Witten. . Bürger aus Dortmund beschweren sich über einen üblen Geruch, der angeblich aus Witten kommt. Der EN-Kreis lässt sie Protokoll führen.

  • Bürger aus Dortmund-Persebeck beschweren sich über eine Geruchsbelästigung
  • Als Verursacher haben sie eine Wittener Firma ausgemacht, die Silikone verarbeitet
  • Die Rüdinghauser Firma bestreitet die Vorwürfe. Der EN-Krei lässt die Bürger Protokoll führen

Immer wenn der Wind in Dortmund-Persebeck aus Süd-Süd-West bläst, rieche es, als würde Kunststoff verbrennen, sagt Detlef Nowak. Seit Jahren fühlen er und einige Nachbarn sich durch einen Geruch belästigt, der angeblich von Witten über die Stadtgrenze nach Dortmund weht. Sie machen dafür die Rüdinghauser Firma Sico verantwortlich, die Silikone verarbeitet. Das Wittener Unternehmen bestreitet, der Verursacher zu sein. Der EN-Kreis hat die Anwohner aufgefordert, den Geruch ein Jahr lang zu protokollieren.

Die Firma Sico hat ihren Sitz an der Friedrich-Ebert-Straße. Dortmund-Persebeck liegt östlich davon.
Die Firma Sico hat ihren Sitz an der Friedrich-Ebert-Straße. Dortmund-Persebeck liegt östlich davon. © Miriam Fischer

„Wir riechen es jeden Tag“, sagen Grazyna Lepski und ihr Mann Johann, die in Persebeck wohnen, mehr als einen Kilometer Luftlinie von der vermeintlichen Quelle entfernt. Sie sorgen sich um ihre Gesundheit. 2013 hat sich Grazyna Lepski einmal selbst auf den Weg gemacht. Sie folgte dem „Gestank“ und will ihn bei der Firma Sico ausfindig gemacht haben. „In dem Gebäude hat es sehr stark gerochen.“ Jemanden angetroffen habe sie dort nicht. Es blieb der einzige Versuch einer Kontaktaufnahme.

EN-Kreis ist zuständig für den Immissionsschutz

In einem Schreiben an die Stadt Witten beklagte sie sich im September 2014 über Dämpfe aus Rüdinghausen, die so stark seien, „dass sie sich auf die Bronchien legen und man Mühe hat, zu atmen“. Zuständigkeitshalber reagierte Carsten Hackenschmidt vom Immissionsschutz des EN-Kreises.

„Wenn aus den Schornsteinen gefährliche Stoffe rauskämen, wäre es eine genehmigungsbedürftige Anlage,“ so Hackenschmidt. Das sei hier nicht der Fall. Er stellte aber klar, dass alle Anlagen so betrieben werden müssten, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden. Um herauszufinden, ob die Belästigung „erheblich“ und „schädlich“ ist, müssten „die Gerüche in zehn Prozent der Jahresstunden vorliegen“. Erst wenn diese Schwelle überschritten werde, könne der Immissionsschutz aktiv werden. Er schickte Grazyna Lepski Tabellen für sich und die Nachbarn. Darin sollen sie Datum, Uhrzeit, Dauer, Art, Intensität, Ort und Quelle des Geruchs protokollieren – über ein Jahr. „Ein nicht unübliches Verfahren“, nennt er das. „Die Leute müssen schon mithelfen.“

Bürger schreiben Geruchs-Tage auf

Das Protokollieren des Geruchs sei nicht praktikabel, meinen die Lepskis, „weil niemand die ganze Zeit zu Hause ist“. Sie notierten 2014 zehn Tage, 2015 13 Tage, 2016 14 Tage. Im November 2016 trafen sich Bürger aus Persebeck mit Carsten Hackenschmidt auf der Brücke der Brauckstraße über die Bahn, nachdem sich die Bürger erneut über starken Geruch beschwert hatten. Die Aussagen zu diesem „Schnüffel-Termin“ stehen gegeneinander.

Der EN-Kreis bestätigte jetzt dass der Dokumentationszeitraum noch bis August 2017 laufe. Dabei sei man auf die Hilfe der Beschwerdeführer angewiesen. Unabhängig davon hätten sich Mitarbeiter des Umweltamtes bei etwa zehn Fällen, in denen sie aus anderen Anlässen vor Ort waren, selbst keine Geruchsbelästigung festgestellt.

Der Kreis stellt zugleich klar, dass es um Gerüche geht, „die an der Wohnbebauung wahrzunehmen sind“. Der Immissionsschutz schütze Anwohner in ihrem Wohnraum. Darunter falle die Brücke bei Ostermann nicht. Grazyna Lepski hingegen sagt, dass sie den Geruch auch zu Hause wahrnehme.

Sico-Chef kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen

Einer, der den Trubel um die vermeintliche Verursacher-Silikonfirma Sico nicht verstehen kann, ist Ralf Skoda, Geschäftsführer bei Sico. „Wenn die Anwohner den Zustand 30 Jahre ertragen haben und es dann heute unerträglich wird, kann ich das nicht nachvollziehen“, sagte Skoda auf Anfrage.

Seit 1985 sitzt Sico an der Friedrich-Ebert-Straße. 60 Beschäftigte verarbeiten dort Silikone für den lebensmittelkonformen Gebrauch, für Schläuche von Kaffeeautomaten oder Backofen-Dichtungen sowie für die Medizintechnik und die Automobil-Industrie. „Das alles ist auf verschiedene Weisen zertifiziert.“ Dazu zähle auch eine freiwillige Umweltzertifizierung.

Skoda: „Was aus Schornstein kommt, ist unkritisch“

„Das, was aus unseren Schornsteinen kommt, ist unkritisch“, sagt Ralf Skoda. Beim Erhitzen von Silikonen würden flüchtige Substanzen freigesetzt. „Man riecht im Betrieb die Produktion.“ Er bezweifle aber, „dass man das in einem Kilometer Entfernung überhaupt noch geruchstechnisch wahrnehmen kann“. Darüberhinaus halte er nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit oder das Wohlbefinden „für absolut unrealistisch“.

Die Gesundheit der Mitarbeiter und die eigene lägen ihm am Herzen, so Skoda. Deshalb sei auch eine Testreihe mit der Berufsgenossenschaft durchgeführt worden: „Die Belastung war hier fernab von allen Grenzwerten.“