Seit einem Jahr ist die Pferdebachstraße nun schon Baustelle. Geschäftsleute verlieren deshalb Kunden. Ein Kioskbesitzer gibt nach 24 Jahren auf.
Er hätte gerne weitergemacht, doch die Baustelle an der Pferdebachstraße hat ihn etliche Kunden gekostet. Nun ist Ziyaettin Erbasti pleite und schließt deshalb seinen kleinen Kiosk direkt am Bahnübergang zum 31. Dezember.
Seit 24 Jahren verkauft er dort Brötchen, Kaffee und Zigaretten, Sekt, Saft und Süßes. „Ständig habe ich eine Baustelle vor der Tür – das kann keiner überleben“, sagt Erbasti. Im August 2018 haben die Arbeiten an der Pferdebachstraße begonnen. Vorher war die Ziegelstraße, die entlang des Bahndamms führt, gesperrt. 2015 ist eine neue Schrankenanlage errichtet worden. Stets habe er darunter zu leiden gehabt, sagt der Besitzer von „Bengüs Büdchen“ – er hat es nach seiner Tochter benannt. Doch so viele Kunden wie jetzt seien noch nie weggeblieben.
Erbasti öffnet werktags schon um fünf. Wer aus der Innenstadt frühmorgens Richtung Autobahn zur Arbeit gefahren sei, habe bei ihm angehalten, um sein Frühstück zu kaufen. „Das waren über 50 Prozent meiner Kunden und die fehlen jetzt.“ Denn die Straße ist nur noch in Richtung City befahrbar. Nur von der Laufkundschaft könne er nicht leben. Auch um den Paketshop, den er im Kiosk betreibt, steht es schlecht. Dort sei ebenfalls die Hälfte der Kundschaft weggebrochen. Erbasti kann sie ja alle verstehen.
„Keiner fährt deshalb einen Riesen-Umweg.“ Er kritisiert: Hätte man die Bauabschnitte an der Pferdebachstraße wie geplant nacheinander eingerichtet und nicht sofort auf 1,4 Kilometern nur einspurig gemacht, dann hätte er die Zeit vielleicht überstehen können.
Auch andere Geschäftsleute an der Pferdebachstraße beklagen die Situation, die ihnen die Baustelle direkt vor der Tür beschert.
Auch Blumengeschäft beklagt50 bis 70 Prozent Umsatzeinbußen
Sie habe 50 bis 70 Prozent ihres Umsatzes verloren, immer weniger Kunden kämen, sagt etwa Ernada Kusur von Bella Flora. Die 26-Jährige hat vor einem Jahr den Blumenladen gegenüber vom Ev. Krankenhaus übernommen. „Die Vorbesitzerin ist genau zum richtigen Zeitpunkt in Rente gegangen“, sagt sie. Doch sie will nicht jammern. „Wir versuchen durchzuhalten und ein bisschen was Neues anzubieten.“ Sie setzt verstärkt auf Internet-Werbung, Trockenblumen und Hochzeiten.
Unbedingt seinen Standort behalten möchte auch Emin Kocglu, der den Berlin Döner in Höhe des Friedhofs an der Pferdebachstraße betreibt. „Wenn die Baustelle weg ist, ist das hier ein guter Platz.“ Doch jetzt sei tatsächlich nichts los. „Wir haben schon richtig viele Kunden verloren. Wenn das so weitergeht, wird es hart.“ Doch Kocglu will den Imbiss weiter öffnen, „egal was passiert“.
Kioskbetreiber hat sein Erspartesinzwischen aufgebraucht
Im Eiscafé Vizzini – schräg gegenüber von Bengüs Büdchen – bereitet man sich derweil langsam auf die Winterpause vor, die Ende Oktober beginnt. Es sind weniger geworden, die sich ein Eis auf die Hand holen, so Chefin Teresa Vizzini. Doch noch sitzen die Stammkunden bei schönem Wetter draußen vor dem Gebäude. Auch Peter Brotkorb, der den Saunagarten und ein Bestattungshaus an der Pferdebachstraße betreibt, beurteilt die Situation relativ entspannt: „Meine Kunden haben sich darauf eingestellt.“ Die Bauarbeiten seien notwendig. „Damit muss man leben.“
Für Ziyaettin Erbasti ist dennoch in drei Monaten Schluss. Er habe immer wieder in den Kiosk investiert, doch jetzt sei sein Erspartes aufgebraucht. Mit 58 muss er sich einen neuen Job suchen. „Ich hätte nie gedacht, dass es mal so schlimm kommen würde.“