Niemann hatte gegenüber unserer Redaktion gesagt, dass die auf dem Sico-Gelände und in dessen Umgebung gefundenen PCB-Flocken erst die Gesundheit schädigen könnten, wenn man sie esse. Die Persebeckerin Grazyna Lepski und ihr Nachbar Detlef Nowak wünschen sich weitere Aufklärung.
Auch der gelernte Chemotechniker berichtet von jahrelangen Geruchsbelästigungen, die Nowak auf die Firma Sico zurückführt. Nowak betont, dass PCB nicht nur in Form von weißen Flocken in die Umwelt freigesetzt werden könne, sondern auch in einem gasförmigem Zustand. „Ich fürchte, dass dies in der Vergangenheit auch bei Sico passiert ist.“
Grazyna Lepski war 2014 einmal den von ihr wahrgenommenen Gerüchen gefolgt und bei Sico an der Friedrich-Ebert-Straße herausgekommen, wie die 67-Jährige erzählt. In einem Schreiben hatte sie sich damals an die Stadt Witten gewandt. Der Kreis meldete sich – als die zuständige Stelle. Die Persebeckerin und Nachbarn sollten Protokoll über die Geruchsbelästigungen führen. Obwohl man damals zehn Leute darum gebeten habe, habe nur einer Protokolle geliefert, so der Kreis – die Eheleute Lepski. Kreismitarbeiter waren auch nach Rüdinghausen gefahren und machten in der Nähe von Sico „Schnuppertests“.
Persebecker fand in seinem Garten weiße Partikel
Vor Ort habe man nichts Verdächtiges feststellen können, hieß es im Juni 2017 in einem Brief an das Ehepaar Lepski. Grazyna Lepski ist darüber enttäuscht. Sie kenne einen Nachbarn, der schon vor Jahren weiße Flocken in seinem Schrebergarten gefunden haben will – was die Persebeckerin an die jüngsten Flockenfunde bei Sico erinnert. Harald Stadermann, der in Persebeck schon seit 1955 zuhause ist, hat seit „etwa vier bis fünf Jahren“ Geruchsbelästigungen festgestellt. „Ob das aber von Sico kommt, kann ich nicht behaupten“, sagt der 72-Jährige. In diesem Jahr habe er im Januar und Februar in seinem Garten allerdings weiße Partikel gefunden.