Witten. Ein ehemaliges Schwergewicht hat nach Annen zum Mode-Flohmarkt für Adipöse eingeladen. Zum Shoppen kamen pfundige Menschen aus der ganzen Region.

Pfundige Menschen kennen das Problem: Wer etwas Schickes zum Anziehen sucht, läuft oft von Geschäft zu Geschäft, bis endlich etwas Passendes gefunden ist. Eine zeitraubende Shoppingtour, nicht selten ein frustrierendes Erlebnis, wie Susanne Ridgwell erzählt. Wieviel Freude es macht, in Sachen Kleidung die Qual der Wahl zu haben, war der 49-Jährigen auf dem ersten Mode-Flohmarkt für Übergrößen in der Halle der Ruhrtalengel in Annen anzusehen.

Schon um die Mittagszeit drängten sich dort am Sonntag die Besucher – ausgestattet mit Taschen und Rucksäcken – auf der Suche nach einem modischen Schnäppchen ab Größe XL plus. Susanne Ridgwell ist fürs Flohmarkt-Shoppen extra aus Kamen angereist. „Ich finde in meiner Größe 56 in Geschäften nichts mehr und kaufe daher online ein.“ Was die 49-Jährige ärgert: „Die Leute werden immer fülliger, die in den Geschäften angebotene Mode immer kleiner.“ Außerdem sei auf die Größenangaben kein Verlass mehr. „Meine Tochter trägt die Konfektionsgrößen 36 und 38 und musste sich jetzt etwas in 48 kaufen, damit es passt.“ Verkehrte Modewelt – nicht nur für Adipöse.

„Oberteile trage ich noch auf, das ist ja auch eine Kostenfrage“

Kaum zu glauben: Diese Hose hat Iris Marciniak einmal ausgefüllt.
Kaum zu glauben: Diese Hose hat Iris Marciniak einmal ausgefüllt. © Barbara Zabka / FUNKE Foto Services

Iris Marciniak hat einen Flohmarktstand. Die Dortmunderin wog in diesem April noch 125 Kilo – bei einer Körpergröße von 1,60 Meter. Seither hat die Bürokauffrau 38 Kilo verloren. Sie hatte sich zu einer Operation, einer Magenverkleinerung entschlossen, als sie durch ihr extremes Übergewicht gesundheitliche Probleme bekam. Diabetes und Bluthochdruck hatten sich eingestellt. „Und ich bekam schlecht Luft beim Treppensteigen.“ Von ihren alten Hosen, in denen sie heute versinkt, wollte sich die 56-Jährige auf dem Flohmarkt verabschieden. „Oberteile trage ich noch auf, das ist ja auch eine Kostenfrage.“

Eingeladen nach Annen hat Lars Bätz, Leiter der Selbsthilfegruppe für Adipöse in Witten, die sich drei Mal im Monat am Marien-Hospital trifft (www.adipoese-witten.de). Der 45-Jährige, der eine Firma für Fahrzeugpflege betreibt, war einmal ein 160-Kilo-Mann. Auch Bätz ließ sich den Magen verkleinern und bringt bei einer Größe von 1,85 Meter jetzt 92 Kilo auf die Waage. Im Oktober läuft der Wittener einen Halbmarathon in Dortmund und in Köln. Ein Mann, der strahlt und sich freut, am Sonntag rund 40 private Aussteller aus Witten und den Nachbarstädten in der Halle der Ruhrtalengel präsentieren zu können, die alle ihre Kleiderschränke durchforstet haben und sich von Hosen, Jacken, Kleidern und T-Shirts trennen.

„Wie hälst Du es bloß mit dieser fetten Kuh aus?“

Auch Ines, eine 100-Kilo-Frau, ist zum Mode-Flohmarkt für Schwergewichtige gekommen. Die 44-Jährige hat früher einmal 142 Kilo gewogen. „Ich habe das Falsche gegessen, viel Süßes, Chips. Diäten führten zum bekannten Jo-Jo-Effekt.“ Dann erzählt sie davon, dass adipöse Menschen verdammt starke Nerven brauchen. „Bei einem Urlaub mit meinem Mann in Ostdeutschland hat uns jemand einen Zettel ans Auto gemacht. Auf dem stand: Wie hälst Du es bloß mit dieser fetten Kuh aus?“

Stefanie Schneider (li.) und Annette Klute beim Mode-Flohmarkt für Adipöse. Stefanie Schneider nahm stolze 40 Kilo ab.
Stefanie Schneider (li.) und Annette Klute beim Mode-Flohmarkt für Adipöse. Stefanie Schneider nahm stolze 40 Kilo ab. © Barbara Zabka / FUNKE Foto Services

Stefanie Schneider, die auf dem Flohmarkt hinter einem Stand steht, erzählt, dass sie nach einigen Schickssalsschlägen so stark zugenommen habe. „Man weiß, dass es verkehrt ist, aber kann es nicht ändern.“ Die Wetteranerin wog bei einer Größe von 1,76 Meter schließlich 135 Kilo. Ihre Fuß- und Kniegelenke schmerzten, ihr Rücken auch. Vor einem Jahr, so erzählt sie, habe sie mit einer Freundin, die auch stark übergewichtig war, einen Adipositas-Vortrag in Hagen gehört. Danach sagten sich beide Frauen: Mit diesem Gewicht muss jetzt Schluss sein.

80 Pfund sind weg – durch eine Ernährungsumstellung

„Ich habe meine Lebensgewohnheiten geändert“, betont Stefanie Schneider. „Ich verzichte auf Zucker und Kohlenhydrate. Dafür gibt es viel Obst, Gemüse und Salat.“ 80 Pfund sind weg. Sie esse heute mit Köpfchen, sagt sie. Und fügt schmunzelnd hinzu: „30 Pfund müssen noch runter. Ich habe mich für September in einem Fitnessstudion angemeldet, das direkt neben meiner Arbeitsstelle liegt.“

>>> NÄCHSTER FLOHMARKT IM NOVEMBER

Wem der XXL-Mode-Flohmarkt Lust auf mehr gemacht hat, der kann sich den Sonntag, 10. November, vormerken. Dann gibt es den nächsten Flohmarkt für Größen ab 42 (XL) aufwärts.

Treffpunkt ist wieder von 11 bis 16 Uhr die Halle der Ruhrtalengel. Wer dort als Privatanbieter mit einem Stand vertreten sein möchte, kann sich per Mail anmelden bei: lars-shg@gmx.de. Die Standgebühr beträgt fünf Euro pro Meter.