Witten. Das Gesundheitsamt übernimmt ab sofort die Corona-Abstriche bei Verdachtsfällen im EN-Kreis. Es soll bald auch Hausbesuche für Erkrankte geben.

In Witten gibt es bislang noch keine bestätigte Infektion mit dem neuartigen Coronavirus. Im gesamten EN-Kreis sind allerdings bereits über 70 Personen auf den Erreger Sars-CoV-2 getestet worden. Um Arztpraxen und Krankenhäuser zu entlasten, setzt der Kreis ab sofort auf eine mobile Lösung: Ab Dienstag (10.03.) suchen zwei Mitarbeiter vom Arbeiter-Samariter-Bund mögliche Infizierte in den eigenen vier Wänden auf, um die zur Abklärung nötigen Proben in Nase und Rachen einzusammeln. Auch soll es bald zentral koordinierte Hausbesuche zur ärztlichen Versorgung von mild erkrankten Corona-Patienten geben.

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Von der Kreisfeuerwehrzentrale in Gevelsberg aus brechen zwei Mitarbeiter des Arbeiter-Samariter-Bunds mit einem umfunktionierten Notarzteinsatzfahrzeug zu Patienten im Kreisgebiet auf, die auf das Corona-Virus getestet werden sollen. Am Dienstag waren das allein elf Personen.   
Von der Kreisfeuerwehrzentrale in Gevelsberg aus brechen zwei Mitarbeiter des Arbeiter-Samariter-Bunds mit einem umfunktionierten Notarzteinsatzfahrzeug zu Patienten im Kreisgebiet auf, die auf das Corona-Virus getestet werden sollen. Am Dienstag waren das allein elf Personen.    © Ennepe-Ruhr-Kreis | UvK

Über das Bürgertelefon des Kreises können sich Patienten und Arztpraxen für einen Test melden. Besteht begründeter Verdacht auf eine Infektion, rückt das Fahrzeug aus. Die Abstriche sollen die Betroffenen dann aber selbst durchführen, die Helfer stellen das benötigte Material dafür vor die Wohnungstür.

Gefahr der Ansteckung mit Corona ist bei Abstrich besonders hoch

„Damit ist die Frage der Abstriche geklärt“, zeigt sich Arne Meinshausen erleichtert. Der Geschäftsführer der Ärztlichen Qualitätsgemeinschaft Witten (ÄQW) hatte in der vergangenen Woche einen Brandbrief an Gesundheitsminister Jens Spahn geschrieben, in dem er eine erhebliche Gesundheitsgefährdung der Hausarztpraxen anprangerte – vor allem wegen fehlender Schutzkleidung. Denn das Ansteckungsrisiko sei besonders bei den Abstrichen für das behandelnde medizinische Personal hoch.

Dr. Arne Meinshausen am Eingang seiner ärztlichen Gemeinschaftspraxis in Witten-Herbede. Der Mediziner arbeitet gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) daran, einen ärztlichen Besuchsdienst für Corona-Patienten einzurichten.
Dr. Arne Meinshausen am Eingang seiner ärztlichen Gemeinschaftspraxis in Witten-Herbede. Der Mediziner arbeitet gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) daran, einen ärztlichen Besuchsdienst für Corona-Patienten einzurichten. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Die Ärzte im Rathaus der Medizin in Witten-Herbede, in dem Meinshausen praktiziert, sind deshalb bereits letzte Woche dazu übergegangen, keine Abstriche mehr vorzunehmen. Nach telefonischer Absprache und bei begründetem Infektionsverdacht holen nun Angehörige ein Abstrichröhrchen und eine Anleitung in der Praxis ab. Der Betroffene nimmt dann zuhause selbst die Proben. Ein Angehöriger bringt sie in einem verschlossenen Beutel zur Praxis zurück.

Arztpraxen sollten möglichst wenig Kontakt zu Coronapatienten haben, um eine Schließung zu vermeiden

Ziel für alle Hausarztpraxen müsse es sein, möglichst wenig direkten Kontakt zu Verdachtsfällen zu haben, damit nicht am Ende der Praxisbetrieb wegen eines ungeschützt behandelten Infizierten untersagt werden könnte, heißt es in einem Rundschreiben an die rund 100 Mitglieder der ÄQW. In Bochum ist wegen eines solchen Falls bereits eine erste Hausarztpraxis für zwei Wochen dicht gemacht worden.

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„Ein Problem, das vielen noch nicht bewusst ist, ist die fehlende ärztliche Versorgung von mild erkrankten Corona-Patienten“, sagt Arne Meinshausen. Gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe arbeitet der 62-Jährige gerade an einem Konzept für einen hausärztlichen Besuchsdienst für den Kreis. Denn bei einem positiven Ergebnis erhalten viele Patienten in den 14 Tagen ihrer Hausquarantäne bislang keine ärztliche Untersuchung.

Corona-Patienten in Hausquarantäne sind „medizinisches Niemandsland“

Kreis rät von Klassenfahrten ins Ausland ab

Das Bürgertelefon des EN-Kreises ist täglich von 8 bis 18 Uhr unter der Nummer 02333 40 31 449 erreichbar. Rund 50 Anrufer am Tag zählte die Hotline bislang. Am Montag stieg diese Zahl bereits einige Zeit vor Dienstschluss auf 90. Zusätzlich gibt es Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr ein neue Nummer der Landesregierung: 0211/91 19 11 01.

Derzeit hält die Kreisverwaltung die Schließung öffentlicher Gebäude wie Schulen, Verwaltungen oder Kindergärten nicht für erforderlich. Ob Veranstaltungen stattfinden sollen oder nicht, darüber solle der jeweilige Ausrichter entscheiden.

Zu Klassenfahrten ins Ausland könne zum jetzigen Zeitpunkt „grundsätzlich keine positive Aussage“ abgegeben werden, heißt es aus dem Kreishaus. Denn selbst wenn sich das Ziel heute in einem Nicht-Risiko-Gebiet befindet, könne sich dies innerhalb von Tagen ändern.

„Sie werden mit grippalen Krankheitssymptomen und ihren Ängsten, lebensbedrohlich erkrankt zu sein, ärztlich allein gelassen“, kritisiert der Mediziner. Denn derzeit würde kein Arzt einen Hausbesuch machen. Ebenso wenig werden Corona-Erkrankte zur Untersuchung in eine Praxis einbestellt. Meinshausen: „Aktuell ist das medizinisches Niemandsland.“

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Vorstellbar sei, dass Fahrzeuge der Johanniter, die auch am Wochenende beim Notdienst zum Einsatz kommen, für die Versorgung von Coronapatienten in der Woche verwendet werden. Diese seien mit allen Schutzartikeln ausgestattet, so Meinshausen. Nötig sei dazu auch ein Pool an freiwilligen Ärzten, die diesen Bereitschaftsdienst übernehmen würden.

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