Witten. „Ich schneid’ dir die Kehle durch!“ Ein 36-Jähriger hat in Witten drei Tage lang Jobcenter-Mitarbeiter attackiert – einige in der Mittagspause.

Über drei Tage lang waren die Mitarbeiter des Jobcenters in Witten-Annen den Attacken eines 36-Jährigen ausgesetzt, dem die Hartz-IV-Leistungen kurzfristig ausgesetzt worden waren. Schließlich lauerte der Mann den Mitarbeitern in der Mittagspause auf. Einen Angestellten griff er an. Zwei Frauen und ein Mann konnten sich in ein Geschäft an der Annenstraße retten und dort verstecken. Für Steffen Louis, Leiter des Jobcenters an der Holzkampstraße, ist die Dimension dieses Vorfalls „weit außerhalb des Üblichen. Das beunruhigt uns sehr“.

Nachdem sich eine Passantin bei unserer Redaktion gemeldet hatte, die einen der Vorfälle mitbekommen hatte, sind die Attacken öffentlich geworden. Der Polizei liegen zwar mehrere Anzeigen vor, sie schienen aber – jeweils einzeln betrachtet – nicht beunruhigend, so Marco Bischoff von der Polizeipressestelle. Seit Längerem sei der Ton im Wittener Jobcenter rauer geworden. „Wir stellen fest, dass Respekt und Achtung abnehmen“, sagt auch Steffen Louis. Die Polizei sei ein- bis zweimal wöchentlich vor Ort.

Witten: Umbau der Niederlassung nach tödlichem Messerstich

Die tödliche Messerattacke eines Mannes auf eine Mitarbeiterin (32) des Jobcenters Neuss hatte 2015 zu einem Umbau der Wittener Regionalniederlassung geführt. Die Sicherheitsmaßnahmen wurden erhöht. „Und das hat jetzt gegriffen“, sagt Louis. Doch noch nie sei es vorgekommen, dass die Mitarbeiter außerhalb ihres Arbeitsplatzes angegriffen werden – damit hatte auch keiner gerechnet.

So sieht ein „vandalismussicheres Telefon“ aus. Auf jeder Etage hängen solche Kundentelefone, mit denen man sich im Büro seines Sachbearbeiters anmelden kann.
So sieht ein „vandalismussicheres Telefon“ aus. Auf jeder Etage hängen solche Kundentelefone, mit denen man sich im Büro seines Sachbearbeiters anmelden kann. © Barbara Zabka

Was war passiert? Einem 36-Jährigen waren die Hartz-IV-Leistungen kurzfristig eingestellt worden. Sprich: Er bekam kein Geld mehr. Bereits am Donnerstag und Freitag (21./22.11.) letzter Woche habe er in der Behörde randaliert, unter anderem zwei Telefone beschädigt, berichtet der Amtsleiter. Höhepunkt sei der Montag (25.11.) gewesen. Morgens sei er in den Eingangsbereich des Jobcenters gekommen, habe ein „vandalismussicheres“ Telefon aus der Wand gerissen. Damit habe er von außen versucht, ein Fenster in einer höheren Etage einzuwerfen. Er verfehlte sein Ziel, die Mitarbeiter riefen die Polizei. Als diese kam, war der Mann wieder weg.

„Ich schneid’ dir die Kehle durch“

Wenig später sei er im Eingangsbereich der zweiten Etage wieder aufgetaucht. „Er schrie herum, beleidigte die Mitarbeiter, warf Blumentöpfe und einen Infoständer um“, sagt Louis. Als die Polizei kam, war der Mann erneut verschwunden.

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Wenig später waren vier Sachbearbeiter gemeinsam in ihrer Mittagspause auf der Annenstraße unterwegs. Der Hartz-IV-Bezieher lauerte dem Quartett auf. Einen Mann griff er von hinten an, packte ihn am Kragen. Der Angestellte konnte sich losreißen, rannte die Straße hinunter, in den Real-Supermarkt. Zwei Frauen und ein weiterer Mann suchten Schutz in einem Fachgeschäft auf der Annenstraße.

Sicherheitsmaßnahmen erhöht

400.000 Euro haben der EN-Kreis sowie der Gebäudeeigentümer, Möbelunternehmer Rolf Ostermann, in den Umbau des Jobcenters 2015 investiert.

Es wurden Wände gezogen, abschließbare Glastüren auf den einzelnen Etagen installiert. Die Mitarbeiter können im Falle eines Falles ins Zimmer des Kollegen flüchten und wurden im Umgang mit aggressiven Kunden geschult. „Niemand kommt unbeobachtet in den internen Bereich“, sagt Behördenleiter Steffen Louis.

„Die waren völlig panisch, sagten, sie werden bedroht und dass ich die Tür abschließen soll“, erinnert sich die Inhaberin. Andere Passanten berichten, dass der Mann auf der Annenstraße herumschrie und alles und jeden beleidigte. „Ich schneid’ dir die Kehle durch“ – auch solche Bemerkungen sollen gefallen sein. Als der Mann die nahende Polizei witterte, sei er verschwunden.

Ins Jobcenter kommt man nur noch in Begleitung

Bis Donnerstag gelten noch besondere Sicherheitsbedingungen im Wittener Jobcenter. Direkt am Haupteingang werden Kunden von zwei Mitarbeitern empfangen. Ins Haus kommt man nur in Begleitung. Der Mann habe sich noch nicht bei der Polizei gestellt, sagt Steffen Louis. Er habe aber seine Zahlung erhalten. „Ich nehme an, dass sich der Leidensdruck dadurch gesenkt hat, dass Geld geflossen ist. Deswegen wollen wir jetzt in den Normalbetrieb zurückkehren.“

Einen Sicherheitsdienst gibt es im Jobcenter nicht. Man wolle „keine Barrieren schaffen. Wir sind schließlich ein Dienstleister“. Denn es sei auch klar, dass es im Jobcenter um existenzielle Fragen gehe, bei denen schnell Emotionen hochkochen. „Nicht jeder Mitarbeiter, der beleidigt wird, rennt damit gleich zur Polizei“, sagt Steffen Louis. „Wir haben schon ein dickes Fell.“