Witten/EN-Kreis. . Viele Betroffene wissen nicht, welche Ansprüche sie wahrnehmen können. Die „Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung“ soll diese Lücke schließen.

An wen können sich Menschen mit einer Behinderung wenden, wenn sie wissen wollen, welche Angebote und Hilfen es für sie gibt? Bislang klaffte hinter dieser Frage eine große Lücke. Nun gibt es für Betroffene und Angehörige im EN-Kreis eine neue, zentrale Anlaufstelle: die „ergänzende unabhängige Teilhabeberatung“ (EUTB), angesiedelt beim Paritätischen.

„Was wir hier tun, lässt sich am besten verstehen, wenn man das Leben eines eingeschränkten Menschen, mit dem eines nicht-eingeschränkten vergleicht“, sagt Sozialarbeiterin Petra Schlicht. Kann eine Person mit Behinderung selbstbestimmt das eigene Leben planen, sich frei für einen Job entscheiden oder eine Wohnung wählen? Aber eben auch: einfach mal Schwimmen gehen oder sich eine Aufführung im Theater ansehen. „Das geht meist nicht so problemlos wie bei anderen“, sagt Schlicht. „Und es ist wirklich erstaunlich, wie wenig aufgeklärt die Leute darüber sind, was es alles für Hilfsangebote gibt.“

Beratungsstelle als Lotse

Die Beratungsstelle soll daher in erster Linie orientieren und einen Überblick verschaffen. „Wir nehmen die Funktion eines Lotsen ein“, sagt Schlicht. Was gibt es? Was kommt überhaupt individuell infrage? Und wie beantrage ich das? „Das war und ist für die Betroffenen wirklich sehr unübersichtlich“, sagt Beraterin Patricia Augustin.

„Unabhängig“ trägt die Beratungsstelle auch deshalb im Namen, weil sie selbst keine Leistungen erbringt und auch von keinem Leistungsträger abhängt. An diese kann sie aber weitervermitteln.

Die EUTB-Stelle in Witten ist für alle neun Kommunen des EN-Kreises zuständig und eine von 400 Stellen deutschlandweit, die nach Inkrafttreten des Paragrafen 32 des Bundesteilhabegesetzes Anfang des Jahres durch den Bund eingerichtet und auch finanziell gefördert werden.

Bei der EUTB stehe der Ratsuchende im Mittelpunkt. „Es dreht sich zentral um die Frage, wie die jeweilige Person ihr Leben gestalten möchte, welche Wünsche und Ansprüche er oder sie hat“, sagt Annika Lisakowski, die Dritte im Bunde der Beraterinnen. Dabei verfolge man einen ganzheitlichen Ansatz. „Wir haben die gesamte Lebenssituation im Blick, nicht nur die konkrete Frage“, so die 32-Jährige. So sollen Bedarfe frühzeitig erkannt werden – ein Auftrag des Gesetzgebers.

Interessierte können sich in der EUTB-Stelle auf Wunsch anonym beraten lassen. Und: die Gespräche laufen auf Augenhöhe ab – weil die Beraterinnen selbst eine Behinderung haben oder Angehörige mit einer Einschränkung.

Bislang 50 Beratungen

Schon über 50 Ratsuchende hat das Frauen-Trio beraten seit es im April seine Arbeit aufgenommen hat. Die Themen sind dabei so vielfältig und individuell wie die Betroffenen selbst. „Wir hatten zum Beispiel einen Vater hier, der seinen behinderten Sohn jeden Tag zur Arbeit fährt, weil der mit dem Rollstuhl sehr schlecht mit Bus und Bahn zu seiner Arbeitstelle kommt“, erzählt Schlicht.

Was Vater und Sohn nicht wussten: der junge Mann hat Anspruch auf ein sog. „persönliches Budget“, das er beim Rentenversicherungsträger beantragen kann. mit diesem Geld kann der Sohn nun künftig ein Taxi-Unternehmen bezahlen, das ihn regelmäßig zur Arbeit bringt, so den Vater entlastet und dem Sohn ein Stück mehr Eigenständigkeit verschafft.

>> INFO: Förderung für drei Jahre

Die EUTB-Beratungsstelle sitzt im Gebäude der Selbsthilfekontaktstelle, Dortmunder Straße 13.

Sprechzeiten sind: Montag von 10 bis 12 Uhr, Mittwoch von 15 bis 18 Uhr, Donnerstag 10 bis 14 Uhr. Termine für ein persönliches Gespräch können auch vorab vereinbart werden: 42 15 23.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fördert die bundesweit über 400 Beratungsstellen zunächst für drei Jahre mit jährlich 58 Millionen Euro.