Witten. Tagespflege-Angebote für Senioren in Witten müssen schließen. Ambulante Dienste kämpfen gegen die Angst - und mit mangelndem Schutzmaterial.

Auch Tagespflege-Einrichtungen für Senioren müssen wegen Corona nach Erlass der Landesregierung seit Mittwoch geschlossen bleiben - auch in Witten. Wie bei Schulen und Kitas gibt es Ausnahmen, wenn die Angehörigen in Schlüsselpositionen arbeiten. Doch die meisten Senioren werden nun nur noch zuhause versorgt. Die ambulanten Pflegedienste stehen vor großen Herausforderungen um sich und ihre Patienten zu schützen.

"Die Verunsicherung ist groß", sagt Andreas Waning, Pflegedienstleiter bei der Caritas Witten. 55 Mitarbeiter des katholischen Wohlfahrtsverbandes versorgen täglich 400 Patienten in den eigenen vier Wänden. "Die Leute haben Angst. Wir bekommen viele Anrufe, die Klienten fragen nach unseren Hygiene-Maßnahmen" so der 42-Jährige.

Hausbesuche bei der Caritas in Witten in Zeiten von Corona nur noch mit Mundschutz

Mittlerweile würden die Pflegekräfte der Caritas bei jedem Hausbesuch zusätzlich zu den obligatorischen Handschuhen einen Mundschutz tragen, bei intensiverem Kontakt auch einen Schutzkittel. Um den Betrieb auch künftig aufrecht zu erhalten, wurden die Patienten identifiziert, bei denen externe Hilfe dringend notwendig ist, etwa weil sie keine Verwandten mehr haben. Und die, bei denen man die Besuche auf ein Minimum reduzieren könnte. "So könnten wir reagieren, wenn Mitarbeiterinnen krank werden oder in Quarantäne müssen."

Vereinzelt gebe es Absagen für Einsätze im hauswirtschaftlichen Bereich. "Aber die Leute bekommen ja weiterhin Herzinfarkte oder sind nach einem Krankenhausaufenthalt auf Pflege angewiesen. Das ändert sich ja nicht", sagt Waning. Im Januar habe sich die Caritas noch einmal mit Hilfsmitteln wie Desinfektionsmitteln und Gesichtsmasken eingedeckt. "Die sind noch ausreichend vorhanden."

Pflegedienst: Unsere Schutzausrüstung wird knapp

Anders sieht das bei der Familien- und Krankenpflege mit Sitz im Wullener Feld aus. Auch hier setzen die Pflegedienst-Mitarbeiter bei ihren Hausbesuchen nun vermehrt auf Atemmasken und andere Schutzausrüstung. "Bei rund 2600 Einsätzen in der Woche reichen unsere Vorräte an Masken aber nicht mehr lange", sagt Pflegeleiter Jörg Linnebach. Daher basteln die Auszubildenden des Pflegedienstes derzeit vorsorglich neue Schutzmasken aus einem besonderen Zellstoff selbst.

Auch was Schutzkittel angeht, werde man bald "improvisieren" müssen, sagt Geschäftsführer Volker Rumpel. Er hat daher bereits hunderte Rollen gelbe Säcke geordert. Diese sollen die Mitarbeiter dann im Notfall überziehen. So wolle man sich "für den Ernstfall wappnen". Ohnehin seien Schutzmittel wie Atemmasken und Desinfektionsmittel wenn überhaupt, dann nur zum doppelten Preis erhältlich, sagt der 59-Jährige. "Weil uns die rudimentären Dinge ausgehen, wird sich das Virus weiterverbreiten", fürchtet er.

Auch die Familienpflege spürt eine "große Verunsicherung" bei seinen Kunden. Aus Sorge vor Ansteckung seien bereits zahlreiche Einsätze im hauswirtschaftlichen Bereich abgesagt worden, sagt Pflegeleiter Linnebach. Gestiegen sei dagegen die Nachfrage nach Essen auf Rädern. Täglich kämen drei bis vier neue Kunden hinzu. Die Mahlzeiten werden jetzt allerdings ohne sozialen Kontakt geliefert und vor der Haustüre abgestellt.

>>>Notbetreuung in der Tagespflege bringt Anbieter in finanzielle Schwierigkeiten

Die Tagespflege für Senioren liegt seit Mittwoch auf Eis. Ausnahmen gibt es nur, wenn die pflegenden Angehörigen zu den „unverzichtbaren“ Berufen gehören, also etwa als Ärzte oder bei der Polizei arbeiten. Vollständig geschlossen ist bereits das entsprechende Angebot der Diakonie in den Feierabendhäusern. Man habe den Bedarf abgefragt, aber alle Familien hätten sich anderweitig organisieren können, sagt Diakonie-Sprecher Jens-Martin Gorny.

Der Erlass der Landesregierung sei auch eine Erleichterung. „Denn jetzt herrscht Klarheit“, so Gorny. Da bei der Diakonie die Tagespflege im Gebäude des Altenzentrums am Schwesternpark untergebracht ist, bestehe nun für die voll-stationären Bewohner auch weniger Ansteckungsrisiko.

"Aus wirtschaftlicher Sicht wird das richtig weh tun"

Die Tagesbetreuung der Familien- und Krankenpflege im Wullener Feld bietet hingegen ab Montag (23.03.) eine Notbetreuung für maximal sieben Senioren an. Normalerweise verbringen hier im Schnitt 22 Personen den Tag. Bis Montag müsse man umorganisieren und entscheiden, welche Mitarbeiter etwa für die Zeit der Schließung Urlaub nehmen werden und wer bleibt. „Aber aus wirtschaftlicher Sicht wird das richtig weh tun“, sagt Geschäftsführer Volker Rumpel.

Der Fahrdienst bringt künftig die Senioren einzeln zur Einrichtung in Stockum - ausgestattet mit Mundschutz und Handschuhen. "Denn den vorgegebenen Abstand von zwei Metern können wir da ja nicht einhalten", so Rumpel.

Auch die Tagespflege Chelonia bietet eine Notbetreuung für die Senioren an, deren Verwandte darauf angewiesen sind. Zwischen zwei und fünf Rentner würden nun täglich zu ihr kommen, sagt Inhaberin Stephanie Ludwig. Gemeinsam mit ihren Mitarbeitern will die 45-Jährige nun überlegen „wie wir gemeinsam die Kuh vom Eis holen“. Die finanziellen Einbußen seien aber enorm. „Wie lange ich das durchhalte, weiß ich nicht.“