Witten. Eigentlich gilt im Wittener Bruch Tempo 30. Nur für Fahrschul-Motorräder gibt es nun Ausnahmen. Sie dürfen mehr Gas geben. Anwohner sind empört.
Eine Ausnahmegenehmigung für Fahrschulen gibt es ab sofort im Wittener Bruch. In einem Abschnitt der kleinen Tempo-30-Straße in Annen dürfen jetzt Motorradübungen und -prüfungen durchgeführt werden – und zwar mit Tempo 50. Für Anlieger Ralf Töllner ein Unding. Er fürchtet um die Sicherheit von Fußgängern und spielenden Kindern in der Sackgasse.
Der Fahrlehrerverband Westfalen hatte die Ausnahmegenehmigung beantragt. Denn in der Siemensstraße, ein Privatgelände der Thelen-Gruppe, auf dem das Fahrtraining bislang gestattet war, ist es künftig nicht mehr möglich. Dort soll wohl gebaut werden.
„Weil der Eigentümer es nicht mehr erlaubt, musste eine neue geeignete Zone gefunden werden“, sagt Annette Kempf von der Pressestelle der Stadt Witten. Denn: „Es gibt einen Erlass des Verkehrsministeriums, wonach die Städte dazu angehalten werden, solche Zonen zur Verfügung zu stellen.“
Tempo 50 gilt nur für Fahrschulen
Diese „Zone“ entsteht nun im Wittener Bruch. Im gesamten Stadtgebiet gebe es keine andere geeignete Fläche, betont die Stadtsprecherin. Die Sackgasse sei besonders für Fahrschulen geeignet, weil es dort kaum Verkehr gebe.
Im Abschnitt hinter der Kurve bis zur Brücke (hinter der Jet-Tankstelle an der Dortmunder Straße) werden derzeit Halteverbotsschilder aufgestellt. Weitere Schilder, die über die Ausnahmegenehmigung aufklären, wird es nicht geben. Für Anwohner und Anlieger gilt weiter Tempo 30. Nur Fahrschulen dürfen stärker aufs Gaspedal drücken.
„Ich hab gedacht, ich falle vom Glauben ab, als ich das gehört habe“, schimpft Anwohner Ralf Töllner. Er hält die Pläne für brandgefährlich. „Hier rechnet doch niemand mit so schnellen Motorrädern.“ Der Wittener Bruch sei überhaupt für solche Fahrschul-übungen denkbar ungeeignet. „Die Kinder spielen auf der Straße und wir haben hier total viel Fußgängerverkehr.“
Besucher der Lebenshilfe gingen im Bruch oft morgens und nachmittags spazieren – genau da, wo die Fahrschulen üben wollen, so Töllner. Hinter der Unterführung unter der Dortmunder Straße sei der Eingang der Lebenshilfe. Außerdem nutzten Schul- und Kitakinder die Straße. „Und wir haben hier auch noch die Sportvereine.“
Das neue Halteverbot bereitet dem Eigentümer einer Firma für Werbetechnik Bauchschmerzen. „Wir haben keinen Platz für die Autos der Kundschaft mehr.“ Für seine Nachbarn, die Fahrzeugvermietung Gadlo, die die Wagen bislang in der Straße abgestellt hätten, gehe die Änderung an die Existenz.
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Anwohner Ralf Töllner versteht nicht, warum die Übungsstrecke nicht besser in ein Gewerbegebiet gelegt wird. „Ins Salinger Feld etwa.“ Doch das sei keine Lösung, verneint Siegmut Brömmelsiek, Vorsitzender der Wittener Bürger Gemeinschaft und selbst Fahrlehrer. In einem Gewerbegebiet müsse immer mit Lkw-Verkehr gerechnet werden. Zu gefährlich, meint er.
Es geht um die Fahrsicherheit
Bei den Fahrübungen müssen Motorräder unter anderem einen Kreis fahren, Pylone im Slalom sicher umkreisen und vom Fahrbahnrand starten. Auch eine Gefahrenbremsung bei Tempo 50 und Ausweichen gehört zu den Grundfahraufgaben.
Die seien keineswegs Motorradkunststücke, „sondern entscheiden bei der Bewältigung kritischer Situationen über Leben und Gesundheit der Verkehrsteilnehmer“, so der Fahrlehrerverband in einem Strategiepapier.
Brömmelsiek stimmt dem 49-jährigen Töllner aber zu, dass auch der Wittener Bruch keine ideale Lösung ist. Nicht nur wegen der Fußgänger. Ob Herbstlaub durch die vielen Bäume oder die verdeckte Rechts-vor-Links-Kreuzung an der Unterführung – all das berge ein „erhebliches Gefahrenpotenzial“.
Auch der Fahrschulverband ist nicht besonders glücklich über die gefundene Lösung. Aber selbst mit viel Mühe habe man keinen anderen Platz für eine entsprechende Strecke in der Stadt gefunden, sagt Unterbezirksleiterin Kornelia Richter. Und die sei nun einmal unbedingt nötig. „Sonst können wir keine A-Prüfungen für Motorräder mehr abnehmen – und dann entzieht uns der TÜV den Bezirk.“ Das könne niemand für die Wittener Prüflinge wollen.
WBG-Chef Brömmelsiek versteht die Nöte der Fahrschulen. „Das ist für sie eine Frage der Existenz.“ Nun müsse es darum gehen, möglichst bald einen Kompromiss zu finden. Er hat auch schon einen Vorschlag parat: die große Fläche links hinterm Betriebsamt an der Dortmunder Straße. So ein freier, verkehrsfreier Platz wäre Kornelia Richter vom Fahrschulverband auch viel lieber. Allerdings: Er müsste asphaltiert werden. „Auf Schotter könne wir nicht schulen.“